Süddeutsche Zeitung

Affäre um Prinz Andrew:"Das ist nicht irgendeine schmud­delige Sex­geschichte"

Die US-Amerikanerin Virginia Giuffre erneuert in einem Interview ihre Vorwürfe gegen Prinz Andrew und bittet die Briten, die Taten nicht zu verharmlosen.

Von Cathrin Kahlweit

Es ist wahrscheinlich purer Zufall, dass Prinz Andrew in der neuen Staffel der Palast-Serie The Crown praktisch nicht vorkommt. Zuschauern, die alle zehn Teile gesehen haben, mag es scheinen, als habe die Queen nur einen Sohn, Charles. Vielleicht ist das der royalen Familie derzeit ganz recht so. Denn nach dem fatalen Interview über seine Nähe zu dem verurteilten und mittlerweile toten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, das Andrew der BBC vor zwei Wochen gab, sendete die BBC nun am Montagabend ein zweites Interview - diesmal mit Virginia Giuffre, die angibt, von Andrew als 17-Jährige missbraucht worden zu sein.

Um es gleich vorwegzunehmen: Das Medienecho im Königreich war diesmal entweder sachlich, mitleidig oder positiv - gegenüber dem mutmaßlichen Opfer. Nach dem Interview mit dem Prinzen Mitte November war eine Welle der Empörung über diesen hereingebrochen. Er hatte alle Vorwürfe abgestritten, sich mit teils abstrusen Argumenten verteidigt und kein Mitleid mit den Opfern ausgedrückt. Der Duke of York kündigte danach an, auf alle öffentlichen Auftritte für die königliche Familie zu verzichten. Zahlreiche Institutionen, für die er als Pate, Sponsor oder Gründer fungiert hatte, distanzierten sich von ihm.

In dem Interview mit Giuffre, die vor ihrer Heirat Roberts hieß, lieferte die BBC nun weitere Details, die darauf hindeuten, dass Andrews Schilderungen vermutlich nicht den Tatsachen entsprechen. Er selbst hatte gesagt, er erinnere sich nicht daran, der jungen Frau jemals begegnet zu sein. Er habe auch nie mit ihr Sex gehabt. Das Foto, das die beiden gemeinsam zeige, sei mutmaßlich gefälscht.

Nun ist aber eine Mail aus dem Jahr 2015 aufgetaucht, in der Prinz Andrew die Vertraute von Epstein, Ghislaine Maxwell, die dem Pädophilen junge Mädchen zugeführt haben soll, um Hilfe bittet. Diese Mail ist offenbar geschrieben worden, nachdem der Prinz im Rahmen der US-Ermittlungen gegen Epstein um Informationen gebeten worden war. Gegen Andrew selbst wird nicht ermittelt. Er schrieb damals an Maxwell, er müsse sie etwas Konkretes "wegen Virginia Roberts fragen". Der BBC zufolge antwortete Maxwell: "Ich habe einige Informationen. Ruf mich an, wenn du Zeit hast". Das deutet darauf hin, dass sich zum einen Andrew sehr wohl an die junge Frau erinnert, die eine Zivilklage gegen Epstein eingereicht hatte. Und dass Maxwell, die bis heute jede Beteiligung bestreitet, involviert war.

Giuffre gibt an, insgesamt dreimal vom zweiten Sohn der Queen missbraucht worden zu sein - einmal in London nach einem Barbesuch im Haus der Epstein-Vertrauten, einmal in Epsteins Villa in New York und einmal auf dessen privater Insel der Virgin Islands. Sie erzählte in dem Fernseh-Interview detailreich von dem Treffen in London, bei dem Andrew getrunken und getanzt habe. Er sei ein grauenhafter Tänzer und habe so schrecklich geschwitzt, dass "es überall hinregnete". Dann sei eine Gruppe mit mehreren Limousinen zu Maxwells Haus gefahren; auf dem Weg dorthin habe Maxwell gesagt, sie solle "das gleiche mit dem Prinzen machen", was sie mit Epstein gemacht habe. In Maxwells Haus sei sie dem Prinzen zum Geschlechtsverkehr zugeführt worden. Es sei schnell gegangen, sie habe sich geekelt. Er habe Danke gesagt und den Raum verlassen.

Giuffre bat in dem Interview die britische Öffentlichkeit, die Vorwürfe nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Hier gehe es nicht "um eine schmuddelige Sexgeschichte", sondern um Missbrauch und die Missetaten eines Mitglieds der Königsfamilie. Epstein habe sie auch an andere Männer "weitergereicht". Anwälte, die Giuffre und vier weitere Frauen vertreten, fordern nun, dass sich der Duke of York bereit erklärt, mit den Behörden in den USA zusammenzuarbeiten. Zudem sind Vorladungen in Arbeit, die Andrew zwingen sollen, in allen fünf Zivilverfahren als Zeuge auszusagen. Er dürfte die USA als Reiseziel daher in nächster Zeit meiden.

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SZ vom 04.12.2019
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