Wer durch den Süden der USA fährt, kann den Botschaften der Abtreibungsgegner nicht entkommen. "Embryonen sind Babys", "Jedes Leben ist heilig" oder "18 Tage nach der Empfängnis schlägt mein Herz schon" steht auf überdimensionalen Plakatwänden am Straßenrand. Manchmal lächelt dazu ein süßes Neugeborenes herunter.
In Texas gibt es viele Aktivisten, die Abtreibungen erschweren und wieder verbieten lassen wollen. In dem konservativen Bundesstaat finden sie Verbündete in der Politik, die den Rahmen dafür schaffen. Ein Gesetz, das vor wenigen Tagen in Kraft getreten ist: Abgetriebene Föten müssen künftig eine Beerdigung oder Einäscherung erhalten. Kliniken dürfen die Embryonenreste nicht mehr wie bisher mit den anderen medizinischen Krankenhausabfällen entsorgen.
Von der emotionalen Belastung, die hier auf die Frauen zukommt, ist zudem bislang noch unklar, wer die Beerdigung bezahlen soll: die Kliniken oder die Frauen selbst, die dadurch weitere Kosten für ihren Schwangerschaftsabbruch hätten - und so womöglich von der Abtreibung Abstand nehmen, so die Hoffnung der Befürworter. Texanische Einrichtungen haben nun bis Februar 2018 Zeit, das Gesetz umzusetzen. Frauenrechtsorganisationen wollen vor Gericht ziehen.
Einen zusätzlichen Randkonflikt hat nun die katholische Bischofskonferenz in Texas ausgelöst - ausgerechnet durch ihr Angebot, die Kosten für die Föten-Beerdigungen zu übernehmen. Hilfe für die Frauen von eher ungewöhnlicher Stelle, möchte man meinen. Das allerdings stört Frauen anderer Glaubensrichtungen. Lucy Stein von der liberalen Non-Profit-Organisation "Progress Texas" sagte in einer öffentlichen Anhörung, für sie als Jüdin käme eine Verbrennung und offizielle Beerdigung ihres Fötus in einem Massengrab nicht in Frage, weil es gegen ihren religiösen Glauben verstieße.
Alicia Weigel, Kommunikationsdirektorin des demokratischen Thinktanks "Deeds Not Words" ("Taten statt Worte") geht noch weiter: "Der Zwang zur Bestattung fetaler Überreste ist religiöser Zwang und er verankert den Glauben in der Rechtslehre." Genau das sei in einem säkularen Land wie den USA, das Staat und Kirche trennen will, unerwünscht. Eigentlich.
Texas ist nur einer von vielen konservativen Bundesstaaten, die seit Jahren versuchen, das seit 1973 geltende Recht von Amerikanerinnen auf Abtreibung zu untergraben. Mit US-Präsident Donald Trump und seinem evangelikalen Vize Mike Pence haben sie zwei prominente Unterstützer im Weißen Haus.
Oklahoma hat in diesem Jahr einen Gesetzesentwurf eingebracht, nach dem Schwangere die schriftliche Zustimmung des Kindsvaters zum Abbruch vorlegen sollen. Der Republikaner Justin Humphrey sagte zur Begründung, eine Frau sei nur der "host", also die "Wirtin" des Fötus. Ob das Gesetz vor Gericht Bestand hat, muss sich erst noch zeigen.
Manche Bundesstaaten verlangen seit einiger Zeit zusätzliche Ultraschalluntersuchungen, verlängerte Wartezeiten oder Beratungsgespräche, hat eine Studie des Guttmacher Institute, einer Forschungseinrichtung, die sich für Fortpflanzungsrechte von Frauen einsetzt, herausgefunden. In manchen Bundesstaaten erhalten Frauen bei solchen Aufklärungsgesprächen sogar vorsätzlich falsche Informationen von den Ärzten - dazu sind diese laut Gesetz von einigen Bundesstaaten verpflichtet. Eine dieser fragwürdigen Infos ist etwa, dass mit einem Schwangerschaftsabbruch das Brustkrebsrisiko steigt - obwohl ein solcher Zusammenhang laut American Cancer Society bislang nicht nachgewiesen ist.
Gleichzeitig versuchen Republikaner seit Jahren, Non-Profit-Organisationen wie Planned Parenthood, die neben anderen gynäkologischen Leistungen auch Abtreibungen durchführen, die Finanzmittel zu streichen. In diesem Fall müssten wohl zahlreiche Kliniken schließen.
Dabei ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ohnehin bereits abhängig vom Wohnort. Das liberale Kalifornien verfügt über 150 Kliniken, die Abtreibungen vornehmen. Im konservativen South Carolina dagegen existieren nur drei, und das ebenfalls republikanisch dominierte Mississippi hat eine einzige Klinik. Gerade für ärmere Frauen ist ein Schwangerschaftsabbruch damit schwierig bis unmöglich.
In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch - anders als in den USA - immer noch rechtswidrig. Dennoch scheint es in der Praxis für viele Frauen leichter zu sein, diesen durchzuführen: Eine Abtreibung bleibt straffrei, wenn die Schwangere den Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen durchführen lässt und mindestens drei Tage zuvor an einem Beratungsgespräch in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle teilnimmt. Zudem sind Abtreibungen straffrei, wenn die Schwangerschaft durch ein Sexualdelikt entstanden ist.
Vor kurzem wurde eine Gießener Ärztin zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage für Abtreibungen wirbt. Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet das. Ob diese Regelung noch zeitgemäß ist, wird gerade öffentlich diskutiert. Eine Petition zur Abschaffung des Paragraphen hat bereits 156 000 Unterschriften gesammelt. Gleichzeitig verschärft sich in jüngster Zeit auch in Deutschland die Abtreibungsdebatte wieder. Manche sagen, das liege am Aufstieg von Parteien wie der AfD und Bewegungen wie Pegida, die versuchen, ihre evangelikalen und radikal katholischen Ansichten durchzusetzen.
"Frauen werden bestraft"
Ganz ähnlich denkt Donald Trump. Im Wahlkampf 2016 machte der US-Präsident Schlagzeilen, als er eine Bestrafung für Frauen forderte, die abtreiben. Den Zielen der Abtreibungsgegner schaden solche rigorosen Aussagen allerdings: Sie bemühen sich seit Jahren um den Eindruck, sich für die Frauen genauso wie um den Fötus zu sorgen. Oft stellen sie Frauen, die abtreiben wollen, als Opfer da, die vor ihren naiven, oft zu emotionalen Entscheidungen geschützt werden müssten.
In der Praxis bereiten viele der konservativen Bundesstaaten den Frauen aber bereits Unannehmlichkeiten, die einer Bestrafung ähneln, schreibt Carol Sanger, Juraprofessorin an der Columbia Universität in ihrem 2017 erschienen Buch "About Abortion". Einer Bestrafung komme etwa gleich, dass Frauen in 32 Bundesstaaten vom Arzt aufgefordert werden, sich das Ultraschallbild ihres Fötus, den sie abtreiben wollen, anzusehen.
In den USA zeigt die Anti-Abtreibungs-Politik bereits Folgen. Allerdings andere, als sich die Republikaner erhofft haben dürften. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Analisa Packham von der Miami Universität hat herausgefunden, dass durch die Streichung von Finanzmitteln für Familienberatungsstellen die Zahl der Teenager-Schwangerschaften gestiegen ist. Schwangere Jugendliche seien wiederum vor allem in ärmeren Schichten zu finden. Speziell in Texas hätten die seit 2011 verschärften Abtreibungsregelungen dazu geführt, dass der Bundesstaat mehr Geld als jeder andere im Zusammenhang mit ungewollten Schwangerschaften ausgibt.
Benachteiligt von einer derartigen Politik seien am Ende wieder die Frauen, wie Kritiker anmerken: Ungewollte Schwangerschaften unterbrechen die Ausbildung der jungen Mütter und machen sie oft genug abhängig von Leistungen des Sozialstaats. Radikale Republikaner nutzen diese Entwicklung wiederum, um gegenüber ihren Wählern den - längst widerlegten - Mythos der "Welfare Queens" zu propagieren: Frauen, die Kinder bekommen hätten, ohne es sich leisten zu können - und sich nun vom Staat "luxuriös aushalten" ließen.