Bauprojekt in Nordrhein-Westfalen:Wie man 100 000 Tonnen um 20 Meter verschiebt

Sanierung Talbrücke Rinsdorf

Blick von unten auf die Talbrücke Ringsdorf südlich von Siegen in fast 70 Meter Höhe.

(Foto: dpa)

Wenn Autobahnbrücken bei laufenden Verkehr erneuert werden, reißen die Ingenieure normalerweise erst die eine und dann die andere Hälfte ab. Doch bei der Talbrücke Rinsdorf im Siegerland geht das nicht, also musste eine kreative Lösung her.

Bauingenieure hantieren mit Beton, Zement, Sand, tonnenschweren Stahlkonstruktionen oder Fertigbauteilen, aber wohl eher selten mit handelsüblichem Spülmittel. Auf der Bahnstelle an der A45 bei Rinsdorf südlich von Siegen ist das anders. Dort werden die Straßenbauer in drei Jahren eine riesige Menge Spülmitel für ihre Baustelle brauchen, um einen Teil der Brücke ins Rutschen zu bringen, doch dazu später mehr.

Die A45, die Dortmund und den Großraum Frankfurt verbindet, wird oft auch Sauerlandlinie genannt. Die Sauerländer sagen auch gerne "Königin der Autobahnen", weil die A45 so viele Brücken aufweist. Inzwischen ist die Autobahn fast 50 Jahre alt - und soll für mehrere Milliarden Euro saniert und sechsspurig ausgebaut werden.

Fast doppelt so schwer wie der Kölner Dom

In Rinsdorf, einer kleinen Siedlung im Kreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen stehen Ingenieure dabei vor einer großen Herausforderung. Sie müssen unter laufendem Verkehr ein neues Bauwerk errichten, das fast doppelt so schwer ist wie der Kölner Dom. Etwa 100 000 Tonnen Gewicht wird allein eine Hälfte der neue Autobahnbrücke haben, Kölns Wahrzeichen bringt es ohne Fundamente auf 120 000 Tonnen.

Die Talbrücke Rinsdorf ist nur eine von 38 Brücken, die derzeit erneuert werden müssen. Sie ist 486 Meter lang und bis zu 70 Meter hoch. 1971 hat Willy Brandt sie als Bundeskanzler eröffnet, zusammen mit dem letzten Teilstück der Autobahn, das damals fertiggestellt wurde. Bei der Planung Ende der fünfziger Jahre gingen die Behörden davon aus, dass etwa 30 000 Autos pro Tag zwischen den Ballungsräumen Rhein-Ruhr und Rhein-Main pendeln würden. Inzwischen fahren täglich mehr als 70 000 Fahrzeuge auf der Strecke - davon bis zu 16 000 schwere Lkw. Eine Belastung, der die Brücke in Rinsdorf nicht mehr dauerhaft standhalten könnte.

Einfach einreißen und neu aufbauen will das Land die Brücke nicht, denn der Verkehr soll weiterhin fließen. Bei anderen Brücken wird in diesem Fall erst eine Hälfte abgerissen und neu gebaut. In Rinsdorf ist das nicht möglich: Die Brücke ist aus einem Stück konstruiert, ein Teilabriss einer Seite kommt nicht infrage.

Die Lösung: 20 Meter neben der Fahrbahn wird eine neue Brücke errichtet - zunächst nur halb so breit wie geplant. Ist dieses neue Stück fertig, wird der Verkehr dort hinüber geleitet. Die alte Brücke kann dann gesprengt werden. Später wird dann die zweite Neubauhälfte an der Stelle der alten Brücke gebaut. Ist sie fertig, beginnt der technisch aufwendigste Teil der Arbeiten. 2022 wird es so weit sein: Die erste Hälfte der Brücke wird herangeschoben, komplett mitsamt der bis zu 66 Meter hohen Pfeiler.

Damit sie sich schieben lässt, ruhen die Pfeiler der Rinsdorfer Brückenhälfte jeweils auf zwei Schiebebahnen. Auf einer Seite sind Platten des Antihaftstoffes Teflon angebracht, der auch bei Bratpfannen verwendet wird. Auf der anderen Seite sind Edelstahlbleche montiert. Damit das enorme Gewicht wirklich rutschen kann, kommt noch ein Gleitmittel hinzu, wenn es soweit ist. Hier kommt das Spülmittel ins Spiel, wie Karl-Josef Fischer, Leiter der Koordinierungsstelle A45, erklärt. Möglich sei auch der Einsatz von Fett. Große Hydraulikpressen leisten dann die Arbeit - Millimeter um Millimeter. Mit bloßem Auge soll die Verschiebung, die etwa einen bis zwei Tage dauern soll, kaum zu sehen sein.

Das Terrain, auf dem die Talbrücke Rinsdorf steht, ist typisch für das hügelige Sieger- und Sauerland. Nicht umsonst ist die Region bei Wintersportlern beliebt, vor allem aus den Niederlanden. Den Straßenbauern allerdings verlangt die Geografie höchste Ingenieurskunst ab. "Einen solchen Querverschub auf Fundamentebene hat es in dieser Größenordnung in Deutschland noch nicht gegeben", heißt es in einer Projektbroschüre. Interessant ist das Projekt daher sogar für die Wissenschaft: Begleitet wird der Bau von Experten der Technischen Universität Berlin.

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