Schweiz:Islamische Symbolik? Nein, "tanzende Heuhaufen"

Gotthard rail tunnel opening

Diese "tanzenden Heuhaufen" sollen einer SVP-Abgeordneten zufolge die Schweizer Grundwerte gefährden.

(Foto: dpa)

Eine Abgeordnete der Schweizerischen Volkspartei sieht in der Eröffnungsfeier des Gotthard-Basistunnels eine "Annäherung zu Allah". Die Reaktion des Bundesrats wird im Netz gefeiert.

Von Charlotte Theile, Zürich

Während am vergangenen Mittwoch die ersten beiden Züge durch den neuen Gotthardtunnel fuhren, sahen sich die versammelten Gäste ein Theaterstück an. Neben orange gekleideten Bergarbeitern traten in dem Stück von Volker Hesse auch ungewöhnliche Figuren auf: ein barbusiger Engel mit Flügeln, wilde Steinböcke, eine schwarzgekleidete Trauergemeinde mit Tannengesteck auf dem Kopf. Die Vertreter der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) waren einigermaßen unglücklich mit der Inszenierung: Eine unverhältnismäßige Verschwendung von Steuergeldern schimpften führende Politiker während der Rückfahrt nach Bern. Das werde ein Nachspiel haben.

"Wo bleiben die schweizerischen Grundwerte?"

Dieses ließ nicht lange auf sich warten. "Wo bleiben die schweizerischen Grundwerte bei der Einweihung des Gotthard-Basistunnels?" fragte eine Abgeordnete der SVP am Montag. Die Politikerin aus dem Kanton Aargau wollte aber nicht auf Werte wie Bescheidenheit und Mäßigung hinaus. Statt nach den Kosten des Stücks, das auch international für Befremden gesorgt hatte, fragte die Abgeordnete nach einigen ganz speziellen Bühnen-Schauspielern, die sie als "tanzende Derwische" erkannt zu haben glaubte. Diese, das hatte die SVP-Politikerin in der Enzyklopädie des Islam nachgelesen, stünden "für eine Form der Annäherung zu Allah". Das würde die Grundwerte der Schweiz unterwandern, ja "verraten".

Die Antwort des Bundesrates fiel knapp aus. Bei dem Stück von Volker Hesse seien "ausschließlich Figuren und Sagen, die der Alpenkultur entstammen" behandelt worden. Es handle sich nicht um Derwische, sondern um "tanzende Heuhaufen". Tatsächlich ging es in dem Stück um eine Sage aus dem Urnerland, wonach der Teufel auf der Jagd nach einer menschlichen Seele mit einem Ziegenbock überlistet worden war.

Noch am Abend verbreitete der Sozialdemokrat Cédric Wermuth die Antwort des Bundesrates via Twitter - als "beste Antwort des Bundesrates ever!"

Für die Beobachter aus dem Ausland, die schon die Inszenierung mit ungläubigem Erstaunen gesehen hatten ("Irgendwann rollten viele Menschen in weißer Unterwäsche umher", schreibt die BBC) dürfte diese Episode die rätselhaften Schweizer Feierlichkeiten abrunden.

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