Fall Susanna F.:Was die Statistik sagt

Leichenfund in Wiesbaden

In Wiesbaden wurde die Leiche von Susanna F. entdeckt. Unter dringendem Tatverdacht: Flüchtling Ali B.

(Foto: dpa)
  • Die Kriminalitätsstatistik zeigt: Zuwanderer sind im Schnitt ähnlich häufig tatverdächtig wie junge Deutsche.
  • Delikte wie Körperverletzungen finden zum Großteil in Flüchtlingsunterkünften statt.
  • Die Anzahl der Sexualdelikt-Verdachtfälle steigt in den vergangenen Jahren sprunghaft an.

Von Ronen Steinke, Berlin

Die Bevölkerung Deutschlands besteht aktuell zu einem Fünfzigstel aus Menschen, die hier Asyl gesucht haben. So hoch war dieser Anteil noch nie; 1,6 Millionen Menschen leben im Land als Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge, Geduldete. Das Bundeskriminalamt (BKA) fasst diese Gruppe unter dem Wort "Zuwanderer" zusammen, wenn es deren besondere Auffälligkeit in der Kriminalstatistik analysiert. Die Frage, auch in diesen Tagen, lautet: Wie kriminell sind diese Zuwanderer? Die kurze Antwort: So kriminell wie deutsche junge Männer.

Denn im Jahr werden etwa acht Prozent der Zuwanderer polizeilich registriert, weil sie einer Straftat verdächtigt werden, das zeigen Berechnungen des in Münster lehrenden Kriminologen Christian Walburg auf Basis der BKA-Daten. Unter Deutschen insgesamt sind es zwar nur zwei Prozent. Aber unter jungen deutschen Männern (das heißt, Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren) sind es ebenfalls exakt acht Prozent.

Seit einer Gesetzesnovelle 2017 ist die Zahl der Anzeigen wegen Sexualdelikten stark gestiegen

Als Befund ist das alarmierend. Männliche Heranwachsende waren schon immer die am stärksten "kriminalitätsbelastete" Gruppe in der deutschen Bevölkerung, wie Fachleute sagen. Unter den Zuwanderern sind auch viele jung und viele männlich, das erklärt die kriminologische Ähnlichkeit dieser beiden Gruppen zum Teil. Aber nicht völlig. Hinzu kommen soziale Probleme, die sich bei Zuwanderern besonders ballen - der Frust über die Lebenssituation, die fehlende soziale Kontrolle durch eine Familie. "Nicht die Herkunft, sondern die soziale Umgebung begünstigt Straftaten", sagt der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes. So kategorisch will das sein Hannoveraner Kollege Christian Pfeiffer nicht sehen: Jedenfalls bei nordafrikanischen Zuwanderern trage auch eine "Machokultur" zur Gewaltbereitschaft bei. Andere Forscher wie Walburg wollen jedenfalls, neutraler, von "Kulturkonflikten" sprechen, die zur Problemlage beitragen. Schwere Verbrechen wie jüngst in Wiesbaden an der 14-jährigen Susanna F. sind zahlenmäßig selten, haben aber natürlich große Bedeutung - vor allem Vergewaltigung und Mord.

Zunächst zur Vergewaltigung und der besonders schweren sexuellen Nötigung: Hier sind die Zahlen der Taten, derer ein Zuwanderer verdächtigt wurde, in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Von 2014 bis 2017 wurden es jedes Jahr mehr Fälle, erst waren es 322, dann 456, dann 878 und schließlich im vergangenen Jahr ein Höchststand von 1495 - bei insgesamt 1,6 Millionen Zuwanderern wohlgemerkt. Um diesen Anstieg zu erklären, muss hinzugefügt werden, dass natürlich auch die Gesamtzahl der Zuwanderer in diesem Zeitraum sprunghaft gestiegen ist. Das heißt, die Gewaltbereitschaft der Personen hat sich nicht unbedingt erhöht.

Aber ihre Zahl. Nur der extreme Anstieg im vergangenen Jahr gibt ein Rätsel auf. 2017 sind nämlich nicht mehr viele Zuwanderer nach Deutschland gekommen. Dennoch hat sich die Zahl der Sexualdelikt-Verdachtsfälle unter den Zuwanderern hierzulande fast verdoppelt. Ein Teil der Erklärung hierfür könnte in einer Änderung des Strafgesetzbuchs liegen. 2017 war das Jahr, in dem das Sexualstrafrecht verschärft und ausgeweitet wurde; das Schlagwort in der Politik hieß "Nein heißt nein". In der Folge sind nicht nur deutlich mehr Zuwanderer als zuvor angezeigt worden, sondern auch viel mehr Deutsche. Insgesamt gab es einen Anstieg um 50 Prozent, von 6223 registrierten Verdachtsfällen in Deutschland auf 9318. Dabei machten Zuwanderer 16 Prozent aus. Sodann zum Mord und den übrigen Tötungsdelikten, einschließlich versuchter Taten: Auch hier ist bei den tatverdächtigen Zuwanderern ein sprunghafter Anstieg zwischen 2015 und 2017 zu verzeichnen. Erst waren es 222 Tatverdächtige, dann 371 und schließlich 417. Im vergangenen Jahr machten Zuwanderer hier 14 Prozent der Verdächtigen aus, obwohl sie nur zwei Prozent, eben ein Fünfzigstel, der Bevölkerung stellen.

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