Katholische Kirche:Papst bezieht Position in Reformdebatte - aber nicht zum Missbrauchsskandal

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Papst Franziskus während seiner wöchentlichen Generalaudienz (Foto: dpa)
  • Mit einem persönlichen Brief "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" hat sich Papst Franziskus in die Reformdebatte eingeschaltet.
  • Darin signalisiert das Kirchenoberhaupt ein Ja zum synodalen Reformprozess, macht aber auch deutlich, dass es ihm um mehr als strukturelle Anpassungen geht.
  • Der Skandal um sexuelle Gewahlt durch Kirchenvertreter, die die Vertrauenskrise der Kirche erst ausgelöst hatte, bleibt unerwähnt.

Von Matthias Drobinski

Die katholische Kirche in Deutschland steckt in der Vertrauenskrise, spätestens seit im Herbst eine Studie das Ausmaß der sexualisierten Gewalt durch Priester und Ordensleute gegen Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene ahnen ließ. Die Bischofskonferenz will gemeinsam mit den Laienverbänden einen "Synodalen Weg" gehen, um aus der Krise wieder herauszukommen - und Papst Franziskus schreibt nun allen Katholiken im Land einen aufmunternden Brief - das klingt zuerst einmal rundum positiv.

Tatsächlich rechtfertigt das eben gerade veröffentlichte Schreiben "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" weder die Sorgen der Reformer noch die Hoffnung der Konservativen, die es im Vorfeld dieser Veröffentlichung gegeben hat: der Papst könnte der Debatte über die Zukunft der katholischen Kirche klare Grenzen setzen und zum Beispiel die Diskussion über eine mögliche Weihe von Frauen zu Diakoninnen, gar Priesterinnen so harsch für beendet erklären, wie das sein Vor-Vorgänger Johannes Paul II. getan hatte.

Katholiken sollen rein ins pralle Leben

Der Papst beklagt "die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens" in Deutschland und lobt das Ansinnen, dem mit einer gründlichen Beratung nachzugehen, die von unten nach oben geht und sich nicht nur auf die Bischöfe beschränkt. Er warnt vor dem Rückzug aus der Welt und der Versuchung, "zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen" sei.

Nötig sei vielmehr eine "pastorale Bekehrung": Die Katholiken müssten sich "öffnen und hinausgehen, um ihren Schwestern und Brüdern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind". Sie sollen, so Franziskus, "den alten und neuen Formen der Sklaverei, welche Männer und Frauen gleichermaßen verletzen, die Maske herunterreißen, besonders heute, da wir immer neu ausländerfeindlichen Reden gegenüberstehen, die eine Kultur fördern, die als Grundlage die Gleichgültigkeit, die Verschlossenheit sowie den Individualismus und die Ausweisung hat".

Das ist ein klares Statement - und mit der Analyse, dass in der reichen und wohlgeordneten Kirche in Deutschland gerne über bürokratische Strukturreformen und weniger über die Umkehr der Herzen geredet wird, trifft der Papst einen Nerv. Der Brief ist ein klares Ja zum synodalen Prozess und damit auch eine Ermahnung an die konservativen Bischöfe, sich auf den Weg der Veränderung einzulassen. Der Papst macht aber auch klar, dass es bei den anstehenden Beratungen um mehr geht, als nur über den Zölibat oder die Frauenweihe zu reden: Die Katholiken in Deutschland sollen raus aus ihren bequemen Kirchenstrukturen und rein ins pralle Leben.

Mutmaßlich zu wenig für die Frauen in der Kirche

Die Zerrissenheit der Bischofskonferenz wird das nicht beenden, wie das erste Statement des Regensburger Generalvikars Michael Fuchs zeigt, der aus dem Schreiben interpretiert, der synodale Prozess könne "nicht so stattfinden wie geplant". Ähnliches gilt für die katholische Kirche insgesamt, denn es stecken sehr wohl einige Mahnungen in dem Text, nicht zu weit zu gehen mit möglichen Forderungen. Franziskus mahnt, den "sensus ecclesiae" nicht zu vergessen, den Sinn für die katholische Weltkirche, der "von der Eigenbrötelei und ideologischen Tendenzen" befreie. Er betont zwar die "Schönheit des vielgestaltigen Angesichts der Kirche" und dass Tradition nicht bedeute, "lediglich die Asche zu bewahren". Aber die Botschaft ist klar: Macht nichts, was das infrage stellen könnte, was weltkirchlich fest beschlossen ist. Doch gerade vielen Frauen in den Gemeinden dürfte das zu wenig sein.

Einen Grund für die tiefe Krise erwähnt das Schreiben mit keinem Wort: die Aufdeckung der weit verbreiteten sexualisierten Gewalt in der Kirche. Das Vertrauen in die katholische Kirche ist ja nicht einfach so verdunstet. Es wurde aktiv zerstört.

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