Michael Schumachers Skiunfall:Ein Rennen auf Leben und Tod

Michael Schumacher liegt nach seinem Skiunfall im künstlichen Koma. Nicht einmal seine Ärzte kennen das genaue Ausmaß der Verletzungen. Aber sie haben eine Hoffnung.

Von René Hofmann

Michael Schumachers öffentliches Leben hat sich bisher zu großen Teilen vor bunt beklebten Wänden abgespielt. Firmen nutzen gerne die Aufmerksamkeit, die die Formel 1 bringt, um ihre Werbung zu platzieren. Wann immer Schumacher auftrat, musste er sich deshalb nicht nur eine Schildkappe aufsetzen, er musste sich auch vor eine Sponsorenwand stellen.

Auch an diesem Montag gab es im Universitätsklinikum in Grenoble eine Pressekonferenz, bei der Michael Schumacher die Hauptrolle spielte. Aber diesmal sprach er nicht selbst. Hinter einem dichten Mikrofon-Strauß setzten sich ein stellvertretender Klinikdirektor und vier Ärzte vor eine krankenhausweiße Wand, womit schon auf den ersten Blick klar war: Hier geht es um etwas anderes als um Rundenzeiten. In den nächsten Stunden, vielleicht auch Tagen oder Wochen geht es für Michael Schumacher um die größte Frage überhaupt: Leben oder Tod?

Professor Jean-François Payen, der Leiter der Anästhesie-Abteilung, sitzt da hinter den Mikrofonen, Professor Emmanuel Gay, der Chef der Neurochirurgie, und Professor Stephan Chabardès, der Schumacher operiert hat. Außerdem Professor Gérard Saillant, eine Koryphäe der Gehirnchirurgie aus Paris. Hochgelehrt alle vier, Profis. Was sie sagen, klingt nicht gut. Schumacher sei beim Skifahren mit der rechten Schädelseite bei hoher Geschwindigkeit auf einen Fels geprallt. Hätte er keinen Helm getragen, hätte er den Unfall nicht überlebt. Doch auch so sei nicht abzusehen, wie es mit ihm weitergeht. Sein Zustand sei "außerordentlich ernst".

firo Formel 1 Hockenheim 20.07.2012

Als aktiver Formel-1-Fahrer war Michael Schumacher bekannt für seinen Perfektionismus - selbst in schmerzhaften Situationen.

(Foto: firo Sportphoto)

Kurz nach dem Unfall noch bei Bewusstsein

Schumacher war am Sonntag um kurz nach elf Uhr bei gutem Wetter im Skigebiet Méribel in den französischen Alpen gestürzt. Er war nicht allein unterwegs und befand sich abseits des 2783 Meter hohen Gipfels Saulire zwischen einer roten und einer blauen Piste - also nicht allzu anspruchsvollen Pisten - im Gelände. Offenbar aber nicht sehr weit, denn sein Sturz wurde, so berichtete es zumindest der Direktor der Skistation einem Radiosender, von Skifahrern auf der Piste beobachtet.

Schon kurz nach dem Unglück erreichten Skiretter Schumacher, der da noch bei Bewusstsein war, allerdings nicht auf Fragen antwortete, fahrig wirkte und nicht zu hundert Prozent kontrolliert war. Ein Helikopter brachte ihn ins Krankenhaus von Albertville-Moutiers, von dem er wenig später nach Grenoble verlegt wurde. Im Universitätsklinikum fertigten die Experten eine MRT-Aufnahme seines Gehirns, nach deren Auswertung sie sich umgehend zu einer Operation entschlossen.

"Er hatte Blutergüsse, aber auch Verletzungen im Gehirn erlitten, Prellungen", führt nun der Neurochirurg Gay vor den Journalisten aus. "Diffuse", "im Gehirn weit verbreitete" Verletzungen seien es gewesen, ergänzt Operateur Chabardès. Es habe einen Eingriff gegeben, nicht zwei, wie von manchen Medien spekuliert. Eine weitere Operation sei nicht geplant. Nach dem Eingriff sei Schumacher an die Fachleute der Abteilung "Wiederbelebung" übergeben worden.

Deren Chef, der Anästhesist Payen, bestätigt, dass es in dieser Zeit zumindest "eine sehr kritische Situation" gegeben habe. Schumacher werde nun in künstlichem Koma gehalten bei einer Körpertemperatur zwischen 34 und 35 Grad, um möglichst wenig Reize auf sein Hirn wirken zu lassen. Er bekomme entwässernde Mittel, "damit sich der Druck im Gehirn nicht weiter aufbaut". "Noch", sagt Payen, "befinden wir uns in der Wiederbelebungsphase".

Wie lange die sich ziehen kann? "Wir schauen Stunde für Stunde", erklären die Ärzte, "wir arbeiten Minute um Minute, um ihn zu retten." Ob Schumachers gut trainierter Körper bei der Rekonvaleszenz eine Hilfe sein kann? "Bei einem 70-Jährigen gäbe es sicher einen anderen Verlauf als bei einem so gut trainierten 44-Jährigen." Ob derlei Verletzungen beim Skifahren häufig vorkommen? "Leider ja. Deshalb werben wir ja so vehement dafür, einen Helm zu tragen."

Keine konkreten Aussagen der Ärzte

Die Fragen sind konkret, doch die Ärzte bleiben vage. Wie sieht die mittelfristige Perspektive aus? "Wir wissen, was wir tun müssen. Wir wissen, was wir erwarten können." Ist mit Langzeit-Schäden zu rechnen? "Wir können augenblicklich keine Aussage zum Krankheitsbild abgeben." Wann mit weiteren Informationen zu rechnen ist? "Wenn wir es für angemessen halten."

Am wenigsten in der Runde spricht der Älteste: Gérard Saillant. Der 68-Jährige kennt Schumacher schon lange. Saillant war es, der Schumacher 1999 betreut hatte, nachdem dessen Ferrari sich beim Großbritannien-Grand-Prix nach einem Bremsdefekt frontal in einen Reifenstapel gebohrt hatte. Bei dem Crash hatte Schumacher sich das Bein gebrochen und - um seine Familie und die Fans vor den Fernsehern zu beruhigen - unmittelbar nach dem Unfall demonstrativ gewinkt. Alles nicht so schlimm, wird schon wieder, hatte das heißen sollen.

Legendäres Streben nach Perfektion

Schumacher befand sich damals in einer aussichtsreichen Lage, nach 20 Jahren Ferraris Titel-Dürre zu beenden, und sein Perfektionsstreben ging tatsächlich so weit, dass er selbst in einer so schmerzhaften Situation noch überlegte, welche Botschaft er senden wollte.

Das Bein bekam Saillant damals wieder hin, Schumacher verpasste ein paar Rennen, weshalb ein anderer Weltmeister wurde, Mika Häkkinen im McLaren-Mercedes. Danach aber begann Schumachers Hochphase: fünf Titel nacheinander, sieben insgesamt. Kein anderer hat das bisher geschafft. In der Zeit entstand das Band zu Saillant. Schumacher gehört zu den Gründungsmitgliedern von dessen Institut für Hirn- und Knochenmarkforschung (ICM) im Krankenhaus Pitié Salpêtrière in Paris.

Auf medizinische Fragen wolle er gar nicht antworten, sagt Gérard Saillant am Montag in Grenoble. Er sei als Freund der Familie herbeigeeilt. So traurig wie er dabei aussieht, ist zu ahnen: Nur als Freund kann er offenbar im Moment helfen.

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