Chronik:Eine bischöfliche Affäre

Bischof Tebartz-van Elst

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst steht in der Kritik, nun hat die Staatsanwaltschaft Strafantrag gegen ihn gestellt.

(Foto: dpa)

Bei seiner Amtseinführung in Limburg war Franz-Peter Tebartz-van Elst 48 Jahre alt und damit der jüngste deutsche Diözesanbischof. Doch dann wurde er zu Deutschlands umstrittensten Kirchenmann.

Eine Chronologie der Ereignisse.

Februar 2007: Der Vorgänger von Tebartz-van Elst, Franz Kamphaus, wird 75 Jahre alt und tritt von seinem Amt als Bischof von Limburg zurück. Während der bischofslosen Zeit beschließt das Domkapitel Limburg, eine Residenz für den neuen Bischof auf dem Domberg zu bauen. So will man ihm ermöglichen, in der Nähe des Domes zu wohnen und zu arbeiten.

20. Januar 2008: Franz-Peter Tebartz-van Elst wird als neuer Bischof im Limburger Dom eingeführt. Zuvor war er Weihbischof in Münster. Bei der Amtseinführung ist Tebartz-van Elst 48 Jahre alt und damit der jüngste deutsche Diözesanbischof.

Mai 2010: Der Bau des neuen Bischofshauses beginnt. Das Bistum hat für das Projekt 5,5 Millionen Euro eingeplant.

10. Januar 2012: Der Bischof fliegt mit seinem Generalvikar Franz Kaspar nach Indien. Dort will sich Tebartz-van Elst ein Bild über verschiedene soziale Projekte machen, die das Bistum bereits unterstützt oder die dafür in Frage kommen. Die beiden nehmen den Flug LH 754 der Lufthansa von Frankfurt am Main nach Bangalore und kommen am 11. Januar um 1.20 Uhr morgens am Flughafen an. Erst gegen 3.30 Uhr erreichen sie ihre Unterkunft, bereits um 6.30 Uhr steht eine Messe auf dem Programm.

5. April 2012: Die Spiegel-Redaktion fragt beim Bischof an, ob es stimme, dass dieser erster Klasse nach Indien geflogen sei und erhält als Antwort, dass für die Indienreise "Business-Class zu einem Sondertarif" gebucht worden sei.

11. August 2012: Ein Spiegel-Redakteur trifft in Limburg auf Franz-Peter Tebartz-van Elst und fragt diesen noch einmal persönlich, ob er in der ersten Klasse nach Indien geflogen sei. Der Bischof antwortet, mit der Business-Class geflogen zu sein. Auf das Zusammentreffen folgt eine längere juristische Korrespondenz zwischen den Anwälten des Bischofs und der Spiegel-Redaktion. An dessen Ende steht das Eingeständnis, dass der Bischof doch in der ersten Klasse geflogen ist.

19. August 2012: Das Bistum verschickt an alle Mitarbeiter und Gremienmitglieder der Diözese Limburg "einen Bericht zu den tatsächlichen Fakten und den unzutreffenden Behauptungen", damit diese über den Stand der Baumaßnahmen auf dem Domberg korrekt informiert werden. Darin werden die Räumlichkeiten im künftigen "Diözesanen Zentrum St. Nikolaus" detailliert beschrieben, so auch die Drei-Zimmer-Wohnung für den Bischof: ein Ess- und Wohnzimmer, eine Küche und darunter ein Schlafzimmer mit Bad. Bereits in dieser Mitteilung kündigt das Bistum an, dass sich der angestrebte Kostenrahmen wohl nicht einhalten lasse.

20. August 2012: Der Spiegel berichtet im Artikel "First Class in die Slums" über die Reise von Franz-Peter Tebartz-van Elst nach Indien. Darin beschreiben die Autoren, dass der Bischof und sein Generalvikar in der ersten Klasse bei Champagner und Kaviar nach Bangalore geflogen seien. Das Diözesane Zentrum wird darin als "Prunkbau" bezeichnet, der nur schwer mit dem Sparkurs des Bistums zu vereinbaren ist. Auf Spiegel Online wird zudem ein Teil des Gesprächs vom 11. August wiedergegeben. Der Artikel ist aus rechtlichen Gründen inzwischen nachbearbeitet worden. Darin wird der Bischof zitiert, dass er in der Business-Class geflogen sei.

Eine eidesstattliche Erklärung und eine Führung

7. September 2012: Bischof Tebartz-van Elst gibt eine eidesstattliche Erklärung ab, wonach es keine Nachfrage des Spiegel-Redakteurs "Aber Sie sind doch erste Klasse geflogen?" und nicht die darauffolgende Antwort "Business-Klasse sind wir geflogen" gegeben habe. Der Redakteur kann diesen Gesprächsverlauf jedoch mit einem offen gefilmten Video beweisen.http://www.sueddeutsche.de/panorama/umstrittener-limburger-bischof-strafverfahren-gegen-tebartz-van-elst-eingestellt-1.1821376

3. Dezember 2012: Der Bischof führt Journalisten und Medienvertreter durch das neue Zentrum. "Es geht hier nicht um Prunk oder Protz", sagt Tebartz-van Elst. Diözesanbaumeister Tilmann Staudt erklärt, dass man den Kostenrahmen nicht einhalten könne. Als Gründe dafür nennt Staudt den Sanierungsbedarf an den historischen Gebäuden, Voruntersuchungen sowie die Bestandsicherung der historischen Mauern. "Wir mussten zudem verschiedenen Auflagen entsprechen und unserer kulturhistorischen Verantwortung nachkommen", so Staudt.

Bischof Tebartz van-Elst

Franz-Peter Tebartz-van Elst bei der Führung am 3. Dezember 2012, hier im Innenhof des Diözesanen Zentrums.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

29. Juni 2013: Die Dienst- und Verwaltungsräume im Diözesanen Zentrum werden eingeweiht. Nach Angaben des Bistums belaufen sich die Baukosten inzwischen auf 9,85 Millionen Euro.

25. August 2013: Die zum Bistum Limburg gehörende Stadtversammlung Frankfurter Katholiken sammelt mit einem offenen Brief Unterschriften gegen Bischof Tebartz-van Elst. Darin heißt es: "Wir teilen die Auffassung der Priester im Hofheimer Kreis und vieler hauptamtlicher Mitarbeiter/innen im Bistum, dass die Zukunft unseres Bistums in hohem Maße gefährdet ist. Die Bistumsleitung muss umgehend einen anderen Weg einschlagen, will sie die katholische Kirche in unserem Bistum und darüber hinaus glaubhaft und glaubwürdig vertreten." Knapp zwei Wochen später wird der Brief dem Bischof übergeben. Er trägt 4400 Unterschriften.

31. August 2013: In einem offenen Brief wendet sich Tebartz-van Elst an die Mitarbeiter und alle Katholiken im Bistum und zeigt öffentlich Reue. "Manches, was in den letzten Wochen gesagt und geschrieben worden ist, hat mich verletzt. Anderes hat mich auch nachdenklich gemacht und dazu beigetragen, dass ich einige Entscheidungen heute mitunter in einem anderen Licht sehe. Rückblickend gibt es Dinge, die ich anders angehen würde", schreibt er.

1. September 2013: Der Spiegel berichtet über heimlich aufgenommene Fotos von der Baustelle, die das Ausmaß der Baumaßnahmen dokumentieren sollen. Handwerker hätten diese aufgenommen, sie hätten sich über die ständigen Änderungswünsche empört. Inzwischen ist von Baukosten zwischen 15 und 20 Millionen Euro die Rede. Der Sprecher des Bischofs begründet diese vor allem mit den Anforderungen des Denkmalschutzes.

"Brüderlicher" Besuch aus dem Vatikan und ein Strafbefehl

9. September 2013: Der Papst schickt Kardinal Giovanni Lajolo zu einem "brüderlichen Besuch" in das Bistum Limburg. Lajolo soll den "brüderlichen Austausch" mit dem Bischof, dem Domkapitel und anderen relevanten Personen führen "um wachen Auges auf die Gegebenheiten Ihrer Ortskirche zu schauen, die Geister zu unterscheiden helfen, gegebenenfalls brüderlich zu ermahnen, vor allem aber um Ihren bischöflichen Dienst zu stützen und zum Frieden und zur Einheit zu ermutigen", so Kurienkardinal Marc Ouellet in einem Brief an Tebartz-van Elst. Der Mainzer Kardinal Lehmann nennt den Besuch "ein Alarmzeichen."

14. September 2013: Zum Abschluss von Lajolos Besuch kündigen Tebartz-van Elst und das Domkapitel an, alle Kosten der Baumaßnahmen im Bischöflichen Ordinariat feststellen zu lassen und einer Kommission der Deutschen Bischofskonferenz zur Prüfung zugänglich zu machen.

27. September 2013: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch ergreift Partei für Tebartz-van Elst. Zum Abschluss der Herbstvollversammlung sagt Zollitsch, dass er ihn nach Kräften unterstütze und aus kollegialer Solidarität hinter ihm stehe. Noch zu Beginn des Bischofstreffens hatte Zollitsch den Limburger Bischof kritisiert: "Die ganze Kirche in Deutschland leidet darunter. Wir alle sind davon betroffen."

7. Oktober 2013: Das Bistum meldet die endgültige Summe, die für die Baumaßnahmen des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus benötigt wurden. Demnach kosteten der Neubau und die Sanierungsarbeiten etwa 31 Millionen Euro. Gleichzeitig kündigt das Bistum an, alle entsprechenden Unterlagen an die Prüfungskommission der Deutschen Bischofskonferenz weiterzuleiten.

Herbstvollversammlung Deutsche Bischofskonferenz

Der Limburger Bischof während des Eröffnungsgottesdienstes der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda.

(Foto: dpa)

9. Oktober 2013: Das konservative "Forum Deutscher Katholiken" meldet, dass sich auf dessen Unterstützerliste für den Bischof 4300 Menschen eingetragen haben und bezeichnet die Vorwürfe gegen Tebartz-van Elst als "Vorwand, um einen romtreuen Bischof wegzubringen, der sich der Lehre der Kirche verpflichtet fühlt und danach handelt."

10. Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft Hamburg teilt mit, am 25. September 2013 einen Strafbefehl gegen Franz-Peter Tebartz-van Elst beantragt zu haben. Es geht um die Aussagen des Bischofs über seinen Flug nach Indien. Ihm wird vorgeworfen, in zwei Fällen eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben zu haben.

Am gleichen Tag wird bekannt, dass bei der Staatsanwaltschaft Limburg vier Strafanzeigen gegen den Bischof eingegangen sind. Die Anklage prüft daher nun einen Untreueverdacht im Zusammenhang mit der Kostenexplosion beim Bau des Bischofssitzes.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, kündigt an, in der kommenden Woche in Rom mit dem Papst über die Sache sprechen zu wollen. Er nehme die Situation im Bistum Limburg ernst und kündigt an, dass die Prüfungskommission in Kürze ihre Arbeit aufnehmen werde.

11. Oktober 2013: Mehrere einflussreiche Katholiken kritisieren Bischof Tebartz-van Elst. Neben Robert Zollitsch meldet sich auch der Präsident das Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, zu Wort. "Es sind rasche Entscheidungen notwendig", sagte der CSU-Politiker dem Kölner Stadt-Anzeiger. Nach Informationen des Amtsgerichts in Limburg sind im Bistum in den vergangenen zwei Tagen etwa 50 Menschen aus der Kirche ausgetreten. Normal sind ein bis zwei Austritte pro Tag.

12. Oktober 2013: Schon jetzt sind die Kosten für die Limburger Residenz enorm. Doch Berichten zufolge könnte der Bau sogar noch viel teurer werden als bislang befürchtet: Die Rede ist von bis zu 40 Millionen Euro.

13. Oktober 2013: Bußgang zum Papst: Bischof Tebartz-van Elst wird gesichtet, als er in einer Linienmaschine nach Rom fliegt. Dort will er in Gesprächen die Vorkommnisse in seinem Bistum erklären. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet, dass Tebartz-van Elst mit dem Besuch seinem Kritiker Robert Zollitsch zuvorkommen möchte.

Der Bischof weilt ihn Rom, derweil braut sich vor seiner Residenz in Limburg Unmut zusammen. Nach dem Gottesdienst am Sonntag versammeln sich zahlreiche Gläubige vor dem Dom und dem bischöflichen Amtssitz.

Erzbischof Zollitsch spricht mit Papst Franziskus über Causa Tebartz

14. Oktober 2013: Im Dezernat für Finanzen, Verwaltung und Bau des Bistums Limburg sitzen erfahrene Leute. Doch mit dem Umbau der Limburger Residenz haben diese Fachleute nichts zu tun. "Niemand hier wusste irgendetwas über die Kosten", sagt Finanz- und Baudezernent Gordon Sobbeck über seine Abteilung, der immerhin 180 Beschäftigte angehören. "Es herrschte Verschwiegenheit bei der Abwicklung der Baumaßnahmen auf dem Domberg."

Der Grund: Für den Bau des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus und der Bischofsresidenz ist nicht das Bistum zuständig, sondern - ausnahmsweise - der Bischöfliche Stuhl, eine der drei großen kirchlichen Körperschaften im Reiche des Tebartz-van Elst. Der Bischöfliche Stuhl aber unterliegt nicht der Kontrolle des Finanzdezernenten und seinen Fachleuten. Die tatsächlichen Kosten hat das Dezernat mangels Zuständigkeit deshalb erst am vergangenen Montag erfahren - als das Bistum mit den Zahlen herausrückte.

15. Oktober 2013: Tebartz-van Elst und der Vermögensverwaltungsrat sollen bei der Baufinanzierung des Wohn- und Amtssitzes gegen die Statuten des Bischöflichen Stuhls verstoßen haben. Gegen die Vermögensverwaltung selbst gibt es auch Vorwürfe: Sie hätte die Bistumsleitung ohne Vorlage des Haushaltsplanes nicht entlasten dürfen.

17. Oktober 2013: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, trifft sich mit Papst Franziskus. Thema der Audienz ist unter anderem die Krise im Bistum Limburg. Einzelheiten des Gesprächs nennt Zollitsch wegen des "vertraulichen Charakters" nicht. Er sagte jedoch, dass er "gestärkt und ermutigt" aus seinem Gespräch mit Franziskus herausgegangen sei. Zuvor hatte Zollitsch sich deutlich von Tebartz-van Elst distanziert.

23. Oktober 2013: Papst Franziskus setzt den bereits designierten Generalvikar Wolfgang Rösch mit sofortiger Wirkung ins Amt im Bistum Limburg ein. Bischof Tebartz-van Elst erhält "eine Zeit außerhalb der Diözese", weil er "seinen bischöflichen Dienst zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausüben" könne.

31. Oktober 2013: Tebartz-van Elst zieht in die niederbayerische Benediktinerabtei Metten. Dort soll er eine "geistliche Zeit der Erholung verbringen", sagte der Vorsteher des Klosters, Abt Wolfgang Hagl.

18. November 2013: Das Hamburger Amtsgericht stellt mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen Tebartz-van Elst wegen falscher eidesstattlicher Äußerungen im Zusammenhang mit dessen Erste-Klasse-Flug nach Indien vorläufig ein. Die Einstellung wird rechtskräftig, sobald der Bischof 20 000 Euro zahlt.

3. März 2014: Erzbischof Robert Zollitsch übergibt den Untersuchungsbericht zur Causa Limburg im Vatikan. Die Entscheidung, wie es in Limburg weitergeht, liegt nun bei Papst Franziskus.

17. März 2014: Der Präfekt der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, spricht von Rufmord an Tebartz-van Elst. "Das ist menschenunwürdig, so etwas hatten wir in Deutschland früher schon mal in einer ganz dunklen Epoche."

25. März 2014: Noch immer kein Wort vom Papst in Sachen Limburg. Dafür rückt einer der Tebartz-Förderer im Vatikan, der päpstliche Sekretär Georg Gänswein, vom Bischof ab. Anfang März hatte er den Limburger Bischof noch in Schutz genommen. Doch nun sagt Gänswein: Sollten sich die Berichte über die "finanziellen Auswüchse" beim Neubau des Bischofssitzes bewahrheiten, "kann man wirklich nur den Kopf schütteln".

25. März 2014: Der Vatikan gibt um 12 Uhr bekannt, dass Tebartz-van Elst nicht in sein Amt als Bischof von Limburg zurückkehren wird. Papst Franziskus hat demnach das Rücktrittsgesuch des umstrittenen Kirchenmannes akzeptiert (hier die offizielle Erklärung im Wortlaut). Tebartz-van Elst werde "zu gegebener Zeit" mit einer anderen Aufgabe betraut.

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