27 Jahre nach der Tat:Angeklagter im Fall Stephanie zu lebenslanger Haft verurteilt

Angeklagter im Stephanie-Prozess will aussagen

Zum Prozessauftakt im Oktober verbarg der Angeklagte sein Gesicht hinter einem Aktenordner.

(Foto: dpa)
  • Es war ein schockierendes Verbrechen, das sich vor 27 Jahren ereignete. Ein zehnjähriges Mädchen wurde entführt und von einer 48 Meter hohen Autobahnbrücke in den Tod gestoßen.
  • Nun ist dieser Kriminalfall mit einem Urteilsspruch zu Ende gegangen: Der Angeklagte muss wegen Mordes lebenslang in Haft.
  • Es ist ein Erfolg für die Sonderkommission "Altfälle", die sich bislang ungeklärter Kapitalverbrechen annimmt.

Sie wäre heute Ende dreißig, vielleicht wäre sie Lehrerin, oder Köchin, vielleicht hätte sie ein Lokal, oder würde ein Unternehmen leiten. Vielleicht wäre sie Mutter, Partnerin, Ehefrau. Doch Stephanie aus Weimar starb als Kind, im August 1991. Sie war damals zehn Jahre alt. Sie wurde entführt und getötet. Die Todesursache: Sie wurde von einer 48 Meter hohen Autobahnbrücke gestoßen, in die Tiefe. Ein Verbrechen, das mehr als ein Vierteljahrhundert unaufgeklärt blieb, ungesühnt, bis heute. Nun hat das Landgericht Gera im Fall Stephanie einen 66-jährigen Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt.

Die Richter sehen es als erwiesen an, dass der Mann Stephanie im thüringischen Weimar in sein Auto gelockt hatte, um sie zu missbrauchen. Später stieß er sie noch lebend von der Teufelstalbrücke, jenem Bauwerk, das die A 4 zwischen Hermsdorf und Jena in etwa 50 Meter Höhe über eine Kluft führt. Nach zwei Tagen wurde Stephanies Leiche gefunden. Sie war vollständig bekleidet, nur ihre Sandalen und ihre Brille fehlten.

Die Anklage hatte die lebenslange Haft gefordert. Das Gericht folgte. Was sich damals auf der Teufelstalbrücke abspielte, beschrieb Oberstaatsanwalt Ralf Mohrmann so: Der Entführer wollte das Kind loswerden. Zuvor hatte er es entführt und missbraucht. Die Einlassung des heute 66-Jährigen, er habe das Mädchen an der Teufelstalbrücke lediglich abgesetzt? Laut Mohrmann ein Versuch, sich zu entlasten. Tatsächlich sei es seine Absicht gewesen, es zu ermorden, in dem er es von der Brücke stößt.

Der Verteidiger des Beschuldigten erklärte in seinem Plädoyer, sein Mandant habe gar kein Motiv gehabt, das Mädchen zu töten. Dieser sei davon ausgegangen, dass es kein Missbrauch gewesen sei, als er das Kind aufgefordert habe, sich vor ihm auszuziehen. Vom Mordvorwurf sei der Angeklagte freizusprechen. Der Angeklagte selbst hatte gesagt, er habe dem Mädchen Beruhigungstabletten verabreicht und es an der Brücke ausgesetzt. Dann sei es plötzlich verschwunden gewesen.

Dieser Darstellung folgte das Gericht nicht. Der Vorsitzende Richter Uwe Tonndorf sagte, dass das Mädchen nach dem Missbrauch im Auto angefangen habe zu quengeln und zu weinen, so dass der Mann ihr die Beruhigungstabletten gegeben habe. Auch er selbst nahm laut Urteil von den Medikamenten. Als er deren Wirkung verspürt habe, sei er in Panik geraten und habe befürchtet, dass er dem Kind möglicherweise eine Überdosis eingeflößt haben und Stephanie daran sterben könnte. Um dies zu verdecken, habe er das Mädchen von der Brücke geworfen. Dass das Mädchen von alleine von der Brücke gestürzt sein könnte, glaubte das Gericht ebenfalls nicht. Ein Gutachten habe eindeutig ergeben, dass es eines starken Impulses bedurfte, damit der Körper etwa acht Meter von der Brücke entfernt aufschlagen konnte

Ein für den Prozess beauftragter psychiatrischer Gutachter bescheinigte dem Mann eine Persönlichkeitsstörung. Die Schuldfähigkeit sei aber nicht beeinträchtigt. Bei Gesprächen mit dem Angeklagten in der Untersuchungshaft sei ihm deutlich geworden, dass dieser mit Blick auf seine früheren Straftaten keine Reue gezeigt oder ein Schuldbewusstsein entwickelt habe, so der Gutachter. Vielmehr habe er sich selbst als Opfer dargestellt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Rechtsanwalt Stephan Rittler sagte, er werde mit seinem Mandanten beraten, ob eventuell Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werden.

Der Verurteilte war bereits mehrere Jahre im Gefängnis

Der Angeklagte wurde erst im März 2018, also knapp 27 Jahre nach der Tat, in Berlin verhaftet. Bei der polizeilichen Vernehmung gestand er die Tat zunächst. Die Ermittler hatten bei einem DNA-Abgleich eine Übereinstimmung mit einer anderen Tat festgestellt, ebenfalls aus den neunziger Jahren. Der Mann ist wegen sexuellen Kindesmissbrauchs vorbestraft und hat bereits eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt. Er kam 2013 wieder frei.

Die zuständigen Ermittler für die neuerliche Festnahme des Mannes im Fall Stephanie gehörten zur sogenannten Sonderkommission "Altfälle". Sie war im Oktober 2016 eingerichtet worden war, nachdem man am Fundort der Leiche von Peggy K. DNA-Spuren des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden hatte. Obwohl sich später herausstellte, dass es sich bei der Spur um eine Verunreinigung handelte und Böhnhardt nichts mit dem Tod des Mädchens zu tun hatte, blieb die Soko "Altfälle" bestehen.

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Mordprozess 27 Jahre nach der Tat

Landgericht Gera
:Festnahme nach 27 Jahren - Prozessauftakt im Fall Stephanie

Ein 66-Jähriger steht in Thüringen vor Gericht. Er soll eine Zehnjährige entführt, später missbraucht und ermordet haben - vor mehr als einem Vierteljahrhundert.

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