100-Jährige verlässt Seniorenheim:"Für den Laden war ich noch nicht reif"

Man muss sich nicht alles bieten lassen, findet Maria Milz. Weil sie sich schlecht behandelt fühlte, zog die 100-Jährige nach knapp zwei Monaten wieder aus dem Altenheim aus. Nun wohnt sie wieder im eigenen Haus.

Marten Rolff

SZ: Hallo Frau Milz, Ihre Nachbarin sagte, wir dürfen ruhig bei Ihnen anrufen.

Altenheim

Frau Milz war noch nicht reif für das Altenheim: "Da hab ich meine Tochter angerufen und gesagt: 'Komm sofort', sag ich, 'hier bleib ich keine Stunde mehr!'"

(Foto: Foto: Laif)

Milz: Ach, die Frau Bertram. Die beste Frau der Welt. Flink wie ein Wiesel. Die kommt immer gucken, ob ich noch lebe.

SZ: Sie klingen sehr lebendig.

Milz: Aber ich höre Sie schlecht. Und ich bin völlig erschossen, weil den ganzen Nachmittag Besuch da war.

SZ: Wir wollten auch nur ganz kurz fragen, warum Sie aus Ihrem Altersheim wieder ausgezogen sind.

Milz: Das kann Ihnen die Frau Bertram viel besser sagen.

SZ: Aber die Frau Bertram war doch gar nicht dabei.

Milz: Also dann erzähle ich das gern. Ich konnte ja nicht mehr schlafen nachts. Da bin ich um sechs Uhr aufgestanden, habe geduscht und mich fein gemacht. Und dann saß ich im Bett und habe gewartet.

SZ: Auf das Frühstück?

Milz: Vorher kam immer so ein Mädel.

SZ: Die Pflegerin.

Milz: Na, so ein Bauerntrampel aus der Gegend von Jünkerath (in der Eifel, d. Red.). Die hat mich so blöd angeguckt und dachte bestimmt: Die verkalkte Alte hat sie nicht mehr alle auf der Pfanne. Weil ich ja schon Toilette gemacht hatte. Also sagte ich: ,,Ich bin fix und fertig, ich frühstücke jetzt.'' Und sie sagte: ,,Ach was, du hass' ja noch de Butter inne Ougen.''

SZ: Meinte sie den Schlaf?

Milz: Die Butter! ,,Was?'', sag ich da, ,,was erlauben Sie sich!'' Eine Frechheit!

SZ: Eine Frechheit!

Milz: Ja, nicht? Ich mach mich fein, und die schicken mir so eine Frau. Da hab ich meine Tochter angerufen und gesagt: ,,Komm sofort'', sag ich, ,,hier bleib ich keine Stunde mehr.'' Als meine Tochter kam, hatte ich schon alles gepackt.

SZ: War es denn so schlimm im Heim?

Milz: Für den Laden war ich noch nicht reif. Nur alte Leute, mit denen konnte man kein Wort sprechen. Und für zwei Monate kam eine Rechnung über 1600 Euro. Da hätte ich nach ein paar Jahren ja kein Geld mehr gehabt. Schließlich hatten wir schon zweimal Inflation im Leben.

SZ: Und nun sind Sie wieder glücklich.

Milz: Glücklich gibt es nicht mehr mit 100 Jahren.

SZ: Aber zufrieden?

Milz: Dankbar. Mein Hausarzt sagte mir: ,,Frau Milz, Sie sind alt, aber nicht krank.'' Keine Schmerzen mit 100, wo gibt es das? Viele Junge klagen mehr.

SZ: Junge?

Milz: 80-Jährige. Ich habe es schön in meinem Haus. Und ich bin versorgt. Nur das Alleinsein ist nicht so schön.

SZ: Was machen Sie denn tagsüber so?

Milz: Ich kann ja oft nur die Wände ansehen. Aber ich habe den Dackel, meine Inka versteht jedes Wort. Kriege ich ein Exemplar von dem Interview?

SZ: Wir schicken es an Ihre Nachbarin.

Milz: Ja, an den Engel!

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