SZ-Kolumne "Bester Dinge":Wir sind die Coolsten, wenn wir cruisen

SZ-Kolumne "Bester Dinge": Einzige Bedingung für das Statussymbol: Das deutsche Kennzeichen muss entwertet und das ägyptische Schild gut lesbar sein.

Einzige Bedingung für das Statussymbol: Das deutsche Kennzeichen muss entwertet und das ägyptische Schild gut lesbar sein.

(Foto: Johannes Schmitt-Tegge/dpa)

Nicht etwa ein Luxus-Auto, sondern das richtige Autokennzeichen gilt in Ägypten als Statussymbol. Wer in Kairo etwas auf sich hält, verschönert seinen Wagen mit einem deutschen Nummernschild.

Von Alexander Menden

Wenn man auf der Autobahn nicht gerade im Stau steht oder vor einem heranrasenden Lichthuper von der linken auf die Mittelspur flieht, ist Kennzeichen-Bingo ein netter Zeitvertreib. Eine echte Herausforderung sind meist die mit drei Buchstaben: ASL? LDK? WND? Harte Nüsse, wenn man nicht mit Google schummelt. Die Lösungen lauten übrigens Salzlandkreis (Aschersleben), Lahn-Dill-Kreis (Wetzlar) und St. Wendel. Als Statussymbole gelten Autokennzeichen selten, sie amüsieren im Bestfall, wenn etwa ein Duisburger ein "DU-MM"-Schild spazieren fährt.

Ganz anders in Ägypten. Dort erfreuen sich ausrangierte deutsche Nummernschilder großer Beliebtheit als Accessoires und, ja, Statussymbole. Laut einem dpa-Bericht ist vor allem das kleine, von EU-Sternen umgebene "D" auf blauem Grund links von Bedeutung. Taxi-, Transporter- und Minibusfahrer montieren sich demnach die deutschen Schilder unter oder neben die ägyptischen, sodass der blaue Balken neben den arabischen Ziffern und Buchstaben erscheint. Weder die ägyptische Polizei noch das Kraftfahrzeug-Bundesamt in Flensburg haben anscheinend etwas dagegen, solange die Schilder vorher ordnungsgemäß entwertet wurden.

Dem Vernehmen nach verleiht das "D" Auto und Fahrer einen Nimbus von Zuverlässigkeit, guter Organisation und "mit Leidenschaft" ausgeführter Arbeit. Eigenschaften, die Ägypter anscheinend mit deutschen Autofahrern verbinden, und die sie qua Kennzeichen gerne mit sich selbst assoziiert wissen möchten. Die meisten von ihnen werden wohl eher nicht bis Aschersleben, Wetzlar oder St. Wendel fahren, um sich vom Wahrheitsgehalt solcher Deutschland-Klischees zu überzeugen.

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