Adelshochzeit:Wenn der Welfenprinz heiratet

Schloss Marienburg

Das Schloss Marienburg, der Familiensitz des Adelsgeschlechts von Hannover.

(Foto: Holger Hollemann/dpa)

Eine Kutschfahrt durch Hannover, eine private Fehde und 200 Klatschblätter, die berichten wollen - die Hochzeit von Ernst August junior verspricht, eine große Show zu werden. Doch warum sind Adelshäuser eigentlich noch so reich - und mächtig?

Von Martin Zips

Ein Sechsspänner wird es diesmal nicht. So einer wartete vor sechs Jahren mal in Potsdam nahe Schloss Sanssouci auf Bräutigam Georg Friedrich Prinz von Preußen (Kaiser-Nachkomme, Haus Hohenzollern) und seine Braut Sophie Prinzessin von Isenburg; bei den Welfen gibt es nur einen Vierspänner. Die Kutsche wird am Samstag vor der Marktkirche in Hannover auf Bräutigam Ernst August von Hannover junior, 33, Investmentbanker aus London, und seine Braut Ekaterina Malysheva, 30, Modedesignerin, warten (und hoffentlich bricht nicht wieder ein Ross zusammen, wie damals bei den Hohenzollern in Potsdam). Nach der Zeremonie ist, herrlich, eine kleine Kutschenfahrt durch Hannover geplant. Und das Volk darf den Welfen zujubeln.

Die Deutschen und der sogenannte "Adel", das ist ein seltsames Verhältnis. Eigentlich handelt es sich bei den "Adeligen" ja um ehemalige Stammesfürsten, Warlords quasi, aus denen im Mittelalter zum Zwecke der Befriedung politische Herrschaftsträger gemacht wurden.

Nach Napoleon und der Französischen Revolution waren sie eigentlich überflüssig, an der Destabilisierung der Weimarer Republik mischten einige von ihnen ordentlich mit. Interessant finden viele Deutsche den "Adel" trotzdem, auch wenn der Begriff kaum mehr ist als eine Worthülse und damit einfach nur "Edles Geschlecht" gemeint ist. Für ein bisschen Klatsch und Tratsch beim Friseur reicht das schon.

Auch diesmal wieder verspricht es eine ganz große Show zu werden. Ernst August von Hannover junior ist nämlich der Sohn von Ernst August von Hannover senior, 63, und der ist wegen seiner Ehe mit Caroline von Monaco und diversen öffentlichen Ausrastern bereits seit Jahrzehnten ein Liebling der Gazetten.

Nun kommt eine private Fehde hinzu. Das Handelsblatt berichtet, dass der Vater seinem Sohn aus erster Ehe mit der Schweizer Millionärstochter Chantal Hochuli die Zustimmung zur Hochzeit verweigere und - bis diesen Freitag! - die Rückgabe von geschenktem Land, Wald und dem Familienstammsitz Marienburg fordert.

Fotos von der Hochzeit gehen an 200 Zeitschriftentitel

Ohne Genehmigung des aktuellen Familienoberhauptes würden der Erbprinz und seine künftigen Kinder aus der britischen Thronfolge herauspurzeln, was angesichts der vielen anderen Anwärter zwar egal, für die weitere persönliche Vermarktung aber womöglich hinderlich wäre. Standesamtlich übrigens wird bereits an diesem Donnerstag getraut. Der sozialdemokratische Bürgermeister von Hannover leitet die Zeremonie.

Ernst August von Hannover und Ekatarina Malysheva

Ernst August Erbprinz von Hannover und seine Verlobte Ekatarina Malysheva.

(Foto: Haus Hannover/dpa)

"200 Zeitschriftentitel beliefern wir mit Fotos von der Welfen-Hochzeit", begeistert sich Sabine Brauer, Leiterin der gleichnamigen Münchner People und Society-Pressebildagentur, "Deutscher Adel geht immer, und das hier ist ja sogar Hochadel." Gerade kommt sie vom Poloturnier derer von Fürstenberg, bald fotografiert sie auf den Festspielen derer von Thurn und Taxis. "Das schnelle Bild in den sozialen Netzwerken wird für uns immer wichtiger. Viele Klicks bringen Geld und Kunden." Von den Streitigkeiten im Hause Hannover habe sie gerade erst aus der Presse erfahren, sagt sie, und für den Verkauf von Hochzeitsbildern sei das gar nicht schlecht.

"Adelshäuser sind hochaktive, dynamische Wirtschaftsunternehmen", weiß der Marburger Historiker Eckart Conze. "Und ihr Geschäft ist die Selbstvermarktung." Offiziell wurde die Monarchie in Deutschland vor gut 100 Jahren abgeschafft, dennoch gibt es hierzulande noch immer etwa 80 000 Nachkommen, die ein "von" oder "zu" in ihrem Namen tragen. Und egal, ob Hohenzollern, Wittelsbacher, Hessen, Welfen - der ein oder andere Erbstreit oder Seitensprung fällt da schon ab.

Ihr Geld (allein das Gesamtvermögen der Welfen wird auf 400 Millionen Euro geschätzt) steckt in Wäldern, Äckern und undichten Gemäuern. Von ihren Lieben und Leiden leben Zeitschriftentitel mit geschätzt wöchentlich neun Millionen verkauften Exemplaren. "Ebenso wie der akademische Titel macht der Adelstitel bei den Menschen komischerweise immer noch Eindruck", sagt Michael Hartmann, viele Jahre Eliteforscher an der Universität Darmstadt. "Dass man damit zunächst mal auch beruflich Karriere machen kann, davon gibt es von zu Guttenberg bis von Bismarck viele Beispiele."

Politisch hat der deutsche Adel keine Bedeutung

Österreich hat - im Gegensatz zu Deutschland - seine Adelstitel bereits 1918 abgeschafft. Doch Historiker Conze sieht das eher nüchtern: "So ein Namensentzug wäre aus meiner Sicht zwar ein sinnvoller symbolischer Akt, brächte in der Sache aber nichts. Man kann das ja in Österreich sehen. Die Waldsteins, Esterhazys oder Schwarzenbergs werden dort trotzdem noch hofiert." Tatsächlich scheinen die Kronen-Zeitung sowie manche Zaungäste der Salzburger Festspiele immer ganz genau zu wissen, ob sie gerade einen "von" oder einen "zu" vor sich haben und wann sich die Prominenz in Fuschl bei den Sayn-Wittgenstein-Sayns zum Absacker trifft.

Dass in Bayern jährlich 13 Millionen Euro an die ehemalige Königsfamilie Wittelsbach fließen - ohne Prüfung des Bayerischen Obersten Rechnungshofes -, sieht Conze allerdings kritisch. "Das Geld ergibt nur Sinn, wenn dadurch das öffentliche, kulturelle Erbe gesichert wird. Es gibt keinen Sinn, wenn es - wie bei den Thurn und Taxis, aber auch im Haus Baden - verschachert wird." Ebenso wenig verständlich sei es, wenn sich ein Adeliger zum Beispiel von Museumsleitern, die ihn um eine Leihgabe bitten, als "königliche Hoheit" ansprechen lasse, was immer wieder mal vorgekommen sei.

"Auch heute noch wird, wenn der Hochadel sich vermählt, gerne nach dem bäuerlichen Grundsatz gehandelt: Hektar zu Hektar", sagt der Darmstädter Soziologe Hartmann. Wichtig sei dabei, dass ein adeliger Sohn zwar eine bürgerliche Frau wählen dürfe, aber nicht eine adelige Tochter einen bürgerlichen Mann. Sonst verliere sie ihren Titel, erklärt der Forscher und verweist auf das deutsche Adelsarchiv.

Davor, dass der Adel in Deutschland auch politisch wieder mehr Bedeutung erfahren könnte, hat Hartmann keine Angst. "Nur in der Boulevardpresse sieht es so aus, als bildeten die ein einheitliches Gefüge." Das sei aber alles nichts anderes als "Glamour-Faktor".

Für Ekaterina Malysheva jedenfalls, die zuletzt in London lebende russische Designerin psychedelischer Schlauchanzüge für Prominente, dürfte sich die Hochzeit mit einem Welfen-Prinzen und der Umzug nach Hannover schon lohnen. "Der deutsche Markt ist für mein Label eine große Chance", erklärte sie gerade in einem recht untertänig geschriebenen FAS-Artikel ("Ein Glück namens Hannover"). Da ist es am Ende vielleicht auch völlig egal, ob der Schwiegervater auf der Hochzeit am Samstag auftaucht oder nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: