Feuertod von Oury Jalloh:Neues Gutachten stützt Mordthese

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Bis heute ist der Feuertod von Oury Jalloh in einer Polizeizelle ungeklärt. Unterstützer haben nun ein neues Brandgutachten erstellen lassen - es legt nahe, dass der Asylbewerber sich nicht selbst angezündet hat, wie die Polizei behauptet.

Ob es Mord oder Selbstmord war, ist im Fall des Asylbewerbers Oury Jalloh, der in Dessau in einer Polizeizelle verbrannte, auch mehr als acht Jahre nach dessen Tod nicht geklärt. Nun aber legt ein neues Gutachten nahe, dass unbekannte Täter an dem Vorfall beteiligt waren - und damit letztlich Polizisten, wie Kritiker seit langem vermuten. Die Untersuchung eines Brandsachverständigen scheint die Annahmen einer Unterstützergruppe Jallohs zu belegen, die seit 2005 für die Aufklärung des Vorfalls kämpft.

Eine Nachstellung der Ereignisse habe gezeigt, dass Jalloh das Feuer in einer Polizeizelle nicht selber gelegt habe, sondern mit Benzin übergossen und angezündet worden sei, sagten Vertreter der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin. Der an Händen und Füßen gefesselte Mann habe sich gar nicht selbst anzünden können, wie die Polizei behaupte.

Zusammen mit einem Brandgutachter hatte die Initiative mehrere Brandversuche unternommen und untersucht. Die Initiative stellte daraufhin Strafanzeige wegen Totschlags oder Mordes bei der Generalbundesanwaltschaft.

Der Feuertod des Afrikaners hatte die Justiz in den vergangenen Jahren mehrfach beschäftigt. Im Dezember 2012 wurde ein Polizist wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der ehemalige Dienststellenleiter des Polizeireviers, der zuvor freigesprochen worden war, hatte demnach nicht schnell genug auf den Feueralarm reagiert. Die Nebenklage, die die Familie Jallohs vertritt, hatte damals eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Freiheitsberaubung gefordert. Menschenrechtler und die Initiative kritisierten das Vorgehen der Justiz immer wieder.

Feuertod unter mysteriösen Umständen

Unter der Aufsicht des Polizisten starb Jalloh am 7. Januar 2005 unter mysteriösen Umständen: Damals war eine Polizeistreife ins Zentrum von Dessau gerufen worden. Ein paar Afrikaner sollten dort Frauen belästigt haben. Unter ihnen war auch Oury Jalloh. Der Asylbewerber hatte keine Papiere und beschimpfte die Polizisten. Die nahmen ihn mit. In einem Gutachten hieß es später, dass der damals 21-Jährige mehr als zwei Promille Alkohol im Blut gehabt habe, dazu Spuren von Cannabis und Kokain.

Wie die diensthabenden Polizisten später aussagten, sperrten sie Jalloh in eine Zelle und fesselten ihn ans Bett. Alle 30 Minuten kam ein Beamter vorbei, der Dienststellenleiter kontrollierte ihn über die Gegensprechanlage. Als der Feueralarm ansprang, stellte der Dienstellenleiter ihn ab, weil er einen Defekt vermutete. Jalloh war bereits tot, als die Feuerwehr eintraf - er starb an einem Hitzeschock. Nach Angaben der Polizei hatte er die Matratze, auf der er lag, mit einem Feuerzeug angezündet.

Bis heute ist unklar, wie ein Feuerzeug in die Zelle gelangen konnte. Bei der ersten Untersuchung der Zelle nach Jallohs Tod wurde keines gefunden, erst nachträglich gelangte es auf die Asservatenliste. Sachverständige konnten jedoch darauf keine Spuren von Jalloh finden. Die Videobänder von der Durchsuchung der Zelle sind verschwunden. Auch die Tatsache, dass Jalloh in seiner Zelle fixiert worden war, hatte die Staatsanwaltschaft zunächst verschwiegen. Nur durch Nachforschungen der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in Dessau wurde diese Information öffentlich.

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