Glamorama:Royale Würstchen

London Celebrates The Queen Becoming The Longest Serving Monarch

Bei königlichen Geburten kennt der Brite kein Understatement: Stadtschreier Tony Appleton bei der Arbeit.

(Foto: Ben Pruchnie/Getty Images)

Märchenhochzeit kann ja heutzutage jeder, Märchengeburt ist immer noch ein Show-Privileg der Gekrönten. Königsfamilien und ihre Babys.

Von Max Scharnigg

Auf Youtube gibt es ein wirklich sagenhaftes Video mit dem Titel: Kungafamilijen stoppa korv. Darin ist eine junge Schwedenkönigin Silvia mit ihren Kindern und Gatte Carl XVI. Gustaf (in Schürze und Krawatte) zu sehen und zwar beim heiteren Wurstmachen in der Schlossküche. Der Film ist so weich gezeichnet wie ein Abba-Video, was den deftigen Vorgang aber nur sehr unwesentlich abmildert. Eine Szene, in der Silvia nachdenklich die erste pralle Wurst streichelt, hätte vor hundert Jahren jedenfalls noch umgehend zu Unruhen geführt.

Das Video stammt jedoch aus dem Jahr 1985, und die sagenhafte Hemdsärmeligkeit der schwedischen Königsfamilie hat sich seitdem eher noch verstärkt. Genau wie die kleinen Wurstprinzessinnen von damals, die heute stattliche Repräsentanten sind und mittlerweile im Akkord für den Erhalt der eigenen Linie sorgen. Im Umgang mit den freudigen Ereignissen geht man dabei ebenso locker vor wie beim Wurststopfen, das wurde jetzt bei der Geburt des Prinzen Oscar wieder deutlich. Das vom treuen Volk ersehnte erste Bild nach der Geburt? Ein unscharfes Handyfoto, aufgenommen auf dem Krankenhausflur, im Hintergrund Desinfektionskram. Prinzessin Victoria und Prinz Daniel stehen da schief im Neonlicht mit Babytrage, als wären es Mike und Moni aus Straßlach-Dingharting. Das erste Bild nach der Geburt von Tochter Estelle war vor vier Jahren fast deckungsgleich, gleicher Flur, zerdrückte Frisur, die Füße abgeschnitten. So viel Bodenhaftung. Man kann froh sein, wenn beim dritten Kind nicht gerade jemand durchs Bild geschoben wird.

Aber Hemdsärmel-Agenda hin oder her: So werden doch keine neuen Thronanwärter präsentiert! Wenn die Aristokratie schon nur noch repräsentativ ist, dann soll sie das gefälligst auch sein. Märchenhochzeit kann ja heutzutage jeder, Märchengeburt ist immer noch ein Show-Privileg der Gekrönten.

Die britischen Royals, die sich dank bürgerlicher Infiltration in den letzten Dekaden ja nicht mehr ganz zwischen Hemdsärmel und Hofzeremoniell entscheiden können, handhaben wenigstens noch diese Details sehr sorgfältig. Über-Prinzessin Catherine ("Kate") beispielsweise war nach ihren Geburten nicht nur binnen Stundenfrist wieder auf den Beinen, sondern auch so herausgeputzt, dass sie neben einem sorgfältig auf Hausmann getrimmten William für ein aufgeräumtes Renommierfoto im allerbesten Licht bereitstand - mit Wind im Haar, solider Glückspose und fein abgestimmter Garderobe. So sieht eine wirklich würdevolle publizistische Nachgeburt aus. Und bevor es so weit ist, sorgt in London auch noch stets ein höfischer Stadtschreier in vollem Ornat vor dem Krankenhaus für Ruhe und liest lauthals Name und Thronfolge des neuen Aristokraten vom Pergament ab, gefolgt von Vivat-Rufen.

Man kann darüber lachen, aber mit so einer Show wird das Volk wenigstens daran erinnert, was es mit dem Adel mal auf sich hatte. Wurst machen kann es seit jeher selber.

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