Cosa Nostra:Ein Boss der Bosse weniger

Anführer der Cosa Nostra auf Sizilien festgenommen

Verhaftet: Settimo Mineo, Inhaber eines Juwelierladens und wohl auch Anführer der Cosa Nostra.

(Foto: Igor Petyx/dpa)
  • Der italienischen Polizei ist ein Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelungen. 46 Mitglieder der sizilianischen Mafia sind am Dienstag festgenommen worden.
  • Unter ihnen ist auch der 80-jährige Settimo Mineo. Er soll die "Kuppel" angeführt haben, die erstmals seit 25 Jahren zusammengetroffene Führungsriege der Cosa Nostra.
  • Mineo galt als Nachfolger des vor einem Jahr verstorbenen "Totò" Riina - und als Statthalter des seit vielen Jahren untergetauchten eigentlichen Bosses der Bosse.

Von Oliver Meiler, Rom

Mit 80 Jahren sind die meisten Menschen schon eine Weile in Pension. Und natürlich altersweise. Settimo Mineo aus Palermo hingegen soll gerade die Führung eines großen, weltberühmten Verbrechersyndikats übernommen haben: der Cosa Nostra. Er war offenbar auserlesen, die sizilianische Mafia in eine neue Ära zu führen, als "Capo dei capi", der Anführer der Anführer und Erbe von Salvatore "Totò" Riina, der vor einem Jahr gestorben war. Mit 80 befördert, das hört sich ironisch an. Nun ist die neue Epoche jäh zu Ende gegangen. Monatelang haben die Carabinieri "Onkel Settimo" beschattet, bevor sie ihn nun mit 45 weiteren Kadern und Mitläufern der kriminellen Organisation festnahmen.

Aus Sorge, abgehört zu werden, hatte Mineo nie am Handy gesprochen, offenbar besaß er nicht einmal eins. Die Chefs anderer Clans besuchte er meistens zu Fuß, das fiel weniger auf. Mineo war ein Netzwerker, die sizilianische Presse nennt ihn einen "Mediator". Offenbar war er es, der die jüngste Sitzung der neu geformten "Cupola" einberufen hatte, der Kuppel, wie der Leitungsausschuss der Cosa Nostra genannt wird. Und da es das erste Mal seit 1993 war, dass die "Cupola" tagte, wird das Datum genannt, als wäre es eine historische Wegmarke: der 29. Mai 2018. Die Polizeiermittlung trug den Codenamen "Cupola 2.0".

Doch bei aller Aufregung um Mineos Festnahme sollte man eine wichtige Frage nicht aus den Augen verlieren: Wie mächtig war "Onkel Settimo" tatsächlich? Und wie stark ist die Cosa Nostra noch immer streng hierarchisch strukturiert?

Freilich ist Mineo kein Unbekannter. Dii Familie führt ein Schmuckgeschäft in Palermo am Corso Tukory im Stadtteil Pagliarelli, ihrem Einflussgebiet. Der Laden galt immer schon als Fassade. Als Settimo Mineo 44 war, entkam er einem Hinterhalt, bei dem sein Bruder Giuseppe getötet wurde. Kurz davor war schon Antonino, ein anderer Bruder, umgebracht worden. Totò Riina, der Pate aus Corleone, schätzte den Teilzeit-Juwelier offenbar für dessen diplomatische Ader. So jedenfalls erzählten es schon früh die ersten Kronzeugen, die mit der Justiz zusammenarbeiteten.

Als Mineo 1984 ein erstes Mal verhaftet wurde, sagte er im Verhör: "Ich falle aus allen Wolken. Ich weiß nicht, wovon der Richter spricht." Gemeint war der berühmte Mafiajäger Giovanni Falcone, der später von der Mafia getötet werden sollte. Mineo musste damals fünf Jahre ins Gefängnis, kam frei, wurde kurz darauf wieder weggesperrt, diesmal für elf Jahre. Doch die Haft brach ihn nicht, er blieb der Mafia ergeben und erkannte für sich bald prächtige Aufstiegschancen.

Nur einer bleibt bis heute unauffindbar, angeblich "flüchtig" seit Jahrzehnten

Mag es auch stiller geworden sein um die Cosa Nostra, übertönt von der kalabrischen 'Ndrangheta und der kampanischen Camorra: Das Business ist ihr nie ausgegangen. Drogen, Onlinewetten, Handel mit Erdöl, Waffen und Lebensmitteln. Mit diesen Geschäften setzt die Organisation noch immer viele hundert Millionen Euro um, pro Jahr. Ihr Einfluss soll bis nach Deutschland reichen. Ein Teil der Cosa-Nostra-Millionen soll auch in deutschen Immobilien stecken.

Solange Riina lebte war die Organisation blockiert. Erst nachdem er im November vergangenen Jahres im Gefängnis von Parma verstarb, wagten sich mögliche Erben aus der Deckung. Zuvor war es tabu, über die Nachfolge des gebrechlich wirkenden und kranken Patronen zu reden. Seit Riinas Tod dann jagten sich die Geschichten und Gerüchte über eine Neubesetzung der Kuppel, mit immer neuen möglichen Protagonisten unterschiedlicher Clans. Einmal war auch von einer Frau die Rede. Sie wäre die bisher erste an der Spitze.

Nur einer bleibt bis heute unauffindbar, angeblich "flüchtig" seit Jahrzehnten: Matteo Messina Denaro aus Castelvetrano, der eigentliche Boss der Bosse, das ewige Phantom. Messina Denaro ist 56 Jahre alt. Solange er nicht gefasst ist, sind Spekulationen über ein Ende von Cosa Nostra recht sinnlos. Eines ist indes gewiss: Settimo Mineo ist bis auf Weiteres aus dem Rennen.

Zur SZ-Startseite
Photographs from a journey across Sicily, Italy

SZ PlusMafia auf Sizilien
:Nicht totzukriegen

Einst herrschte die Mafia ganz selbstverständlich über Sizilien. Aber wie sehr prägt die Verbrecher-Organisation dort noch immer das Leben der Menschen? Eine Spurensuche.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: