Rückblick:Meilensteine des Benedikt-Pontifikats

Papst Benedikt XVI.

Papst Benedikt XVI. während seines Deutschland-Besuchs im Jahre 2006 während der Messe auf dem Islinger Feld in Regensburg

(Foto: dpa)

Vom Plausch mit Fidel Castro bis zum Wirbel um den Holocaust-Leugner Williamson, von der Regensburger Rede bis zum Skandal ums Münchner Missbrauchsgutachten. Die wichtigsten Stationen des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. und danach.

Von Martin Mühlfenzl, Oliver Das Gupta und Leopold Zaak

Reisen zu Castro und der Queen

Wie sein Vorgänger Johannes Paul II. unternahm Benedikt XVI. zahlreiche Auslandsreisen, unter anderem in Schwellen- und Entwicklungsländer, aber auch in die muslimische Welt. Benedikts Bemühen um Annäherung und Dialog spiegeln sich in seinen Visiten in der Türkei und anderen Staaten, die aus politischen Gründen teilweise jahrhundertelang einem katholischen Kirchenführer verschlossen blieben. So besuchte er unter anderem Russland und in Großbritannien die Queen, deren Vorgänger Heinrich VIII. einst mit dem katholischen Glauben brach. Auf Kuba plauderte der betagte Pontifex mit dem betagten Revolutionsführer Fidel Castro.

Skandal um Regensburger Rede

Auf seiner zweiten Deutschlandreise hielt Benedikt XVI. an der Universität Regensburg eine Vorlesung zum Thema "Glaube und Vernunft". Der Pontifex appellierte darin an die Friedfertigkeit der Menschen und erteilt religiös motivierter Gewalt eine Absage. Doch bereits kurz nach der Vorlesung brach ein wahrer Sturm über Benedikt XVI. herein. Denn der Papst zitierte eine Aussage des spätmittelalterlichen byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaigologos, der zufolge der Prophet Mohammed nur "Schlechtes und Inhumanes" gebracht habe.

Das "Papstzitat von Regensburg" löste in der islamischen Welt eine Welle des Protestes aus - teilweise inszeniert, vielerorts auch gewalttätig. Es kam sogar zu tödlichen Übergriffen. Ayatollah Ali Chamenei aus Iran sprach vom letzten "Glied eines Komplotts für einen Kreuzzug", Terror-Organisationen drohten dem Papst mit der Ermordung. Der Vatikan versuchte zu beschwichtigen und verwies darauf, dass Benedikt sich das Zitat nicht zu eigen machen wollte. Kritiker bemängelten dennoch das fehlende Gespür und eine gewisse Gedankenlosigkeit des Pontifex.

Diese Stimmen verstummten in der Folge - vor allem nach dem Türkei-Besuch des Papstes Ende 2006. Diese Station samt einem gemeinsamen Gebet mit dem Istanbuler Großmufti wurde ein wichtiger Beitrag der Aussöhnung der Religionen. Zudem wurde nach der kontroversen Debatte über die Regensburger Rede ein neues katholisch-muslimisches Forum gegründet, das den Dialog vorantreiben soll.

Enzykliken und Publikationen

Benedikt gehörte vor und nach seiner Papstwahl zu den aktivsten katholischen Gelehrten. Als eine der ersten Amtshandlungen veröffentlichte er am 28. Juni 2005 einen neuen Kurzkatechismus. Wenig später bringt er seine erste Enzyklika heraus. Sie trägt den Titel "Deus caritas est" ("Gott ist Liebe"). Sie befasst sich mit den verschiedenen Arten der Liebe, neben Caritas (Nächstenliebe) und Agape (göttliche Liebe) widmet sich Benedikt auch dem Eros - der Sexualität. Diese erste Enzyklika Papstes gilt gemeinhin als Programm der Amtszeit. Es folgten zwei weitere Lehrschreiben des deutschen Papstes: "Spe salvi" ("Auf Hoffnung hin gerettet") im November 2007. Und die Enzyklika "Caritas in veritate", ein Werk über "Die Liebe in der Wahrheit" im Juli 2009. Sie gilt als die große Sozialenzyklika des Papstes - als Kritik am marktwirtschaftlichen Liberalismus und der fortschreitenden Globalisierung.

Konservatives Weltbild, konservative Sexualmoral

Der Papst verfolgte grundlegend eine konservative Linie. Besonders deutlich wurde dies bei der Sexualmoral und in Fragen von Ehe und Familie. Mehrfach versuchte der Vatikan katholisch geprägte Länder wie Italien innenpolitisch zu beeinflussen. Vehement verwahrte er sich dem "Zeitgeist", der sich in seinen Augen in Homoehe, Frauenpriestertum, liberalen Abtreibungsgesetzen und Sterbehilfe manifestierte. Sexualität ist demnach nur in einer heterosexuellen Ehe möglich - wenn damit ein Kinderwunsch verbunden ist. Trotz der etwa in Afrika grassierenden Immunschwächekrankheit Aids lehnte der Papst den Gebrauch von Kondomen ab - ab 2010 mit einer Einschränkung. Damals erlaubte er ausnahmsweise männlichen Prostituierten, sie zu verwenden.

Missbrauchsskandale der Kirche

Das Pontifikat des deutschen Papstes fiel auch in eine Zeit, in der der massenhafte Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen bekannt wurde. In den Jahren 2006 bis 2008 sah sich Benedikt XVI. großen Verwerfungen innerhalb der katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten gegenüber. Eine Fülle von Fällen, in denen Kinder sexuell misshandelt oder geschlagen wurden, wurde öffentlich. Bei seiner Reise in die USA äußerte Benedikt, er sei "tief beschämt" über pädophile Priester und rief zur Reinigung und Erneuerung der Kirche auf.

Nachdem 2010 erste Fälle in Berlin bekannt wurden, war der Missbrauch in der Kirche auch in Deutschland ein öffentliches Thema. Und je länger die deutschen Bischöfe um den richtigen Umgang mit dem Skandal kämpften, stieg die Zahl der Opfer, die sich zu Wort meldeten. Der Papst aber hielt sich aus der deutschen Debatte lange heraus. Bei den irischen Opfern entschuldigte sich Benedikt XVI. 2012 per Hirtenbrief - er fühle Scham und Reue, hieß es damals.

2019 veröffentlichte Benedikt einen Aufsatz ("mit ausdrücklicher Genehmigung von Franziskus"), in dem er zum Missbrauchsskandal Stellung nahm. Eine seiner umstrittenen Thesen: Die 68er-Bewegung mit ihrer Haltung zu Sexualität habe den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche mitzuverantworten. Erst im Februar 2022 bat der emeritierte Papst um Entschuldigung, er empfinde "großen Schmerz".

Zuvor wurde das Münchner Missbrauchsgutachten veröffentlicht. Daraus ging hervor: In Benedikts Zeit als Erzbischof von München und Freising setzte er einen Priester in der Seelsorge ein, der zuvor mehrere Jungen sexuell missbraucht haben soll. Der Vorwurf lautete, Benedikt habe von den Vorwürfen gewusst. Dem widersprach er bis zuletzt.

Im November 2022 teilte Benedikt mit, er wolle sich diesbezüglich vor Gericht verteidigen. Ein Mann hatte eine Feststellungsklage gegen den Priester und gegen Joseph Ratzinger erhoben, der ihn eingesetzt hatte. Strafrechtlich wäre das Verfahren ohne Relevanz, lediglich der Frage der Schuld am Vertuschungsskandal wäre der Prozess am Landgericht Traunstein nachgegangen.

Papst Benedikt XVI und sein Sekretär Georg Gänswein

Vertraute: Papst Benedikt XVI und sein Sekretär Georg Gänswein (r) beim Angelus-Gebet in Lorenzago di Cadore bei Belluno im Jahre 2007

(Foto: dpa)

Annäherung an Orthodoxe, Ärger mit Protestanten

Der deutsche Papst mühte sich, das zersplitterte Christentum der katholischen Kirche näher zu bringen. Auffällig näherte sich Benedikt den mit Rom lange in Spannung liegenden orthodoxen Kirchen an. Gegenseitige Besuche im Vatikan, Moskau und Istanbul und demonstrative Gesten brachten die geistlichen Führer einander näher. Der Papst warb um unzufriedene Anglikaner-Priester und ermöglichte ihnen den Übertritt bei Beibehaltung eigener Traditionen. Weniger entgegen kam der Papst den Protestanten. Zwar suchte er auch hier den Dialog und besuchte Wirkungsstätten des Reformators Martin Luther bei seinem Deutschland-Besuch 2011.

Skandal um Holocaust-Leugner Williamson

Benedikt suchte in seinem Streben nach einer Einheit der Kirche auch die Annäherung an die erzkonservative Piusbruderschaft. Die Bruderschaft hatte sich nach dem 2. Vatikanischen Konzil mit dem Vatikan überworfen und eigene Bischöfe und Priester geweiht. Daraufhin waren sie exkommuniziert worden. Benedikt hob den Kirchenbann von vier Bischöfen auf - darunter Richard Williamson, der kurz zuvor den Holocaust geleugnet hatte. Im Internet war ein entsprechendes Video von Williamson abrufbar, das dem Vatikan nicht aufgefallen war. Die Kirchenführung distanzierte sich von Williamson. Das anfängliche Schweigen des Pontifex zu der Causa führte zu massiver Kritik. Unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte vom Papst eine Klarstellung, was von Kirchenseite wiederum als Einmischung abgekanzelt wurde. Bei anderen Gelegenheiten nahm der Papst entschieden Stellung gegen Antisemitismus.

Vatileaks

Das Jahr 2011 hielt für den Pontifex stets neue Überraschungen bereit. Immer wieder gelangten interne Dokumente an die Öffentlichkeit, die sich mit Korruption, Günstlingswirtschaft und Missmanagement hinter den Mauern des Vatikans beschäftigten. Zudem wurde Kritik am Verwaltungsratspräsidenten der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, laut. Für Benedikt XVI. waren es bewegte Zeiten. Denn in der Folge nahm die Affäre, "Vatileaks" genannt, ihren Lauf. Die Weitergabe vertraulicher Dokumente beschäftigte den Vatikan nicht zuletzt seit der Buchveröffentlichung des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi, der in seinem Werk "Sua Santita" geheime Schreiben veröffentlichte.

Unter den gestohlenen Schriften befanden sich auch private Briefe des Papstes an seinen Sekretär Georg Gänswein. Im April 2012 reagierte der Papst und setzte eine Untersuchungskommission ein. Nur einen Monat später wurde der Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, festgenommen und unter Hausarrest gestellt. Als Komplize des Kammerdieners galt der Informatiker Claudio Sciarpelletti, der sich ebenfalls vor Gericht verantworten musste. Im Zuge der Vatileaks-Affäre entließ Benedikt XVI. im Mai 2012 auch den Chef der Vatikanbank. Sowohl Paolo Gabriele als auch Claudio Sciarpelletti befinden sich trotz der Verurteilung durch ein Gericht des Vatikans wieder in Freiheit. Benedikt XVI. hat ihnen vergeben.

Innerkirchliche Weichenstellungen

Benedikt reformierte in den Jahren seines Pontifikats nicht die Grundausrichtung der Kirche, wohl aber die Kurie. Er straffte die Organisation und legte mehrere Organe zusammen. Außerdem stellte der Pontifex mit seiner Personalpolitik die Weichen für die Zeit nach ihm: Er berief Dutzende neue Kardinäle, darunter einige Deutsche und besetzte Schlüsselpositionen in der Kirche neu. Damit nimmt er Einfluss auf die Macht- und Mehrheitsverhältnisse im Konklave, das seinen Nachfolger wählt. Auch seinen Vertrauten und Sekretär Georg Gänswein wertete Benedikt auf: Ihn beförderte er im Dezember 2012 zum Erzbischof und Präfekten des Päpstlichen Hauses.

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