Pussy Riot:Entschädigung für die Demütigung

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Dass die Mitglieder von Pussy Riot während ihrer Vernehmung in Glaskästen sitzen mussten, verstieß gegen Menschenrechte, urteilt Straßburg. (Foto: REUTERS)
  • Im Februar 2012 hatten die drei Pussy-Riot-Frauen in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale gegen die Nähe der Kirche zum russischen Staat demonstriert.
  • Nach ihrer Aktion wurden die Musikerinnen festgenommen und wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" zu je zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
  • Nun urteilt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte: Diese Strafen sind mit den Menschenrechten nicht zu vereinbaren.

Von Martin Zips

Wer vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zieht, sollte Zeit mitbringen. Mehr als 40 000 Beschwerden gehen jährlich ein, alle müssen geprüft werden, ein Urteil kann lange auf sich warten lassen. Gerade, wenn es sich um einen Fall aus Russland handelt, das im vergangenen Jahr den Spitzenplatz bei den Verurteilungen belegte. Der EGMR wacht über die Europäische Menschenrechtskonvention von 1950, der sich fast alle Staaten unterworfen haben - auch Russland. Ein Erfolgsmodell, einerseits.

Bei Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch vom feministischen Musiker-Kollektiv Pussy Riot hat es nun mehr als fünf Jahre gedauert, bis endlich feststand: Die Strafen, die sie erhalten haben, sind mit den Menschenrechten nicht zu vereinbaren. In ihrem Verfahren, so urteilten die Straßburger Richter, seien die Meinungsfreiheit verletzt und die Frauen gedemütigt worden. Etwa, weil sie während ihrer Vernehmung in Glaskästen sitzen mussten. Nun sollen sie entschädigt werden, wenn auch eher symbolisch: Tolokonnikowa und Aljochina sollen vom russischen Staat je 16 000 Euro Schmerzensgeld erhalten. Samuzewitsch 5000 Euro. Zudem sollen ihnen Auslagen in Höhe von knapp 12 000 Euro erstattet werden. In einem anderen Fall wurden den Verwandten der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja wegen der weiterhin unerforschten Todesumstände 20 000 Euro zugesprochen. Werden alle das Geld auch wirklich erhalten? Ob solche internationalen Urteile umgesetzt werden - das entscheidet in Russland der Staatsgerichtshof. Landesrecht vor Menschenrecht.

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Zur Erinnerung: Im Februar 2012 hatten die drei Pussy-Riot-Frauen mit einem "Punk-Gebet" in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale kurze 41 Sekunden gegen die Nähe der Kirche zum russischen Staat demonstriert: "Jungfrau Maria, treib Putin hinaus", so sah man sie vor dem Altar skandieren. Wenige Tage zuvor noch hatte der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. Anti-Putin-Proteste vor der Präsidentschaftswahl gegeißelt. Nach ihrer Aktion wurden die Pussy-Riot-Musikerinnen festgenommen und wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" zu je zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Ein Beschluss, der weltweit viele Kritiker fand: Von Sting bis Madonna, von Obama bis Merkel.

Im Februar 2013 reichten die Musikerinnen Klage beim EGMR ein. Ihre Haftbedingungen verschlechterten sich, im Mai trat Aljochina in den Hungerstreik, Tolokonnikowa folgte bald. In ihrem Straflager müsse sie am Tag 17 Stunden arbeiten und werde mit dem Tod bedroht, ließ sie erklären. Als die Aktivistinnen (Samuzewitschs Strafe war mittlerweile abgeschwächt worden) am Ende dann doch drei Monate früher entlassen wurden, nannte Aljochina dies einen "PR-Gag" zum Beginn der Olympischen Winterspiele in Sotschi. Von der Fußball-WM 2018, in deren Finale gerade wieder vier Pussy-Riot-Mitglieder in Moskau das Spielfeld stürmten, war da noch nicht die Rede. Immerhin: Diesmal strafte die russische Justiz die Aktivisten nur mit 15 Tagen Haft ab.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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