Absturz am Lagginhorn:Verunglückte Bergsteiger rutschten womöglich aus

In Deutschland warten die Hinterbliebenen darauf, die tödlich verunglückten Bergsteiger beerdigen zu können. In der Schweiz gehen nach dem Unglück am Lagginhorn die Ermittlungen weiter. Einen Bergabbruch haben die Ermittler bereits ausgeschlossen.

Warum stürzten fünf deutsche Bergsteiger in den Walliser Alpen in den Tod? Zumindest einen Bergabbruch schließen die Ermittler einen Tag nach dem Unglück aus. "Das hat ein Suchflug mit einem Helikopter in der betroffenen Region ergeben", sagte der Sprecher der Walliser Kantonspolizei Renato Kalbermatten. Die Ermittlungen würden "intensiv fortgesetzt". Vermutlich sei der Schnee so glatt gewesen, dass die Alpinisten ausgerutscht seien, zitiert die Nachrichtenagentur dapd einen Polizeisprecher.

Trotz aller Bemühungen der Polizei könne es noch längere Zeit dauern, bis das Ergebnis der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Untersuchung vorliegt, sagte Kalbermatten. Die fünf Bergsteiger im Alter zwischen 14 und 43 Jahren aus Berlin, Bielefeld und Waldlaubersheim (Rheinland-Pfalz) waren Dienstagmittag beim Abstieg vom 4010 Meter hohen Lagginhorn plötzlich etwa 400 Meter in die Tiefe gestürzt.

Ein sechster Bergsteiger aus Berlin überlebte, weil er wegen eines Schwächeanfalls kurz vor der Gipfelbesteigung aufgegeben hatte und zurückgeblieben war. Seine 14-jährige Tochter und sein 19-jähriger Sohn kamen hingegen ums Leben. "Der Überlebende hat uns inzwischen gesagt, dass die Gruppe nicht angeseilt war, als sie zum Lagginhorn aufstieg", sagte Polizeisprecher Kalbermatten. Auch beim Abstieg vom Gipfel waren die Bergsteiger nach ersten Erkenntnissen der Polizei nicht angeseilt. Bekannt ist auch, dass die Gruppe keinen Bergführer mitgenommen hatte.

Derweil bereiteten Angehörige mit Unterstützung der deutschen Botschaft die Rückführung der Verunglückten nach Deutschland vor. In den Wohnorten der Verstorbenen trauern viele Menschen. In der Verbandsgemeinde Stromberg in Rheinland-Pfalz trauern viele Menschen. "Ein ganzes Dorf steht erstmal still", sagte die Bürgermeisterin Anke Denker, die Bürgermeisterin von Waldlaubersheim. Zwei der fünf Opfer, ein 43 Jahre alter Bergsteiger und sein 16-jähriger Sohn, stammten aus dem Ort in Rheinland-Pfalz. Auch beim Berliner Alpinclub herrscht Trauer. Dort waren die 14-jährige Berlinerin und ihr 19 Jahre alter Bruder seit längerem Mitglied. "Der ganze Club ist bestürzt, wir können es noch nicht glauben", sagte Detlef Wrede, Geschäftsführer der Sektion im Deutschen Alpenverein (DAV). Nach Angaben von Freunden fuhr die Familie regelmäßig zum Urlaub in die Berge. Betroffenheit löste auch der Tod eines 20-Jährigen in seiner Heimatgemeinde Oerlinhausen bei Bielefeld aus. "Wir trauern mit, ganz klar. Je kleiner die Gemeinde ist, umso bekannter ist man ja auch", sagte Bürgermeisterin Ursula Herbort.

Messner greift Alpenvereine an

Der Lagginhorngipfel liegt im Saas-Tal, etwa zehn Kilometer von der italienischen Grenze entfernt. Er ist laut dem Schweizer Alpen Club SAC einer von insgesamt 48 Bergen in der Schweiz, die mindestens 4000 Meter hoch sind. Das Lagginhorn gilt als leichter Viertausender in den Alpen. Bergsteiger Reinhold Messner warf den Alpenvereinen vor, "zu den Totengräbern des Alpinismus" zu werden. "Die alpinen Vereine suggerieren eine falsche Sicherheit", sagte Messner. Man habe an vielen Bergen Absicherungshaken und Fixseile für Bergsteiger installiert, um die Berge angeblich sicherer zu machen. "Es ist dumm zu denken, dass der Mensch die Natur sicher machen kann", erklärte Messner. Hundertprozentig sicher sei ein Bergsteiger nur, wenn er zu Hause bleibe, denn die Natur sei keine Attrappe.

Der Unfall am Lagginhorn ist der bislang folgenschwerste Bergunfall in der Schweiz in diesem Jahr. Im vergangenen Jahr kamen in der Schweiz beim Bergsteigen oder Bergwandern 151 Menschen bei 135 Unfällen ums Leben. 29 davon waren Ausländer.

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