Süddeutsche Zeitung

Absturz von Flug 4U9525:So soll Technik das Fliegen sicherer machen

  • Es gibt bereits zahlreiche Sicherheitsregeln, um zu verhindern, dass ein Pilot ein Flugzeug - aus welchen Gründen auch immer - zum Absturz bringt.
  • Unter anderem werden Piloten überprüft, Fluglotsen am Boden haben den Überblick über die Maschinen in der Luft, Flugzeuge lösen bei Abweichungen Alarm aus.
  • Denkbar wäre auch, Flugzeuge fernzusteuern oder Videoaufnahmen aus dem Cockpit und Flugdaten an Bodenstationen zu streamen.

Von Elisa Britzelmeier und Markus C. Schulte von Drach

Noch ist offen, weshalb der Copilot des Fluges U49525 die Tür zum Cockpit des Airbus A320 für den Kapitän nicht mehr öffnete. Es wird sich vielleicht niemals klären lassen, was mit dem jungen Mann tatsächlich los war, als das Flugzeug in den Sinkflug ging und schließlich in den Alpen zerschellte.

Auf eine andere Frage allerdings erwartet man schnelle Antworten: Wie lässt es sich in Zukunft vermeiden, dass ein Pilot - sei er nun geistesgestört oder ein Terrorist - ein Flugzeug zum Absturz bringt?

Fernsteuerung oder Roboterflugzeug

Eine radikale Maßnahme wäre, Passagiermaschinen - wie Drohnen - über Fernsteuerung zu kontrollieren oder sogar vollautomatisch fliegen zu lassen. Technisch ist das heute möglich. Auch ist denkbar, die Kontrolle über ein von Piloten gesteuertes Flugzeug zu übernehmen, wenn an Bord eine kritische Situation entstanden ist. Die Flugzeuge müssten entsprechend ausgerüstet werden.

Experten weisen aber darauf hin, dass viele Menschen sich nicht einem "Roboterflugzeug" anvertrauen wollen - selbst wenn große Passagierflugzeuge bereits jetzt weitgehend vom Autopiloten geflogen werden. "Für viele Passagiere wäre es ein psychologisches Problem", sagt Professor Alexander Knoll, der an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München zu Flugregelung und Flugzeugsystemen forscht. Rechtliche Fragen wären zudem komplett ungeklärt.

Das Thema werde zwar immer wieder diskutiert, eine Umsetzung sei aber "noch ganz weit weg", sagt Knoll. Dazu müsste außerdem die Funkverbindung zwischen Bodenstation und Flugzeug durchgehend sichergestellt sein - bislang gebe es immer wieder Probleme, etwa bei Unwettern. "Und dann wären wir bei dem Horroszenario angelangt, dass das Gerät etwas anderes tut, als der Mensch will."

Größtes Problem bei der Fernsteuerung wäre die Gefahr durch Hackerangriffe. "Die zugehörigen Bodenstationen wären sofort ein Ziel für Terroristen", sagt Knoll, der genau zu diesen Sicherheitsaspekten forscht. Würden Terroristen die Software am Boden knacken, könnten sie nicht nur ein, sondern gleich eine ganze Reihe von Flugzeugen unter ihre Kontrolle bringen. Für die nähere Zukunft denkbar ist eine Fernsteuerung daher eher im Frachtverkehr, jedoch nicht bei Passagierflugzeugen. "Derartige Pläne sind absolut nicht im Gespräch", sagt eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung.

Datenübertragung und Kameraüberwachung

Es gibt auch Überlegungen, die Flugdaten, die von Voicerecordern und Flugschreibern aufgezeichnet werden, über Satelliten zu Bodenstationen zu schicken. Die Informationen würden somit nicht nur im Flugzeug gespeichert, auch eine Sicherung in der Cloud wäre denkbar - vorausgesetzt, die Funkverbindung für die großen Datenmengen ist stark genug. Damit ließe sich von außen weitgehend in Echtzeit verfolgen, was an Bord geschieht.

Selbst Kameras, die das Cockpit überwachen, sind denkbar. Der CDU-Verkehrspolitiker Thomas Jarzombek fordert entsprechende Web-Cams. "Wenn Flugzeuge künftig mit Internet ausgerüstet sind, sollten wir einen Kommunikationskanal zur Bodenkontrolle außerhalb des Cockpits einrichten", sagte Jarzombek der Rheinischen Post.

Allerdings ist diese Form der Kontrolle teuer und hilft vor allem erst nach einem Absturz, die Ursachen zu klären. Eine Katastrophe verhindern lässt sich damit allein nicht. Darüber hinaus ist die Überwachung der Piloten mit Kameras umstritten. Pilotengewerkschaften fürchten die totale Kontrolle über die Piloten.

Die wichtigsten existierenden Vorkehrungen, von denen einige nach den Anschlägen vom 11. September 2001 besondere Bedeutung bekommen haben, sind schnell zusammengefasst.

Körperlicher und geistiger Zustand werden geprüft

Bevor eine Fluglinie einen Piloten einstellt, prüft sie seinen körperlichen und geistigen Zustand. Die Lufthansa und andere Unternehmen etwa setzen dabei auf "zwei anspruchsvolle aber lösbare Eignungsuntersuchungen beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg Fuhlsbüttel", heißt es auf den Seiten der Firma.

Dabei geht es allerdings vor allem um seine Belastbarkeit, Stressresistenz, Kooperationsfähigkeit und Selbstreflektion. Medizinische Tests gibt es nach einer Einstellung weiterhin regelmäßig, aber keine weiteren Persönlichkeitstests. Es ist dadurch nicht garantiert, dass etwa eine Depression oder eine narzisstische oder andere Persönlichkeitsstörung, wie sie in seltenen Fällen zum Beispiel mit Amokläufen zusammenhängen können, entdeckt werden.

Zwar weisen manche Fluggesellschaften wie die Lufthansa ihr Personal an, auffälliges Verhalten bei Kolleginnen und Kollegen zu melden. Auch so lassen sich vielleicht psychische Probleme wie Depressionen oder Alkoholismus feststellen. Piloten können es zudem ablehnen, mit Kollegen zu fliegen, bei denen sie Probleme befürchten. Sicherheit garantiert das aber natürlich ebenfalls nicht.

Sicherheitsleute checken das Personal vor dem Flug

Um zu verhindern, dass Piloten oder andere Crew-Mitglieder einen Anschlag verüben, werden sie vor einem Flug von Sicherheitsleuten genauso überprüft und abgetastet wie die Passagiere.

Alle Maschinen auf dem Schirm

Das Flugverhalten von Passagiermaschinen wird von der Flugsicherung am Boden beobachtet. Weichen die Daten von einer angemeldeten Route ab - geht ein Flugzeug etwa in einen unerwarteten Sinkflug - wird mit den Piloten über Funk Kontakt aufgenommen. "Die Verantwortung liegt letzten Endes bei ihm, nicht beim Fluglotsen am Boden", sagt eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS). Das Unternehmen kontrolliert den Flugverkehr in Deutschland und bildet Fluglotsen aus. Für diese gelten ähnliche Auswahlkriterien wie für Piloten: Bewerber müssen einer Sicherheitsüberprüfung zustimmen und einen Eignungstest bestehen. Chronische Erkankungen sind ein Ausschlusskriterium.

Flugzeug beobachtet sich selbst

Auch Geräte an Bord eines Flugzeuges verfolgen das Flugverhalten und melden den Piloten ungewöhnliche Ereignisse wie einen Sink-oder Steigflug oder eine zu große Bodennähe. Gegen einen Piloten, der diese Warnsignale gezielt umgehen will, haben die Instrumente allerdings keine Chance, warnen Experten.

Gepanzerte Tür zum Cockpit

Seit 2002 wird das Cockpit von größeren Passagiermaschinen internationaler Fluglinien durch eine gepanzerte Tür gesichert - in der EU zumindest bei Flugzeugen mit mehr als 60 Sitzen. Diese Tür lässt sich von den Pilotensitzen aus ver- und entriegeln. Will jemand ins Cockpit hinein, muss er einen Zahlencode eingeben. Das passiert etwa, wenn ein Pilot auf die Toilette geht oder Verpflegung holt. Der Pilot im Cockpit kann über eine Kamera die Situation vor der Tür checken. Reagiert er auf die Signale zum Öffnen der Tür eine Weile nicht - etwa weil er ohnmächtig ist -, lässt diese sich mittels eines Notfallcodes öffnen. Außer, das wird vom Cockpit aus aktiv über einen Schalter verhindert. Ausgerechnet diese Technik hat nun die Situation ermöglicht, die zu dem aktuellen Absturz geführt hat.

Weitere denkbare Maßnahmen

Es werden einige Maßnahmen diskutiert, mit denen sich vielleicht verhindern ließe, dass Flugzeuge von Piloten oder Terroristen gezielt zum Absturz gebracht werden.

Immer zwei im Cockpit

Einige große Firmen haben bereits beschlossen, es den US-Unternehmen gleichzutun und einen Piloten nicht mehr im Cockpit allein zu lassen. Auch die Mitglieder des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft haben diese Maßnahme vereinbart. Verlässt nun ein Pilot die Kanzel, muss ein anderes Crewmitglied dem zweiten Piloten dort Gesellschaft leisten.

Wie der Präsident der Vereinigung Cockpit (VC), Ilja Schulz, der Nachrichtenagentur dpa zufolge sagte, könne auch dies keine hundertprozentige Sicherheit bedeuten. Schließlich könnte ein Kollege im Cockpit den anderen überwältigen.

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