Thronfolger Willem-Alexander:Der Wandel von Prinz Pils

Prinz Willem-Alexander

König Willem-Alexander und Königin Màxima, werden ihre Titel vom 30. April an lauten: Der Prinz von Oranien und seine Gattin bei einem Staatsbesuch in Singapur.

(Foto: dpa)

Mehr als zwei Jahrzehnte hat Willem-Alexander, Prinz von Oranien, auf den Thron gewartet. Lange Zeit hatte das Königshaus alle Mühe, den Partyfreund unter Kontrolle zu halten. Doch dann leistete er sich noch einen Skandal: seine Frau Máxima.

Von Lena Jakat

Willem-Alexander muss nicht länger warten. Gewartet hat er lange, ganze 23 Jahre. Während Gleichaltrige ins Berufsleben einstiegen, befördert wurden, Teamleiter und Geschäftsführer wurden, während seine spätere Frau als Bankerin in New York und Brüssel Karriere machte, saß Willem-Alexander in Den Haag, in der Noordeinde 66 in seiner Stadtvilla aus dem 17. Jahrhundert, gleich neben dem Stadtschloss seiner Eltern. Drehte Runden in seinem Flugzeug und in seinem Rennwagen. Und wartete. Ging zur Wildschweinjagd. Und wartete.

Oft schon war über die Abdankung seiner Mutter, Königin Beatrix der Niederlande, spekuliert worden. Lange hieß es, sie werde sich mit 65 Jahren auf ihr Altenteil zurückziehen. Ihren 65. Geburtstag feierte die Königin am 31. Januar 2003. Der Prinz von Oranien wartete weiter. Zuletzt waren Gerüchte über einen Amtsantritt im vergangenen Jahr hochgekocht, nachdem sich Willem-Alexanders jüngerer Bruder, Prinz Johan Friso, bei einem Ski-Unfall schwer verletzt hatte. Der 44-Jährige liegt seither im Koma. Doch Beatrix ließ sich nicht hetzen. Und der Thronfolger wartete.

Doch jetzt, endlich, soll er König der Niederlande werden. Am 30. April, drei Tage nach seinem 46. Geburtstag, wird er in der Amsterdamer Nieuwe Kerk zum neuen Staatsoberhaupt gekrönt werden. Seine Mutter wird an diesem Tag 33 Jahre im Amt gewesen sein. Zu zwei Drittel vertrauen seine künftigen Untertanen darauf, dass er seine Sache gut machen werde.

Das war nicht immer so: Sein früherer Ruf als Prins Pilsje (Prinz Pils) geht auf seine Schulzeit in Den Haag zurück, wo er seit 1981 das Eerste Vrijzinnig Christelijk Lyceum, ein christlich-liberales Gymnasium, besuchte. Dem Nachtleben am niederländischen Regierungssitz war der junge Prinz derart zugetan, dass sogar das Gerücht aufkam, man habe dem künftigen König einen Sender ins Bein implantiert - falls er seinen drei Leibwächtern wieder einmal entwischen würde. Wer jetzt an einen anderen Prinzen (rothaarig, lebt auf einer Insel) denkt, liegt falsch? Zumindest teilweise.

Schließlich war es Königin Beatrix stets sehr wichtig, sich vom eskapadenreichen Leben der Windsors abzugrenzen. Mithilfe des Rijksvoorlichtingsdienst, des staatlichen Informationsdienstes, verfolgt sie schon immer eine restriktive Kommunikationspolitik, was das Privatleben ihrer Familie angeht. "Wir sind keine Heiligen, aber eine königliche Familie", soll sie einmal gesagt haben. Als der 16-jährige Willem-Alexander die Glaubwürdigkeit dieses Diktums zu gefährden drohte, schickte sie den Ältesten kurzerhand auf ein walisisches Internat. Doch von nachhaltiger pädagogischer Wirkung war der Aufenthalt in Großbritannien nicht.

Während seiner Studienzeit an der Rijksuniversiteit Leiden sorgte er nicht nur mit Gelagen des Corps Minerwa und Besuchen seines Stammcafés Het Keizertje für Schlagzeilen, sondern auch mit seinen Frauengeschichten. So speiste er unter anderem als Tischherr der in Bayern lebenden Jet-Set-Prinzessin Andrea von Ratibor. 1995 zählte die SZ eine gewisse Emily Bremmers vom "Typ 'Stewardess'" als sechste namentlich bekannte Freundin des Kronprinzen auf - nach "Paulette, Yulande, Barbara, Jacomijn und Frederique".

Tochter eines Diktatorenhelfers als Königin der Niederlande?

Sein Examen hatte Willem-Alexander schon zwei Jahre zuvor mit der Gesamtnote "befriedigend" abgelegt - und den Niederländern ein ganz eigenes Politiker-als-Wissenschaftler-Skandälchen beschert. Der Königssohn lehnte es ab, dass seine Abschlussarbeit wie üblich in der Universitätsbibliothek ausgelegt wurde. Mutmaßlicher Grund: mangelnde Qualität. "Ach, eigentlich wussten wir schon alles, die Arbeit enthält keine Sensation", sagte der betreuende Professor des Prinzen damals, der seinen Studenten als "intelligent aber nicht intellektuell" charakterisierte.

Doch so groß die Zweifel an der Herrschaftskompetenz des großen blonden Mannes bisweilen waren, irgendwann in den Jahren nach dem Studium schien er endgültig für sich die Entscheidung getroffen zu haben, sich in Würden den Bürden seines zukünftigen Amtes zu ergeben. Nach einem gescheiterten Ehrenamt im skandalumwitterten Internationalen Olympischen Kommitee widmete sich der Prinz der deutsch-niederländischen Versöhnung und der Problematik der weltweiten Wasserknappheit. Zweifellos wichtige Themen, und so wurde das Engagement des Thronfolgers durchweg positiv aufgenommen.

Es wurde ruhiger um "Prinz Pils", ja, fast ein bisschen langweilig. Bis sich Willem-Alexander 2001 mit dem einzigen richtigen Skandal seines Lebens zurückmeldete: seiner Verlobung mit der argentinischen Bankerin Máxima Zorreguieta. Im April 1999 hatte er sie bei einem Fest im spanischen Sevilla kennengelernt, auf dem Eis hinter dem Haager Königsschloss hielt er um ihre Hand an. Der Skandal war nicht, dass sie eine Bürgerliche war. Auch nicht, dass sie Katholikin war oder keine Niederländerin. Sondern dass sie die Tochter von Jorge Zorreguieta war: Landwirtschaftsminister in der gefürchteten argentinischen Militärjunta von Jorge Videla. Die Tochter eines Diktatorenhelfers als Königin der Niederlande?

So rigoros sich Königin Beatrix sonst bei ihrem Privatleben zurückhielt, so vorbehaltlos stellte sie sich nun hinter ihren ältesten Sohn. Und Máxima tat alles, um die Niederländer für sich zu gewinnen: Sie lernte binnen kürzester Zeit ihre Sprache, tourte an der Seite ihres Verlobten durch jeden Winkel seines Reiches, lächelte und lächelte. In das Gästebuch des Amsterdamer Stadttheaters, wohin während des Zweiten Weltkriegs viele Juden vor ihrer Deportation gebracht wurden, schrieb sie: "Lasst das 21. Jahrhundert ein Jahrhundert des Vergebens werden. Aber vergessen dürfen wir niemals."

Erst nachdem ihr umstrittener Vater Ministerpräsident Wim Kok zugesichert hatte, den Feierlichkeiten in Europa fernzubleiben, stimmte das niederländische Parlament der Eheschließung zu - das muss es, damit der Thronfolger je König werden darf.

Seit der Trauung im Kleid von Valentino und mit der sechsspännigen Hochzeitskutsche von Willem-Alexanders Großmutter Wilhelmina sind elf Jahre vergangen. Inzwischen hat das Paar drei Töchter - Catharina-Amalia, Alexia und Ariane. Máxima ist nicht nur bei den Niederländern so beliebt wie nie, sondern führt auch in Deutschland Umfragen zu den populärsten Prinzessinnen an. Und der einzige Skandal, den sich Willem-Alexander noch zuschulden kommen lässt, ist ein Foto, dass ihn während der Olympischen Spiele im Peking beim Nasebohren zeigt.

Die Jahrzehnte des Wartens auf den Thron - denn anders als etwa sein Bruder im Geiste, Prinz Charles, ging Willem-Alexander stets davon aus, irgendwann König zu werden - dürften den künftigen Regenten der Niederlande verändert haben. Vor vielen Jahren hat er einmal gesagt, er wolle sich als Monarch eher am entspannteren Stil seiner Großmutter Juliana orientieren als an der distinguierten Zurückhaltung seiner Mutter. Was dem ersten männlichen Nachkommen im Königshaus nach 116 Jahren von diesem guten Vorsatz geblieben ist, werden die Niederländer schon bald beobachten können.

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