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A19: Sandsturm:Staatsanwaltschaft ermittelt nach Karambolage

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Wie konnte es zu dem Horrorcrash auf der A19 mit acht Toten kommen? Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung, ein Minister eröffnet eine Debatte über Tempolimits.

Nach dem Horrorcrash auf der Autobahn 19 bei Rostock ermittelt die Staatsanwaltschaft, wie es dazu kommen konnte. Acht Menschen starben bei der Massenkarambolage, mehr als 130 wurden verletzt - ein Mann schwebt noch in Lebensgefahr. Insgesamt liegen noch mehr als 20 Verletzte im Krankenhaus. Ein Sandsturm hatte den Fahrern am Freitag die Sicht genommen, sie rasten in beiden Fahrtrichtungen ineinander. In dem Inferno der brennenden Autos schmolzen Teile der Fahrbahn.

"Es besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung", sagte Staatsanwältin Maureen Wiechmann am Samstag. Es müssten Zeugen befragt werden, darunter auch Verletzte aus den Krankenhäusern. Nach ihren Angaben waren Gutachter bereits am Freitag am Unfallort und beschlagnahmten etwa fünf Autos, um die Abfolge der Massenkarambolage zu klären. An der Spitze der Unfallkolonne in Richtung Rostock, wo es die stärksten Brände gab, sei auch einer der vier unfallbeteiligten Lastwagen gefahren. "Die Untersuchungen werden aber noch mehrere Tage dauern", sagte Wiechmann.

Die Flammen gingen nach Angaben der Feuerwehr von einem Auto aus. "Das war ein Auto, das stand mittendrin und brannte", sagte der Einsatzleiter der Feuerwehr, Hannes Möller. Durch den starken Wind und die eng zusammenstehenden Autos habe sich das Feuer schnell auf benachbarte Wagen ausdehnen können. Auch ein Gefahrguttransporter sei so entzündet worden. "Wenn die Autos auf der Autobahn unterwegs sind, laufen die Motoren heiß und auch die Teile daneben, das sind ideale Zündmöglichkeiten", sagte Möller.

80 Autos rasten ineinander, knapp 30 gingen in Flammen auf. Das Inferno richtete einen Millionenschaden an, schätzten Polizisten an der Unfallstelle.

Weil es an der Unfallstelle kein Tempolimit gibt, verlangt Mecklenburg-Vorpommerns Landesverkehrsminister Schlotmann eine Debatte über Geschwindigkeitsbegrenzungen. "Man kann nicht jeden Unfall durch Verkehrsregeln verhindern. Wir müssen aber darüber reden, ob und wie Tempolimits zu mehr Sicherheit beitragen können", sagte der SPD-Politiker. Experten der Prüforganisation Dekra sollen nun klären, "ob Autofahrer angesichts der Sandwand zu schnell oder zu unvorsichtig gefahren sind."

Tote und Verletzte aus acht Bundesländern

Der Sturm hatte Sand von umliegenden Feldern aufgewirbelt und über die Autobahn geweht. Augenzeugen sagten, man habe nur noch etwa zehn Meter weit sehen können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gab der Agrarindustrie eine Mitschuld am Entstehen des Sandsturms. "Durch die jahrelange Vernachlässigung der Bodenstruktur haben die Böden immer weniger Humusgehalt, sie degradieren", sagte der BUND-Agrarexperte Burkhard Roloff am Samstag. Die obere Krume trockne durch die breite Verwendung von Kunstdüngern aus. Eine wesentliche Rolle spielten auch die riesigen Felder.

"Das ist totaler Unsinn", sagte dagegen der Präsident der Bauernverbands in Mecklenburg-Vorpommern, Rainer Tietböhl. In den vergangenen sechs Wochen habe eine enorme Trockenheit geherrscht, "da kann kein Landwirt was dafür". Die Autobahnmeisterei und Meteorologen sprachen von einer "unglücklichen Verkettung von Zufällen". Als der Unfall geschah, habe es Windgeschwindigkeiten bis knapp 90 Stundenkilometer gegeben.

Die Toten und Verletzten kommen aus mindestens acht Bundesländern, teilte das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin mit. Betroffen seien Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

An der Unfallstelle wurde mittlerweile auch der letzte brennende Lastwagen gelöscht, etwa 20 Stunden nach dem Crash. Dichter Löschschaum bedeckte den Boden um den letzten völlig ausgebrannten Lkw. Die Fahrbahn war auf Dutzenden Metern mit riesigen Löchern übersät und völlig schwarz von Ruß und verbrannten Wrackteilen. Insgesamt waren 300 Retter im Einsatz.

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