Verschwinden von Flug MH370:Dutzende Theorien geistern durch die Branche

Verschwinden von Flug MH370: Nördlich von Indonesien hält ein Suchtrupp nach MH370 Ausschau - erfolglos.

Nördlich von Indonesien hält ein Suchtrupp nach MH370 Ausschau - erfolglos.

(Foto: AFP)
  • Auch ein Jahr nach dem Verschwinden der Boeing 777 mit der Flugnummer MH370 fehlt von der Maschine und ihren 239 Insassen jede Spur.
  • Die bekannten Fakten sind nach wie vor dürftig. Dass die Maschine wegen eines technischen Defekts abgestürzt ist, gilt jedoch als unwahrscheinlich.
  • Als am wahrscheinlichsten gilt vielen Experten derzeit irgendeine Form der Sabotage oder Entführung.

Von Jens Flottau, Berlin

Ein Jahr nach einem Flugzeugabsturz würde in manchen Fällen schon der Abschlussbericht vorliegen, in dem die Ereigniskette noch einmal minutiös dargelegt wäre und die wahrscheinlichen Unfallursachen erläutert würden. Im Fall des mysteriösen Verschwindens von Flug MH370 gilt das nicht. Stattdessen veröffentlicht die malaysische Behörde für Zivilluftfahrt an diesem Samstag einen neuen Zwischenbericht.

Darin dürfte es um viele technische Details gehen. Am Ende wird die Flugsicherheitsbehörde vermutlich Empfehlungen aussprechen, was die Fluggesellschaften und Flugzeughersteller verändern müssten, um noch sicherer zu werden.

Auch ein Jahr nach dem Verschwinden der Boeing 777 am Morgen des 8. März 2014 fehlt von der Maschine und ihren 239 Insassen jede Spur. Die Luftfahrtindustrie und die Flugsicherheitsbehörden stehen weiterhin vor einem großen Rätsel - es geistern Dutzende Theorien durch die Branche, die wenigsten von ihnen ergeben durchgehend Sinn.

MH370 soll noch mehr als sieben Stunden weitergeflogen sein

Die Unsicherheit über das Schicksal der Besatzung und Passagiere ist für die Angehörigen quälend, aber auch für die Airlines schwer erträglich: So lange sie nicht wissen, was genau passiert ist, können sie auch nichts dafür tun, einen zweiten MH370 zu verhindern.

Die bekannten Fakten sind nach wie vor dürftig. Die Boeing mit der Registrierung 9M-MRO sollte an jenem frühen Morgen von Kuala Lumpur nach Peking fliegen. Sie startete um 0.41 Uhr in der malaysischen Hauptstadt und bekam kurz darauf die Freigabe, direkt zum Wegpunkt IGARI nördlich der malaysischen Küste zu fliegen. Solche Navigationspunkte definieren die Flugwege, die die Maschinen nehmen müssen.

Um 1.19 Uhr, also 38 Minuten nach dem Start, bestätigte die Besatzung einen letzten Funkspruch, mit dem die Flugsicherung von Kuala Lumpur sich ausklinkte und MH370 an die vietnamesischen Kollegen in Ho-Chi-Minh-Stadt übergab. Kurz vor IGARI verschwand der Jet dann vom Sekundärradar, die Ursache ist bis heute nicht geklärt. Allerdings muss der sogenannte Transponder, der das Signal automatisch übermittelt, ausgeschaltet worden sein.

Das malaysische und thailändische Militär räumten erst Tage danach ein, MH370 noch wesentlich später über der Straße von Malacca gesehen zu haben, demnach hat das Flugzeug eine Kurve nach Südwesten und dann nach Südosten gemacht. Irgendwo hier verlor sich die Spur. Automatische Kontakte zwischen dem Flugzeug und Satelliten lassen aber den Schluss zu, dass MH370 noch mehr als sieben Stunden weitergeflogen ist. Wohin genau, ist nicht klar, denn die genaue Richtung und die Geschwindigkeit sind nicht bekannt.

Ein technischer Defekt gilt als unwahrscheinlich

Dass ein Flugzeug einfach so verschwindet, ist nicht das einzig Ungewöhnliche an dem Fall. Die malaysischen Behörden haben sich in Geheimnistuerei überboten und damit gegen internationale Gepflogenheiten verstoßen.

Noch immer gibt es etwa kaum Auskünfte darüber, was die Maschine geladen hatte, dies könnte aber womöglich bei der Spurensuche helfen. Und weil die Kosten der Suche exorbitant sind, haben die federführenden Australier schon darauf hingewiesen, dass es in dieser Intensität nicht mehr weitergehen kann.

Als am wahrscheinlichsten gilt irgendeine Form der Sabotage oder Entführung

Angesichts der Tatsache, dass es weder Trümmer noch Daten gibt, die Spezialisten bei MH370 auswerten könnten, bleiben auch die Ursachen im Dunkeln. Ein technischer Defekt gilt bei den meisten, die sich mit Absturztheorien befasst haben, als eher unwahrscheinlich - das Flugzeug ist ja noch über Stunden weitergeflogen, dies beweisen die Triebwerksdaten, die über Satelliten noch so lange zu empfangen waren.

Als am wahrscheinlichsten gilt vielen derzeit irgendeine Form der Sabotage oder Entführung: Bei einem offensichtlich intakten Flugzeug wird der Transponder abgeschaltet, die Maschine ändert mehrfach die Richtung, bleibt aber offenbar in kontrolliertem Flug und verschwindet dann irgendwann im Meer, als der Treibstoff ausgegangen ist. Aber warum?

Die Branche hat dennoch erste Konsequenzen aus dem Fall gezogen. Es ist zwar eher ein Randaspekt des Dramas, aber dass es nicht möglich war, den Flugweg von MH370 genau zu verfolgen, hat zu einer weltweiten Initiative geführt: Die International Civil Aviation Organization (ICAO) hat beschlossen, dass Flugzeuge künftig genauer geortet werden müssen. Auch sollen sie im Notfall automatisch wichtige Daten funken, um Suche und Absturzanalyse zu erleichtern.

Doch wenn es vor einem Jahr jemandem an Bord gelungen ist, das Transpondersignal abzuschalten, wird es womöglich auch gelingen, ein besseres Ortungssystem außer Gefecht zu setzen. Weitergehende Forderungen, solche Systeme absolut autonom laufen zu lassen, sind unter anderem am Widerstand von Pilotenorganisationen gescheitert, die im Ernstfall die Kontrolle über möglichst alle Geräte an Bord behalten wollen, um sie bei Bedarf abschalten zu können.

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