53 Tote nach Dacheinsturz in Riga:Lettlands Präsident fordert Ermittlungen wegen Mord

53 Tote nach Dacheinsturz in Riga: Die Absperrung am Unglücksort ist ein Ort der Trauer und des Zusamenhalts geworden. Noch immer werden Menschen unter den Trümmern vermisst.

Die Absperrung am Unglücksort ist ein Ort der Trauer und des Zusamenhalts geworden. Noch immer werden Menschen unter den Trümmern vermisst.

(Foto: AFP)

Unter den Trümmern des eingestürzten Supermarktdaches in Riga suchen die Rettungskräfte noch immer nach Vermissten. Während die Bürger fassungslos um die Opfer trauern, sucht Präsident Berzins bereits nach Verantwortlichen. Er hat die Aufnahme von Mordermittlungen gefordert.

Das Gebäude war erst vor zwei Jahren errichtet worden, trotzdem stürzte vor zwei Tagen das Dach des Einkaufszentrums unvermittelt ein und begrub mindestens 53 Menschen unter sich. Der lettische Präsident, Andris Berzins, will nun die Ursache des Einsturzes schnellstmöglich klären und vor allem: einen Schuldigen finden.

"Dieser Fall muss wie ein Mord an zahlreichen hilflosen Menschen behandelt werden", sagte Berzins im Fernsehsender LTV. Es sei "eine angemessene Reaktion" - und zwar "mit größtmöglicher Geschwindigkeit". Das Unglück könne "nicht als Naturkatastrophe oder Pech gewertet werden". "Die Natur hat hier überhaupt keine Rolle gespielt", sagte Berzins.

Ermittelt wird in drei Richtungen - Fehler bei der Planung des Gebäudes, Baumängel oder ein Zusammenhang mit den jüngsten Arbeiten auf dem Dach, wo unter anderem ein Kinderspielplatz entstehen sollte.

Die Baufirmen wiesen Vorwürfe über möglichen Pfusch zurück. Sämtliche Baumaßnahmen seien im Einklang mit lettischen Gesetzen erfolgt, teilten die fünf beteiligten Unternehmen in einer Stellungnahme mit. Die Firmen kündigten eine gründliche Untersuchung mit einem Team unabhängiger Experten an. Das Gebäude und das Dach seien zuletzt zwei Tage vor dem Einsturz überprüft worden

Eine Sprecherin der betroffenen Supermarktkette Maxima sagte, dass Sicherheitsprüfungen in Lettland, Estland und Litauen angeordnet worden seien. Eine Sprecherin des Baukonzerns Re&Re versprach eine Untersuchung und sprach von einem "Rätsel".

Die Hoffnung sinkt mit jeder Stunde

An der Unglücksstelle suchen die Rettungskräfte in einem Wettlauf gegen die Zeit immer noch nach Überlebenden. Doch die Suche musste wegen Einsturzgefahr unterbrochen werden. Sie sollen am Sonntagmorgen fortgesetzt werden, teilten die Behörden Lettlands mit. Bei der Bergung der Opfer waren auch drei Feuerwehrmänner getötet worden. Mehr als 20 Menschen wurden bei dem Unglück verletzt.

Dass die Einsatzkräfte noch Überlebende finden werden, scheint immer unwahrscheinlicher. "Wir haben immer wieder beim Räumen innegehalten, um Klopfzeichen und andere Lebenszeichen zu hören" sagte ein Sprecher des Rettungsdienstes der lettischen Nachrichtenagentur Leta. "Aber seit mehr als acht Stunden gab es keinerlei Lebenszeichen".

Angehörige von Vermissten, die seit dem Unglück am Donnerstagabend versuchten, die Mobiltelefone ihrer Freunde oder Familienmitglieder zu erreichen, erhielten ebenfalls keine Antwort.

Zwischen Trauer und Hoffnung

Angehörige und Menschen, die mit Blumen oder Kerzen ihre Trauer ausdrücken wollten, kommen täglich zu der mit Nationalfahnen geschmückten Absperrung. Andere wollten die Helfer mit heißem Tee oder mit Keksen unterstützen. Ein orthodoxer Priester spendete Trost. Auch sonst ist die Solidarität unter den Menschen groß. Für eine Hilfsaktion zugunsten der Opfer kamen innerhalb von zwei Tagen umgerechnet mehr als 120 000 Euro zusammen. Auch den Aufrufen zu Blutspenden folgten viele.

Am Samstag begann in Lettland eine dreitägige Staatstrauer. Überall wehten Landesflaggen mit Trauerflor. Eishockeyspiele, Konzerte und Theatervorstellungen wurden abgesagt. Ministerpräsident Valdis Dombrovskis sprach am Freitagabend im Fernsehen von einem "schweren Tag" für das ganze Land. Für Montagmorgen ist eine Schweigeminute vorgesehen.

Der amtierende deutsche Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) telefonierte am Samstag mit seinem lettischen Kollegen Edgars Rinkevics. Er habe "die große Anteilnahme und das tief empfundene Mitgefühl Deutschlands mit den vielen Opfern" übermittelt, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: