Abdankung von Juan Carlos in Spanien:Die Monarchie kann gehen

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Spaniens König Juan Carlos und Kronprinz Felipe bei einer Militärparade in Saragossa (Archivfoto vom 01.06.2008). (Foto: dpa)

Juan Carlos rettete einst die Demokratie, doch in jüngster Zeit hat er versagt. Auch von seinem Sohn und Nachfolger Felipe erwarten die Spanier nicht mehr viel. Das Volk hat sich von seinem Königshaus entfremdet.

Ein Kommentar von Sebastian Schoepp

Dieser König war einmal ein Held. Als der junge Juan Carlos 1975 die Nachfolge des verstorbenen Diktators Francisco Franco als Staatsoberhaupt Spaniens antrat, erwartete niemand Großes von dem Monarchensöhnchen. Doch er überraschte die Welt und führte sein Land in einem Akt riskanter politischer Ingenieurskunst aus der Isolation. Juan Carlos hat nicht nur eine Diktatur demontiert, er hat auch die junge Demokratie vor schießwütigen Putschisten verteidigt. Diese historische Leistung hält allen Versuchen nachträglicher Relativierung stand. Deshalb ist Juan Carlos I. lange Zeit ein Staatschef gewesen, zu dem sich die überwältigende Mehrheit der Spanier bekennen konnte.

Es ist nicht ganz klar, wann die Selbstdemontage des Juan Carlos begann. Vielleicht war es jener Auftritt beim Iberoamerika-Gipfel 2007, als er Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez mit einem polternden "Warum hältst du nicht den Mund?!" zum Schweigen bringen wollte - neben sich einen verlegenen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero, dem dieser Verstoß gegen diplomatische Gepflogenheiten sichtlich peinlich war. Vielleicht war Juan Carlos da schon nicht mehr auf der Höhe seiner Gesundheit - definitiv war er nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Sein "Por qué no te callas?" wurde tausendfach im Internet kolportiert und parodiert - genau wie seine späteren Auffälligkeiten, von der Elefantenjagd über die Liebesabenteuer bis hin zu den Versuchen, die Eskapaden des missratenen Schwiegersohns zu verschleiern.

Ein demokratischer Lebensstil war ihm fremd

An diese Form digitaler Aufmerksamkeit konnte der alternde Juan Carlos sich nicht mehr gewöhnen. Steht ein König nicht über allem? Kann er nicht auf Elefanten schießen, wann er will? Hat er nicht ein Recht auf Schutz seines Privatlebens? Kann er nicht sagen, wenn ein südamerikanischer Polterer ihn nervt? Juan Carlos wurde erzogen in reaktionären Militärakademien und den spätfeudalistischen Zirkeln der Franco-Zeit. Er hat nie eingesehen, dass im 21. Jahrhundert auch von einem gekrönten Staatsoberhaupt neben demokratischer Gesinnung ein demokratischer Lebensstil eingefordert wird.

Vielleicht hätte man ihm die eine oder andere Eskapade sogar verziehen, machte Spanien nicht gerade die schwerste Zeit seit der Diktatur durch. Doch anstatt moralische Autorität zu zeigen, die Notwendigkeit von Reformen - zu denen die meisten Spanier ja bereit sind - zu erläutern und vielleicht sogar mit gutem Sparbeispiel voranzugehen, verbarrikadierte Juan Carlos sich und verwaltete seine Affären. Dieses Versagen hat dazu geführt, dass die Zustimmungsraten zur Monarchie schneller verfallen als der Wert spanischer Schrottimmobilien. Bei der Europawahl haben republikanische Kräfte zugelegt, und nicht nur bei den Separatisten, die die Monarchie seit jeher ablehnen.

Von Nachfolger Felipe erwarten die Wenigsten Großes. Auch er ist Ziel wenig respektvoller Karikaturen, die berühmteste zeigte ihn beim Zeugungsakt mit Ehefrau Letizia, dazu legte man ihm den Kommentar in den Mund: "Was ich gerade mache, ist das Arbeitsähnlichste, das ich je getan habe." Vielleicht wäre der stets brav frisierte Felipe in seiner Unauffälligkeit sogar ein brauchbarer Bürger-Monarch für stabile Zeiten. Wie ein Staatslenker für Krisenzeiten wirkt er nicht. Stand Juan Carlos für die Großvatergeneration, die die Demokratie erkämpft hatte, so repräsentiert Felipe das biedere, materiell eingedickte Spanien der Boomjahre. Doch dieses Land gibt es nicht mehr.

Juan Carlos I.
:Ein König, der die Demokratie brachte

So umstritten er zuletzt war, so beliebt war Juan Carlos zu Beginn seiner Regentschaft. Schließlich war es der Franco-Zögling, der Spanien die Demokratie brachte. Die Karriere des Königs in Bildern.

Es ist erst die in der Krise großgewordene Enkelgeneration, die begreifen musste, dass die transición - der Übergang zur Demokratie nach 1975 - nur der erste Schritt war und dass der zweite versäumt wurde: nämlich Spanien fit zu machen in der Globalisierung, mit den patriarchalischen und starren Strukturen in Politik und Wirtschaft zu brechen, für die Juan Carlos, Felipe und ihr steifer Clan stehen. Spanien braucht eine zweite transición: nicht nur ein neues Wirtschaftsmodell, sondern auch den Abschied vom korrupten Familismus sowie der auf EU-Geld gebauten Eigenheimseligkeit und dem Kreditkarten-Materialismus.

Diese Enkel sind keine verlorene Generation: Sie sind wissbegierig, lernwillig, weltoffen, mobil, aufgeschlossen. Es ist die derzeit dynamischste Jugend Europas, die nach einem neuen Weg zwischen traditionellen Werten und modernen, ökonomisch sinnvollen Entfaltungsmöglichkeiten sucht. Anleitung durch Könige, Prinzen und Hofschranzen braucht sie nicht. Die Protestbewegung gegen Sparexzesse und Korruption etwa kam bei der Mobilisierung von Millionen Anhängern ganz bewusst ohne Führungsfiguren aus. Die spanische Monarchie hat ihren Dienst getan. Sie sollte gehen.

© SZ vom 03.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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