Süddeutsche Zeitung

Abgestürzter Learjet:Die Kurve zu eng geflogen

Hat der Pilot des bei einer Bundeswehr-Übung abgestürzten Learjets den Unfall selbst verschuldet? Vieles deutet darauf hin. Er habe den Eurofighter gerammt, heißt es bei der Luftwaffe.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Nach der Kollision eines zivilen Flugzeugs mit einem Kampfjet der Bundeswehr deutet nach bisherigen Erkenntnissen der Bundeswehr vieles auf einen Flugfehler der Zivilmaschine hin. Wie die Süddeutsche Zeitung aus Luftwaffenkreisen erfuhr, soll der verunglückte Learjet einen der beiden an einer Übung beteiligten Eurofighter gerammt haben, bevor er am Montag über dem Sauerland abstürzte. Die Staatsanwaltschaft in Arnsberg gab allerdings an, gegen die Piloten der Bundeswehr-Jets werde wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Die beiden 50 und 43 Jahre alten Insassen des Learjets sind nach Einschätzung der Polizei tot.

Der Learjet und die zwei Eurofighter waren eine routinemäßige Übung geflogen. Dabei ging es um die Simulation einer Lage, in der ein Flugzeug unidentifiziert im Luftraum unterwegs ist. Solche Situationen gibt es häufiger. Die Gründe dafür, dass kein Funkkontakt besteht, sind in den allermeisten Fällen harmloser Natur. Aufgabe der sogenannten Alarmrotten der Luftwaffe ist es in solchen Fällen, zunächst Sichtkontakt zu dem Flieger aufzunehmen. Wird die Funkverbindung auch danach nicht wieder hergestellt, sollen sie das Flugzeug zur Landung zwingen.

Alles wie vorgesehen

Im Fall des abgestürzten Learjets war nach Angaben aus Luftwaffenkreisen einer der beiden Eurofighter zunächst planmäßig auf Sichtweite an das zivile Flugzeug herangeflogen, während der andere Kampfjet mit Abstand hinter den beiden blieb. Der Ablauf der Übung sei dabei wie üblich detailliert vorbesprochen gewesen. Durch Wackeln mit den Flügeln habe der Kampfpilot den Learjet dann zur Kontaktaufnahme aufgefordert, woraufhin dessen Pilot das Signal bestätigt habe. Daraufhin sei der Eurofighter wie vorgesehen näher an das zivile Flugzeug herangeflogen, um in Sichtkontakt zu kommen. Durch Handzeichen habe der Bundeswehr-Pilot sein Gegenüber angewiesen, ihm zu folgen. Der Pilot des Learjet habe daraufhin ebenfalls per Handzeichen signalisiert, dass er dieser Anweisung Folge leisten werde.

Der Eurofighter, der sich zu diesem Zeitpunkt links vom Learjet befand, drehte dann laut Luftwaffenkreisen wie vorgesehen nach links ab, drehte dem Learjet also die Unterseite zu. In diesem Moment habe der Pilot des zivilen Flugzeugs einen deutlich zu engen Kurvenverlauf gewählt und sei von rechts unten an den Eurofighter herangeflogen. Dabei sei es zur Kollision gekommen. Während der Learjet abstürzte, kehrte der beschädigte Eurofighter zu seinem Heimatflugplatz Nörvenich zurück und landete dort. An seiner rechten und unteren Seite gibt es starke Beschädigungen, zudem wurde ein Außentank abgerissen.

Die beiden Insassen des zivilen Flugzeugs arbeiteten für die Gesellschaft für Flugzieldarstellung (GFD), ein Tochterunternehmen von Airbus Defence and Space. Die Firma ist auf Übungen mit der Bundeswehr spezialisiert und gilt als beliebter Arbeitgeber für ehemalige Piloten der Bundeswehr. Auch die beiden am Montag bei Olsberg abgestürzten Männer sollen ehemalige Soldaten gewesen sein. Die Flugstunde eines Learjets ist für die Bundeswehr deutlich günstiger als die eines Eurofighters.

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SZ vom 25.06.2014/webe
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