Aberglaube "Hand of Glory":Das Geheimnis der abgehackten Hand

Aberglaube "Hand of Glory": Unheimlich und bizarr: die einzige erhaltene "Hand of Glory" im Whitby-Museum in Yorkshire.

Unheimlich und bizarr: die einzige erhaltene "Hand of Glory" im Whitby-Museum in Yorkshire.

(Foto: privat)

Hinter der "Hand of Glory" verbirgt sich ein düsterer Volksglaube. Mit einer getrockneten menschlichen Hand als Glücksbringer konnten Einbrecher angeblich unbescholten ihrem Geschäft nachgehen.

Von Sofia Glasl

"Hand of Glory"- die Ruhmeshand. Bei diesem Begriff tauchen im Kopfkino Colt schwingende Revolverhelden auf oder berühmt-berüchtigte Handaufleger. Doch gibt es weder einen Western noch einen Chiropraktiker mit diesem Namen. Hinter der "Hand of Glory" verbirgt sich ein düsterer Volksglaube, der sich im 17. Jahrhundert in Frankreich und Großbritannien ausbreitete.

Mit einer getrockneten menschlichen Hand als Glücksbringer konnten Einbrecher angeblich unbescholten ihrem Geschäft nachgehen. Je nachdem, welcher Erzählung man glaubt, öffnet sie jede noch so sorgfältig verschlossene Tür oder macht alle Bewohner eines Hauses bewegungsunfähig und verspricht so leichte Beute.

Wie sie das macht? Sicherlich nicht wie das eiskalte Händchen der "Addams Family", das als leibloser Butler auf- und abtippelt. Eine der meistzitierten Geschichten hat der Altertumsforscher John Aubrey schon 1686 niedergeschrieben: Während eines Unwetters klopft eine Fremde an die Tür des Old Spital Inn. Sie bittet um ein Bett für die Nacht und wird eingelassen. Als sich das gesamte Haus schlafen legt, packt sie eine verschrumpelte Hand aus, zündet deren Finger wie Kerzen an, und macht sich daran, das Haus auszuräumen.

Die Köchin jedoch ist noch wach und beobachtet das Treiben. Aber ihre lauten Rufe bewirken nichts, die Fingerkerze hat alle Bewohner betäubt. Die Köchin schafft es dennoch, die Fremde in einem Zimmer einzusperren, und nach mehreren Versuchen kann sie die Flammen mit einem Krug Milch löschen. Die übrigen Bewohner erwachen schlagartig wieder, und der Diebin wird das Handwerk gelegt.

Um sie haltbar zu machen, wurde sie geräuchert

Aus Großbritannien und Frankreich, aber auch aus Deutschland gibt es ähnliche Schauergeschichten. Im Märchen "Rabenstein" von Ernst Moritz Arndt sind es Hände von ungeborenen Kindern, die Kerzen halten und dem Räuber als Diebeslicht leuchten.

Das Makabre daran: Es gab sie, die "Hands of Glory", und sie hingen tatsächlich mal an einem Menschen. Um aus einer normalen Hand eine magische zu machen, wurde einem zum Tode am Strang verurteilten Verbrecher die Hand abgehackt, das Blut daraus vollständig entfernt und der Rest durch verschiedene Verfahren haltbar gemacht. Dabei lesen sich die Anleitungen beinahe wie ausgeklügelte Kochrezepte für aromatisches Dörrfleisch oder Mixed Pickles mit etwas Hokuspokus.

Das französische Zauberbuch "Petit Albert" von 1722 verzeichnet ein Rezept mit Salpeter und langem Pfeffer, ein britisches Rezept von 1823 sieht Salz, Urin von Menschen, Hunden und Pferden, einen Räuchervorgang und längeres Abhängen der Hand an einer Eiche und einer Kirchentür vor. Die Hand schrumpelt in sich zusammen, verfärbt sich graubraun, und eine Zauberformel aktiviert zuletzt die magischen Kräfte.

Talisman für die nächste Diebesgeneration

Die Standardausführung der "Hand of Glory" ist zu einer Faust geballt, in die man eine Kerze stecken kann. Diese ist im besten Falle aus dem Fett des Gehenkten gefertigt, von dem die Hand stammt. Es gibt jedoch auch Ausführungen mit ausgestreckten Fingern, die einzeln, in Wachs getaucht, direkt angezündet werden. Je nach Person, die in Tiefschlaf fallen soll, steckt man einen Finger an - ist einer nicht betäubt, brennt auch die Kerze nicht. In den Schauermärchen verzählt sich der Dieb gerne und übersieht daher jemanden, der noch wach ist und ihn wie die Köchin letztlich unschädlich macht.

Warum eine menschliche Hand? Schon seit der Antike gibt es Berichte darüber, dass mumifizierte Körperteile als Talisman getragen oder ihnen heilende Kräfte nachgesagt wurden. Halskrankheiten etwa sollten durch Berührung von einer toten Hand geheilt werden. Henker verdienten sich ein Zubrot, indem sie Kranke für Geld an die Toten heranließen, um sich kurieren zu lassen. Handauflegen für Fortgeschrittene sozusagen. Während der Hexenverfolgungen im 16. und 17. Jahrhundert wandelte sich die Vorstellung der Heilkräfte von toten Gliedmaßen hin zu Unglückszauber.

Wie die "Hand of Glory" zu ihrem viel versprechenden Namen kam, versuchte der Sprachforscher Walter William Skeat 1882 in seinem etymologischen Wörterbuch zu erklären: Das Nachtschattengewächs Alraune heißt im Lateinischen mandragora, was in schlampig ausgesprochenem Französisch wie Main de gloire klingt - "Hand of Glory" liegt im Englischen dann nahe. Die Wurzel der Pflanze sieht wie ein verschrumpelter Mensch aus - und ihr werden durch die gesamte Kulturgeschichte magische Kräfte nachgesagt. Ihre halluzinogene Wirkung ist jedenfalls wissenschaftlich belegt.

Einem Langfinger wird die Hand abgeschlagen

Die Wirksamkeit der Ruhmeshand ist nicht belegbar, doch kreuzen sich in ihr zwei extreme Konzepte, Geisterglaube und Strafgesetzgebung: der Analogiezauber und die Spiegelstrafe. Der Analogiezauber geht davon aus, dass Pflanzen, die einem menschlichen Körperteil ähnlich sehen, diesem auch guttun. Die schrumpelige Alraunwurzel muss gut sein für die Hand, und die schrumpelige "Hand of Glory" muss in einem weiteren Gedankenschritt gut für die findige Diebeshand sein.

Die Spiegelstrafe sieht vor, dass einem Kriminellen entsprechend seiner Tat Strafe zuteilwird: Einem Langfinger wird die Hand abgeschlagen. Die "Hand of Glory" als Resteverwertung eines gehenkten Übeltäters und als Talisman der nächsten Diebesgeneration verschränkt beide Vorstellungen und macht sie deshalb so wundersam.

Die einzige noch erhaltene "Hand of Glory" liegt seit 1935 im Whitby-Museum in der englischen Grafschaft Yorkshire. Sie wurde vor mehr als 100 Jahren im Dorf Castleton unter dem Strohdach eines alten Hauses gefunden. Der Museumskurator nimmt an, dass sie als Träger eines Unglückszaubers heimlich dort versteckt worden war. Denn der ursprüngliche Bewohner war in der Gegend als bösartiger Charakter bekannt, dem offenbar niemand Gutes wünschte. Der Kurator und Hüter der gepökelten Hand heißt übrigens, nomen est omen, Richard Pickles.

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