Spekulationen zur UrsacheErmittlungen nach Absturz des Passagierflugzeugs in Kasachstan

Lesezeit: 3 Min.

Zu den Ursachen des Flugzeugabsturzes in Kasachstan kursieren mehrere unbestätigte Spekulationen: vom Vogelschlag bis hin zu Beschuss durch russische Flugabwehr.
Zu den Ursachen des Flugzeugabsturzes in Kasachstan kursieren mehrere unbestätigte Spekulationen: vom Vogelschlag bis hin zu Beschuss durch russische Flugabwehr. (Foto: Uncredited/The Administration of Mangystau Region/AP/dpa)

Beim Absturz der Maschine sterben mindestens 38 Menschen. Inzwischen sind die Flugschreiber geborgen, jetzt soll die Unglücksursache ermittelt werden.

Nach dem Absturz eines Passagierflugzeugs in Kasachstan haben die Ermittlungen zur Ursache des Unglücks begonnen. Bergungstrupps hatten am Mittwochabend am Unglücksort bei Aktau an der Küste des Kaspischen Meeres in den Trümmern der Maschine die Flugschreiber geborgen, auch bekannt als Blackbox. Beim Absturz der Maschine der Azerbaijan Airlines in Kasachstan sind nach offiziellen Angaben 38 Menschen ums Leben gekommen, 29 Insassen der Unglücksmaschine überlebten teilweise schwer verletzt. Völlig unklar ist, weshalb die Maschine abstürzte.

Zu den Ursachen kursierten mehrere unbestätigte Spekulationen von Vogelschlag bis hin zu Beschuss durch russische Flugabwehr. Kasachstans Vize-Regierungschef Qanat Aldabergenuly Bosymbajew forderte inzwischen, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Die Ergebnisse der Untersuchungen würden nach Abschluss der Arbeiten „selbstverständlich“ veröffentlicht.

Die Maschine war am Mittwochmorgen in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku mit 67 Insassen gestartet; unter ihnen waren fünf Besatzungsmitglieder. Sie sollte planmäßig nach Grosny, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, fliegen. Aus noch unbekannten Gründen nahm das Flugzeug kurz vor dem Landeanflug Kurs in Richtung Kaspisches Meer. Dort signalisierte der Pilot nach Angaben der kasachischen Agentur Tengrinews eine Notlage - in Pilotenkreisen als „emergency squawk 7700“ bekannt.

Mehrere Videos zeigen Moment vor dem Absturz

Der Internet-Flugzeugtracker Flightradar24 analysierte, dass die beschädigte Maschine die letzten 74 Minuten nur beschränkt steuerbar über das Kaspische Meer geflogen sei.

Videos zeigen, wie das Flugzeug aus geringer Höhe an der Küste des Kaspischen Meeres abstürzte, ohne den nahe gelegenen Flughafen der Stadt Aktau zu erreichen. Nach Berichten von Augenzeugen flog die Maschine zwei weite Kreise, ehe sie beim Versuch eines dritten Kreises auf dem Boden aufschlug.

Beim Aufprall ging der Kurz- und Mittelstreckenjet zum Teil in Flammen auf, wie Videos in sozialen Netzwerken zeigten. Fotos zufolge wurde das Heck weniger beschädigt. Aus diesem Wrackteil wurden nach Medienberichten überlebende Passagiere gerettet. Bug und Mittelteil wurden dagegen zerstört.

Die Maschine habe wegen schlechter Wetterbedingungen nicht in Grosny landen können und deshalb Kurs auf einen Ausweichflughafen genommen, sagte der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev. In sozialen Netzwerken kursierten zwar viele Videos des Unglücks, sagte er. „Doch die Gründe für den Absturz sind uns noch unbekannt.“ Es gebe verschiedene Theorien. „Die Sache muss gründlich aufgeklärt werden“, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Azertag zufolge.

Luftfahrtexperte: „Das realistische Szenario ist eine Einwirkung von außen“

Azerbaijan Airlines führte den mutmaßlichen Schaden an dem Flugzeug in ersten Äußerungen auf die mögliche Kollision mit einem Vogelschwarm zurück. Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hält dagegen Nebel oder einen Vogelschwarm als Absturzursache für unwahrscheinlich. „Das realistische Szenario ist eine Einwirkung von außen“, sagte er der ARD.

Russische Militärblogger schlossen eine andere Erklärung nicht aus: Das Flugzeug könnte über dem Nordkaukasus in Zonen geraten sein, in denen am Mittwochmorgen ukrainische Drohnen bekämpft worden seien. Dazu gab es jedoch keine offizielle Mitteilung des russischen Verteidigungsministeriums, das üblicherweise die Bekämpfung von einfliegenden Drohnen meldet.

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew vertrat der Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation, Andrij Kowalenko, die Ansicht, die Maschine sei auf ihrem Weg nach Grosny von der russischen Flugabwehr beschossen und beschädigt worden. Einen Beweis für seine Behauptungen erbrachte er nicht.

Völlig unklar war, ob Drohnen oder Geschosse zur Abwehr von Drohnen überhaupt in den Vorfall verwickelt waren. Die Ukraine wehrt sich seit fast drei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg und nimmt immer wieder vor allem mit Drohnen militärische Ziele in dem Nachbarland ins Visier. Inzwischen erreichen ukrainische Drohnen auch den Kaukasus.

Am Abend veröffentlichte die Agentur Tengrinews eine komplette Passagierliste, auf der auch die Staatsangehörigkeit fast aller Insassen aufgeführt wird. Unter den Verletzten sind demnach unter anderem russische, aserbaidschanische und kirgisische Staatsangehörige. Ein elfjähriges Mädchen wurde mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgelistet.

Trauertag in Aserbaidschan

Azerbaijan Airlines stellte die Flüge in die russischen Städte Grosny und Machatschkala im Nordkaukasus ein. Am Donnerstag begann in Aserbaidschan ein Trauertag. Flaggen wurden auf halbmast gesetzt, wie Tengrinews unter Berufung auf örtliche Medien berichtete. Für diesen Tag geplante Kulturveranstaltungen in Theater- und Konzerthäusern, die dem Kulturministerium unterstehen, seien verschoben worden.

Die Leichen der ums Leben gekommenen Passagiere und Besatzungsmitglieder würden nach Aserbaidschan überführt, hieß es auf der Plattform X in einem gemeinsamen Statement der Fluggesellschaft und des aserbaidschanischen Ministeriums für Notfallsituationen.

© SZ/dpa/dta - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tsunami von 2004
:Als sich das Meer erhob

Der Tsunami in Südostasien am 26. Dezember vor 20 Jahren forderte 230 000 Todesopfer. Eine Reise zu Menschen, die sich so gerade noch retten konnten.

SZ PlusVon David Pfeifer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: