Abtreibungsdebatte in den USA:Wie die US-Regierung gegen Planned Parenthood vorgeht

Schumer, Murray Speak At Planned Parenthood News Conference To Express Support

Aktivisten bei einer Planned-Parenthood-Demonstration in Washington.

(Foto: AFP)
  • Die gemeinnützige Organisation Planned Parenthood bietet mittellosen Frauen in den USA gynäkologische Leistungen.
  • Weil sie auch Abtreibungen unterstützen, wollen die Republikaner der Organisation die öffentlichen Finanzmittel entziehen.
  • US-Präsident Trump bietet der Organisation nun an, die Fördergelder zu behalten, wenn sie künftig auf Abtreibungen verzichte. Das lehnt Planned Parenthood ab.

Von Beate Wild, New Orleans

Donald Trump ist schon lange ein Gegner von Planned Parenthood. Bereits im Wahlkampf kündigten er und andere Vertreter der Republikaner an, der gemeinnützigen Organisation nach der Machtübernahme sämtliche Finanzmittel zu streichen. Nun hat Trump die Organisation vor eine Entscheidung gestellt: Wenn sie ihre Arbeit fortsetzen und dafür weiterhin staatliche Finanzierung erhalten wolle, dürfe sie künftig keine Abtreibungen mehr unterstützen, sagte der US-Präsident in der New York Times.

Die Präsidentin von Planned Parenthood, Cecile Richards, lehnte das Angebot mit dem Hinweis ab, dass staatliche Gelder ohnehin nicht für Schwangerschaftsabbrüche verwendet würden. Ihre Organisation werde immer dafür einstehen, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen über Gesundheit und Leben treffen können, ohne Einmischung von Politikern.

Mit Flyern in Brooklyn fing es an

Konservative sehen in Planned Parenthood den Hauptanbieter und größten Befürworter von Abtreibungen. Frauenrechtsaktivistinnen dagegen verteidigen die Organisation als Anbieter von lebensrettenden gynäkologischen Leistungen für Frauen, die sich solche Behandlungen sonst nicht würden leisten könnten. Es gibt zwar landesweit noch andere Stellen, die einen äquivalenten Gesundheitsservice anbieten, doch Planned Parenthood ist die mit Abstand größte.

Die Ursprünge reichen mehr als 100 Jahre zurück: Am 16. Oktober 1916 mietete die Krankenschwester Margaret Sanger zusammen mit ihrer Schwester Ethel Byrne und der Aktivistin Fania Mindell ein Ladengeschäft in Brownsville, Brooklyn. Sie verteilten Flyer auf Englisch, Jiddisch und Italienisch, in denen sie Beratung in Sachen Empfängnisverhütung anboten. Damals war es Ärzten zwar erlaubt, Männer mit Kondomen als Schutz vor Geschlechtskrankheiten zu versorgen, doch es war illegal, Frauen Verhütungsmittel zu verschreiben. Also nahmen sich Sanger und ihre Mitstreiterinnen dieser Aufgabe an.

Nach nur einem Monat Betrieb wurde die erste Beratungsstelle für Familienplanung von der Polizei geschlossen. Die drei Frauen kamen vor Gericht, Sanger musste 30 Tage in Haft. Doch sie gab nicht auf. Sie veröffentlichte weiterhin Artikel über Empfängnisverhütung und gründete 1921 erst die "American Birth Control League", 1952 dann Planned Parenthood. Im ganzen Land gibt es heute 650 Filialen, die jährlich rund 2,5 Millionen Frauen Rat und Hilfe bieten.

Trump gilt als "Pro-Life-Präsident"

Die Beratung bei Abtreibungen ist allerdings nur ein Teil der Arbeit von Planned Parenthood. Die Organisation hilft auch in Sachen Empfängnisverhütung, besorgt Frauen ohne Krankenversicherung die Pille oder Spirale, bietet Mammographien und HPV-Tests zur Erkennung von Gebärmutterhalskrebs an und testet Patienten auf Wunsch auf HIV oder Hepatitis-B.

Nach eigenen Angaben betreut Planned Parenthood pro Jahr mehr als 320 000 Abtreibungen. Im Vergleich dazu werden zwei Millionen Verhütungsmittel ausgegeben und 1,2 Millionen Schwangerschaftstests, 360 000 Mammographien sowie 4,2 Millionen Gesundheitstests (Krebsvorsorge, Geschlechtskrankheiten, HIV) vorgenommen.

In den USA, wo sich viele ärmere Familien keine Krankenversicherung leisten können, ist Planned Parenthood oft die einzige Möglichkeit, frauenärztliche Untersuchungen und Beratung zu bekommen. Wenn die Republikaner nun wie angekündigt Obamas Krankenversicherung abschaffen, die die Kosten für Verhütungsmittel übernimmt und den Frauen in den USA damit bislang etwa 1,4 Milliarden Dollar gespart hat, sind die Folgen enorm. Frauenverbände sprechen bereits von einer Gesundheitskrise. Gesundheitsexperten warnen vor einem Anstieg von ungewollten Schwangerschaften, was wiederum zu mehr Abtreibungen und in Folge des Verbots auch zu mehr medizinisch fragwürdig und riskant durchgeführten Abbrüchen führen würde.

Gelegte Feuer, erschossene Ärzte: Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen vor und in Kliniken

Nur drei Tage nach seiner Vereidigung unterzeichnete US-Präsident Donald Trump Ende Januar ein Dekret, dass internationale Hilfsorganisationen von Finanzmitteln ausschließt, die Abtreibung oder gar nur Informationen über Abtreibung anbieten. Es war der erste Schritt gegen Planned Parenthood. Nun folgt der zweite.

Die Abtreibungsgegner in den USA fühlen sich mit Trumps Amtsantritt gestärkt. Sie haben nun nicht nur einen selbsternannten "Pro-Life-Präsidenten" im Weißen Haus, sondern auch die Mehrheiten im Kongress und Senat.

Seit den achtziger Jahren kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen vor und in Abtreibungskliniken. Extremisten legten Feuer, brachten Bomben zur Explosion und scheuten auch nicht davor zurück, Ärzte zu erschießen. Der bisher letzte Vorfall ereignete sich im November 2015 in einer Planned-Parenthood-Klinik in Colorado Springs. Ein Amokläufer erschoss dort drei Menschen und verletzte neun weitere. Vor Gericht nannte sich der Täter später "ein Kämpfer für die Babys".

Abtreibung ist in den USA seit 1973 legal

Es gibt kaum Aussicht, dass sich die Debatte beruhigt. Ein großer Anteil der Amerikaner ist streng religiös und fühlt sich in Namen des Glaubens verpflichtet, gegen Abtreibungen zu kämpfen. Unter anderem deshalb wird die Debatte deutlich erbitterter geführt als in Europa.

Wenn Planned Parenthood nun der Zuschuss vom Staat gestrichen wird, bedeutet das zwar nicht das Ende der Organisation. Doch viele Gesundheitsleistungen wie Empfängnisverhütung und Krebsvorsorge wird sie nicht mehr in dem Umfang anbieten können wie bisher. Verlierer, so befürchten viele, wären wieder einmal die Frauen.

In der Illegalität litten viele Frauen unter Pfuscherei, viele verbluteten

Die Spaltung der US-Gesellschaft in Sachen Abtreibung begann 1973 mit dem sogenannten "Roe-vs.-Wade"-Urteil. Die bahnbrechende Entscheidung, die das Recht auf Abtreibung als Verfassungsrecht wertet, bewahrte vermutlich Tausende Frauen vor schlimmsten Verletzungen oder sogar vor dem Tod. Bevor das Urteil den Schwangerschaftsabbruch und dadurch auch die ärztliche Betreuung dabei legalisierte, versuchten viele Frauen mithilfe eines Kleiderbügels selbst abzutreiben, viele waren medizinischer Pfuscherei in Hinterhof-Praxen ausgesetzt. Durch unsachgemäß ausgeführte Eingriffe verbluteten viele Frauen, unzählige waren danach unfruchtbar.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA provozierte eine wütende Gegenbewegung der Abtreibungsgegner. 1976 reichte der republikanische Abgeordnete Henry Hyde ein Gesetz ein, das bis heute gültig ist. Demnach dürfen Abtreibung nicht mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Ausnahmen gibt es nur bei extremen Fällen wie Vergewaltigung oder Inzest.

Planned Parenthood finanziert Abtreibungen seither explizit nicht mit staatlichen Geldern. Frauen, die keine Versicherung haben und nachweisen können, dass sie mittellos sind, bekommen von Planned Parenthood finanzielle Unterstützung aus dem Topf der Privatspender. Der Kreis der Bedürftigen reicht von Sozialhilfeempfängerinnen, kinderreichen Familien bis hin zu Studentinnen ohne eigenes Einkommen.

Rund 40 Prozent des Etats der Organisation wird aus Steuergeldern bestritten, im Jahr 2015 etwa erhielt die Organisation 518 Millionen Dollar. Die anderen 60 Prozent der Finanzierung kommen von anderen Non-Profit-Organisationen sowie privaten Spendern, zum Beispiel von Lin-Manuel Miranda, dem Erfinder des Hamilton-Musicals am Broadway, der eine große Spendenaktion zugunsten der Organisation initiierte. Seine Mutter sitzt zudem im Vorstand von Planned Parenthood. Auch Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg spendete eine Million Dollar an die Organisation.

Die Regelung der Abtreibung ist in den USA den Bundesstaaten überlassen. Sie können weitere Gesetze beschließen, um es abtreibungswilligen Frauen besonders schwer zu machen. Im konservativen Bundesstaat Louisiana etwa, wo 4,7 Millionen Menschen wohnen, gibt es wegen Beschränkungen seit 2014 nur noch ganze fünf Kliniken, die den Service anbieten, zuvor waren es sieben. Frauenrechtler beklagen, dass Frauen bis zu 500 Kilometer fahren müssen, um zu einem Arzt zu kommen.

Wie viele der landesweit insgesamt 650 Einrichtungen von Planned Perenthood schließen müssten, wenn der Organisation die staatliche Förderung entzogen wird, ist laut Planned Parenthood noch unklar. Legale Abtreibungen wären dann zwar immer noch möglich, aber nur unter extrem erschwerten Bedingungen.

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