Deutsche von Lawine getötet:"Das ist ganz schwieriges Gelände"

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  • Im österreichischen Lech kamen drei deutsche Skifahrer bei einem Lawinenabgang ums Leben. Ein vierter Deutscher wird noch vermisst.
  • Die Suche nach der vierten Person wurde wegen der starken Schneefälle und der Lawinengefahr vorerst abgebrochen.
  • Die Verunglückten hatten die gesamte Lawinen-Notfall-Ausrüstung dabei.

Von Titus Arnu, Lech/München

Die Skiroute "Langer Zug" gehört zu den steilsten Abfahrten der Alpen. Vom 2350 Meter hohen Rüfikopf führt die anspruchsvolle 6,5 Kilometer lange Piste extrem steil hinunter nach Lech. Das Gefälle beträgt bis zu 80 Prozent. Seit mehreren Tagen ist der "Lange Zug" gesperrt, denn nach massiven Schneefällen herrscht in dem Steilgelände erhebliche Lawinengefahr. Doch allen Warnungen und Absperrungen zum Trotz bogen am Samstag vier deutsche Wintersportler aus Oberschwaben auf die nicht präparierte Piste ab und gerieten in eine Lawine. Drei Männer von ihnen starben in den Schneemassen, der vierte wird noch vermisst.

Die vier befreundeten Männer, 57, 36, 32 und 28 Jahre alt, waren am Samstagabend nicht von ihrem Skitag zurückgekehrt, die Frau eines Skifahrers stellte Vermisstenanzeige bei der Polizei. Mittels Handyortung konnte die Gruppe nördlich der Rüfikopfseilbahn lokalisiert werden. Eine Rettungsmannschaft stieg in Richtung Tälialpe auf und konnte drei Personen gegen 23 Uhr lokalisieren, aber nur noch tot bergen. Die Suche nach der vierten Person, dem jüngsten Mitglied der Gruppe, musste wegen starken Schneefalls vorerst eingestellt werden. Die Gefahr, selbst von einer Lawine verschüttet zu werden, sei für die Helfer zu groß, sagte Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel. Bergretter, Feuerwehrleute, Mitarbeiter der Skilifte und Alpinpolizisten konnten wegen der weiter bestehenden Lawinengefahr auch am Sonntag nicht ins Gelände.

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In einigen Alpenregionen gilt die höchste Lawinenwarnstufe. Inzwischen haben zwei bayerische Gemeinden den Katastrophenfall ausgerufen. Auch der Verkehr ist stark beeinträchtigt.

Am Arlberg galt am Wochenende Lawinenwarnstufe 3 (erhebliche Gefahr) mit Tendenz zu Stufe 4 (groß). "Momentan ist die Lage sehr kritisch, da fährt man abseits der gesicherten Pisten einfach nicht Ski", sagt Hubert Strolz, Skiguide und Lawinenexperte aus Warth am Arlberg. Der Olympia-Sieger von 1988 in der Kombination (Abfahrt und Slalom) ist oft mit Gästen im Tiefschnee unterwegs und kennt das Gelände rund um den Rüfikopf gut. "Das ist ganz schwieriges Gelände", sagt Strolz - es ist felsdurchsetzt und lawinengefährdet. Eine "Skiroute" ist im Vergleich zu einer Skipiste nicht durchgehend gewalzt, aber sie wird normalerweise gesichert, mit Stangen markiert und auf Lawinengefahr kontrolliert. Den Liftbetreibern ist daher wohl kein Vorwurf zu machen. "Wer sich in den freien Skiraum abseits der gesicherten Pisten begibt, tut das völlig in Eigenverantwortung", sagt Hermann Fercher, Tourismusdirektor von Lech. Bedeutet: Wer bei hoher Lawinengefahr in einen gesperrten Bereich fährt, ist selbst schuld, wenn etwas passiert, auch im juristischen Sinn. Offensichtlich überschätzen sich auch gute Skifahrer in solchen Situationen immer wieder. Der unberührte Pulverschnee ist einfach zu verlockend.

Paradoxerweise kann auch moderne Lawinen-Ausrüstung zu Fehlentscheidungen beitragen, denn manche Wintersportler wähnen sich dadurch in trügerischer Sicherheit. Die verunglückten Wintersportler hatten das gesamte Notfall-Equipment dabei, Ortungsgerät, Lawinenschaufel, Sonde und Airbag. Die Airbags waren ausgelöst worden, trotzdem wurden die drei bisher geborgenen Personen so tief verschüttet, dass sie erstickten. Außerdem wiesen sie Mehrfachverletzungen auf, berichten die Bergretter.

"Die meisten Leute, die man am Arlberg auf und neben den Pisten sieht, sind bestens ausgerüstet, und das ist auch gut so", sagt Hubert Strolz, "aber eine Garantie, von Lawinen verschont zu werden, ist das nicht." Ein Airbag-Rucksack kann die Wahrscheinlichkeit, nicht komplett verschüttet zu werden, deutlich erhöhen - aber nur, wenn es dem Skifahrer gelingt, den Luftsack im Notfall durch einen kräftigen Zug am Griff selbst auszulösen. Und das Gelände sollte nicht zu extrem sein. "Wenn der Hang flach ausläuft, so dass die Lawine in die Breite geht und irgendwann zum Stehen kommt, hat man eine Chance", erklärt Strolz, "aber nicht unbedingt in einer Rinne oder im felsdurchsetzten Steilgelände."

Bei Lawinenwarnstufe 3 und Neuschnee passieren die meisten tödlichen Unglücke, weil das Risiko für den Laien schwer einzuschätzen ist. "Viele Leute kennen sich nicht gut genug aus und unterschätzen, wie schnell sich die Wetterlage ändern kann", sagt Lawinenexperte Strolz. Wenn es wärmer wird oder der Wind stark bläst, kann die Gefahr stündlich wachsen. Am Arlberg schneit es weiter, bis Dienstag erwarten Meteorologen einen zusätzlichen Meter Schnee. Die Lawinensituation wird sich eher noch verschärfen. Tourismusdirektor Fercher mahnt zu besonderer Vorsicht: "Bitte bei solchen Verhältnissen den freien Skiraum meiden!" Es ist ein fast schon flehentlicher Appell, aber es hilft nichts, er müsse diesen Appell immer wieder an die Wintersportler richten, sagt Fercher. Etwas anderes bleibt ihm auch gar nicht übrig.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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