Tod von König Bhumibol:Das Ende einer Liebe

Thailand trauert um seinen gottgleich verehrten König Bhumibol. Für die Bewohner beginnt eine ungewisse Zukunft. Die Junta regiert das Land, und die Demokratie liegt in Trümmern.

Nachruf von Tobias Matern

Schon immer haben diese knapp gehaltenen Nachrichten für Panik im Land gesorgt. Voller Furcht schauten die Thailänder in den vergangenen Tagen auf die Bulletins, die aus dem Bangkoker Siriraj-Krankenhaus kamen, immer kurz gehalten, nüchtern in Form und Sprache. Eine Nation hielt den Atem an, das Land fürchtete sich vor dem Moment, in dem "wir alleine sein könnten", wie es ein Bewohner Bangkoks ausgedrückt hat.

Nun ist dieser Moment gekommen, nun gibt es nur noch ein Thema in dem südostasiatischen Land: Bhumibol Adulyadej, der am längsten regierende Monarch der Welt, ist tot. Er sei am Donnerstag "friedlich entschlafen", teilte der Palast mit, er wurde 88 Jahre alt. Überall versammelten sich die Menschen, weinend und wie unter Schock; allein vor dem Krankenhaus hatten Hunderte Tag und Nacht betend ausgeharrt.

Der Gesundheitszustand des Monarchen allerdings war schon seit Jahren immer wieder mal kritisch gewesen. Es ist noch nicht abzusehen, wann sich Thailand nun die alles entscheidende Frage stellen wird: Wie geht es weiter nach dem übermächtigen Bhumibol? Das alte System, in dem königstreue Eliten und das Bangkoker Establishment den Ton angeben und die Demokratie sich nicht weiterentwickelte, gerät ins Wanken.

Im Alter von 18 Jahren bestieg Bhumibol den Thron

Am 9. Juni 1946 bestieg Bhumibol Adulyadej den thailändischen Thron. Eigentlich sollte sein in Heidelberg geborener älterer Bruder, König Ananda Mahidol, die Chakri-Dynastie fortführen. Doch der wurde eines Morgens mit einem Einschussloch in der Stirn aufgefunden. Ein Pathologe, der den Fall untersuchen sollte, kam zu dem Schluss, es habe sich um einen Mord gehandelt. Zwei Pagen und ein Sekretär aus dem Palast wurden der Tat bezichtigt und hingerichtet. Aber dies habe einen der "tragischsten Momente" in der Geschichte des Landes nicht abschließend klären können, heißt es in einer Biografie über das Leben Bhumibol Adulyadejs. Bis heute ist das die offizielle Lesart.

Nach dem Tod des Bruders bestieg Bhumibol Adulyadej im Alter von 18 Jahren den Thron und begann einen sagenhaften Aufstieg. Der König wurde in Thailand wie ein Halbgott verehrt, als Monarch geliebt, der die Nation einte. Niemand im selbsternannten "Land des Lächelns" genoss mehr Autorität als der in Boston geborene und in der Schweiz aufgewachsene Bhumibol.

Thailands politische Landschaft ist extrem polarisiert, dieser Konflikt hat sich zu Lebzeiten Bhumibols mehrmals in gewaltsamen Straßenschlachten entladen. Vertreter des alten Establishments aus dem Militär, hochmögende Vertraute des Königshauses und steinreiche Familien stehen auf der einen Seite - und sozial Benachteiligte, die sich um den 2006 aus dem Amt geputschten, zwielichtigen Premierminister Thaksin Shinawatra scharten, auf der anderen Seite. Früher hat sich der König in die Konflikte noch eingemischt. Etwa im Jahr 1992, als das Militär auf Demonstranten in Bangkok schoss. Der Monarch ließ die Vertreter der verfeindeten Parteien zu sich in den Palast kommen. Fernsehaufnahmen zeigen den denkwürdigen Moment: Die beiden Anführer knien voller Ehrfurcht wie zwei Schuljungen vor ihrem König, der sie zur Mäßigung aufruft. Bald danach waren die Proteste beendet.

Zu den Protesten gegen die Regierung schwieg der Monarch

Doch zu den Protesten gegen die demokratisch gewählte Regierung von Thaksins Schwester Yingluck im Jahr 2014 äußerte sich das Königshaus nicht - und ließ das Militär gewähren, das sich an die Macht putschte. Thaksins Bewegung ist - trotz gewonnener Wahlen - seitdem kaltgestellt. Das aber kann sich nach dem Tod des Königs ändern. Mit aller Macht werden Thaksins Anhänger, die sogenannten Rothemden, darauf dringen, endlich das zu erhalten, was die Wähler wollen: die politische Macht in Bangkok. Das wiederum dürfte sich das Militär nicht gefallen lassen.

Und die mäßigende Stimme von einst fehlt. Der Sohn des Königs, Kronprinz Maha Vajiralongkorn, wird nicht als moralische Instanz wie der Vater angesehen. Er gilt als Hallodri, seine eigene Mutter nannte ihn einst einen "Don Juan", der Frauenherzen höherschlagen lässt. "Wir spüren eine innige Liebe für Seine Majestät in uns, wir werden mit diesem Gefühl geboren", hat ein 18-jähriger Schüler aus Phuket das Verhältnis der Menschen in Thailand zu ihrem König einmal beschrieben. Solche Liebesbekundungen wird der Nachfolger vermutlich nicht erhalten.

Überall im Land hängen die Porträts von Bhumibol Adulyadej, in den Wohnzimmern, Amtsstuben, auch auf den Partymeilen. Unermüdlich sei er für sie im Einsatz gewesen, sagen die Bewohner Thailands immer wieder. Der Monarch gab sich früher volksnah, er bereiste das Land. Sein Markenzeichen: die Kamera, überall machte er Fotos. Er entwickelte Ideen für Bewässerungssysteme, für eine produktivere Landwirtschaft. Und er hat Straßenhunde bei sich aufgenommen, über sein Lieblingstier sogar ein Buch geschrieben. Vor jedem Film im Kino wird ihm zu Ehren eine Hymne gespielt, bebildert mit Stationen seines Lebens. Jeder Besucher hat dann aufzustehen.

Das Forbes Magazine bezeichnete Bhumibol als den wohlhabendsten König der Welt - das von ihm verwaltete Vermögen belaufe sich auf 35 Milliarden US-Dollar.

Eine kritische Biografie über den König ist in Thailand verboten

Thailänder reagieren bei kritischen Fragen zu ihrem König abweisend: Außenstehende könnten diese innere Angelegenheit, diese Liebe, nicht verstehen - und sollten sich doch einfach heraushalten. Eine kritische Biografie über das Leben und Wirken des Monarchen, die der Journalist Paul Handley verfasst hat, ist in Thailand verboten: "The King Never Smiles" (Der König lächelt nie) heißt das Buch, das ein weniger geschöntes Bild zeichnet. Ein ums andere Mal habe der Monarch demnach massiv in die Geschicke des Landes eingegriffen. Die Monarchie habe es versäumt, Thailand den politischen Anschluss an die Moderne zu ermöglichen, kritisiert Handley.

Solche Gedankengänge offen auszusprechen, führt in Thailand direkt ins Gefängnis. Als ein in Thailand geborener Amerikaner Passagen aus dem Buch übersetzte und ins Internet stellte, wurde er bei einem Verwandtenbesuch in der Heimat verhaftet und erst Monate später freigelassen. Thailand hat ein extrem harsches Gesetz zur Majestätsbeleidigung. Weder der König noch ein Mitglied der royalen Familie dürfen kritisiert werden. Ein 60-jähriger Lkw-Fahrer erlangte traurige Berühmtheit, als er sich vor Gericht für vier angeblich majestätsbeleidigende SMS verantworten musste, die er verschickt haben sollte. Der Mann versicherte unter Tränen, den König zu lieben und nicht einmal zu wissen, wie man Textnachrichten versendet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Details der Anklage in solchen Verfahren nicht vor Gericht vorgetragen werden, Staatsanwälte und Richter fürchten, sich selbst strafbar zu machen. Der Mann erhielt eine Haftstrafe von 20 Jahren, während der er starb.

Dabei hat der Monarch selbst einmal klargemacht, auch er dürfe nicht über dem Gesetz stehen: "Wenn gesagt wird, der König kann nicht kritisiert werden, vermittelt dies den Eindruck, dass der König nicht menschlich sei." Majestätsbeleidigung ist im politischen Alltag des Landes jedoch längst ein Totschlagargument, um Gegner kaltzustellen. Ein Politiker verlangte einmal eine Strafe für einen seiner Widersacher, weil der sich angeblich bei einem Treffen mit dem König erdreistet habe, auf Augenhöhe mit dem Monarchen zu sitzen - und nicht, wie es angemessen sei, niedriger. Die beiden politischen Lager sind sich spinnefeind, der große gesellschaftliche Konflikt ist bis zum Tode Bhumibols ungelöst geblieben. Die Junta regiert das Land, und die Demokratie liegt in Trümmern.

"Lang lebe der König", heißt es auf Schildern in ganz Thailand. Nun ist der hoch verehrte Monarch gestorben. Er hinterlässt ein tief gespaltenes Land.

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