Mexiko:Limousinen fürs Volk

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Die Regierung versteigert Luxusautos: Die Karossen wurden bei Kartellbossen und korrupten Politikern beschlagnahmt. Die Einnahmen werden für wohltätige Zwecke verwendet - Robin Hood auf Mexikanisch sozusagen.

Von Christoph Gurk

Da wäre zum Beispiel jener Lamborghini, Modell Murciélago, grau-silberne Lackierung, gepflegter Zustand. Eingangsgebot: 70 000 Euro, ein Schnäppchen, könnte man sagen, wäre da nicht der kleine Haken mit dem unbekannten Vorbesitzer: Im besten Falle wäre das ein korrupter Politiker, im schlimmsten Falle aber der sadistische Boss eines der grausamen mexikanischen Kartelle, jemand also, der durchaus imstande ist, Knochen zu brechen und Gliedmaßen zu amputieren, nur um nach einem längeren Gefängnisaufenthalt endlich wieder in den Besitz seines geliebten Autos zu kommen.

Es waren keine gewöhnlichen Pkw die am Sonntag in Mexiko-Stadt versteigert wurden: Insgesamt 82 Luxuskarossen, Kleinwagen und Laster kamen unter den Hammer, darunter eine knallrote Corvette, gepflegte Ford Mustangs und ein Jaguar Coupé. Das günstigste Angebot lag bei knapp 500 Euro für einen VW-Käfer, das teuerste bei jenen 70 000 Euro für den Lamborghini, Startpreis wohlgemerkt, schließlich wurden die Wagen versteigert und das auch noch für einen guten Zweck: Alle Einnahmen sollen zwei benachteiligten Gemeinden in den mexikanischen Bundesstaaten Oaxaca und Guerrero zugutekommen. Aus dem Verkauf ehemaliger Kartell-Karossen soll am Ende das Geld für Krankenhäuser kommen, so die romantische Idee.

Auftakt zu ähnlichen Versteigerungen

Die Automobil-Auktion ist dabei nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe ähnlicher Versteigerungen: Nach eingezogenen Wagen sollen im nächsten Monat beschlagnahmte Luxusimmobilien verkauft werden. Ihnen sollen dann in einer weiteren Auktion noch Schmuck und Geschmeide nachfolgen. Die Häuser und Juwelen stammen dabei genauso wie die Limousinen und Sportwagen vor allem aus dem Besitz von verhafteten Drogenkriminellen oder korrupten Politikern - und immer geht der Erlös an wohltätige Zwecke. 56 Millionen Euro sollen die Auktionen allein dieses Jahr bringen, hofft man beim "Institut für die Rückgabe gestohlener Güter an das Volk", kurz Indepuro, eine staatliche Einrichtung, die von der mexikanischen Regierung extra für die Organisation der Auktionen geschaffen wurde. Die Aufgabe von Indepuro sei es, der Bevölkerung das zurückzugeben, was ihr eigentlich ohnehin gehöre, und zwar auf transparente Weise und mit klarem Ziel, sagte Ricardo Rodríguez Vargas, der designierte Chef, als das Institut vergangene Woche der Öffentlichkeit vorgestellt wurde: "Früher hat man das Volk beraubt und die Korrupten beschenkt. Damit ist jetzt Schluss."

Die Idee zu Indepuro stammt dabei von niemand Geringerem als Mexikos Präsidenten Andrés Manuel López Obrador. "Alles, was wir beschlagnahmen, soll den Menschen zugutekommen", sagt er und vergleicht seine Politik mit den Taten von Robin Hood, schließlich habe der ja auch von den Reichen genommen, um den Armen zu geben. López Obrador ist der erste linke Präsident in der Geschichte des Landes. Im Juli vergangenen Jahres wurde er vor allem deshalb ins Amt gewählt, weil er so schön anders ist. López Obrador, von Fans wegen seiner Initialen AMLO genannt, gehört keiner der beiden traditionellen mexikanischen Parteien an, er ist ein Außenseiter und Populist, der seine Bescheidenheit demonstrativ zur Schau stellt. Schon vor Amtsantritt kündigte er an, seine Bezüge um die Hälfte zu kürzen, und die Boeing 787-8, mit der seine Vorgänger zu Staatsempfängen jetteten, steht heute zum Verkauf, weil López Obrador nur Linie fliegt. Viele Mexikaner feiern AMLO für diese Symbolpolitik, die Stimmung aber kippt. López Obrador war angetreten, um Korruption und Verbrechen zu bekämpfen und die Wirtschaft anzukurbeln.

400 potenzielle Käufer registriert

Die schwächelt nun aber und die Mordrate steigt unaufhörlich weiter. Umso wichtiger sind darum öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wie die Gründung des Indepuro. Dabei spielt auch keine Rolle, dass es längst eine staatliche Abteilung für die Versteigerung von beschlagnahmten Gütern gibt, den "Service für die Verwaltung und Veräußerung von Gütern", was aber bei Weitem nicht so gut klingt wie "Institut für die Rückgabe gestohlener Güter an das Volk". Und weil es eben um Symbole geht, fand die erste Auktion von Indepuro auch in Los Pinos statt, dem ehemaligen Präsidentenpalast, den López Obrador nach Amtsantritt für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, weil er ohnehin lieber in seinem Haus in Mexiko-Stadt wohnen bleiben wollte. 400 potenzielle Käufer hatten sich registrieren lassen und konnten zuvor die Wagen begutachten. Nicht alle stammten übrigens aus Beschlagnahmungen, einige kamen auch aus dem Besitz des Präsidialamts: gepanzerte Limousinen, die nicht mehr gebraucht werden, weil AMLO am liebsten sein Privatauto benutzt, einen weißen VW Jetta, Baujahr 2013.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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