Zwist unter Gleichen:Zank um die Erdbeerenwiese

Erdbeerenwiese an der Grenze zwischen Obermenzing und Allach/Untermenzing

Die Erdbeerenwiese, eigentlich ein Feld, zwischen Im Wismat, Bauseweinallee und Weinschenkstraße, hier in Blickrichtung von Ost nach West.

(Foto: Florian Peljak)

Ein Feld im Grenzgebiet entzweit Obermenzing und Untermenzing. Der nördliche Stadtbezirk will seine Realschule dorthin verlegen, der südliche Nachbar fürchtet um eine wichtige Frischluftschneise

Von Jutta Czeguhn

Damals im Jubiläumssommer 2017, da gab es kein Ober und kein Unter, nur Menzing, das 1200 Jahre alt wurde. Einträchtig schunkelte man im großen Festzelt auf der "Erdbeerenwiese", hob die Mass und jubelte Gerhardt Polt, Uschi Glas oder La Brass Banda zu. Mittlerweile ist ein Schatten gefallen auf die Eintracht zwischen den Menzingern Nord und Süd. Und just geht es um jene etwa 14 Hektar große Freifläche an der Ecke Bauseweinallee/Weinschenkstraße, auf der das Festzelt stand und die zu größeren Teilen auf Obermenzinger Flur liegt. Die Untermenzinger wollen dort ihre Carl-Spitzweg-Realschule hinverlegen, sie neu und größer errichten. Zudem ist in der Nähe auf dem Gelände der Bezirkssportanlage eine neue Feuerwache geplant, was dazu führen könnte, dass dann der SV München-Untermenzing zum Ausgleich ebenfalls ein Stück von der Erdbeerenwiese abbekommt. Die politischen Gremien, die Bezirksausschüsse 21 und 23, zeigen sich aktuell um Ausgleich bemüht. Andere glauben nicht an einen Burgfrieden und sammeln Unterschriften gegen die mögliche Bebauung des Grünzugs.

Angestoßen hat die Protestaktion Andreas Ellmaier. Anfang Januar hatten den Vorsitzenden des Grünflächenvereins Obermenzing Berichte alarmiert, nach denen der Bezirksausschuss Allach-Untermenzing einer für einen Schulstandort Erdbeerenwiese notwendigen Teiländerung des gültigen Flächennutzungsplanes zugestimmt habe. Am aktuellen Standort an der Untermenzinger Zwiedieneckstraße fehlt der Platz für die dringende Erweiterung der Schule auf fünf Züge, den Neubau einer Dreifachturnhalle, einer Schwimmhalle, Mensa und eines Hauses für Kinder.

Auch die Feuerwachen-Pläne auf dem Sportgelände an der Von-Kahr-/Prof.-Eichmann-Straße wecken bei ihm die schlimmsten Befürchtungen. Nicht nur, weil damit der Erdbeerenwiese auch von Westen her Gefahr drohe. Es könnten damit, so Ellmaier, auch die Weichen gestellt werden für einen möglichen Durchstich von der Prof.-Eichmann-Straße Richtung Süden zur Wöhlerstraße. Heute ist dort lediglich ein Fuß- und Radweg. Ein Durchstich würde massiv Verkehr in die Obermenzinger Wohngebiete ziehen. Und "das Ende der Gartenstadt Menzing bedeuten", heißt es auf der Unterschriften-Liste, die nicht nur von Ellmaiers Grünflächenverein und vom Verein der Freunde Obermenzings gezeichnet ist.

Auch eine Bürgerinitiative Grünes Obermenzing sammelt Proteststimmen. Die Pläne und Beschlüsse des Nachbargremiums sind mittlerweile auch im Bezirksausschuss (BA) Pasing-Obermenzing angekommen, zunächst im zuständigen Unterausschuss Planung. Nun drängt die Zeit, am 5. Februar wird sich der Planungsausschuss des Stadtrats im Rahmen der Schulbauoffensive mit einer ganzen Reihe von neuen Schulstandorten befassen, unter anderem auch dem für die Carl-Spitzweg-Realschule an der Bauseweinallee/Erdbeerenwiese. Im BA-Unterausschuss hatten die Mitglieder die Beschlussvorlage in Bausch und Bogen abgelehnt. In der Sitzung des Vollgremiums am vergangenen Dienstag war damit ebenfalls zu rechnen. Andreas Ellmaier war vorsichtshalber erschienen, um die Mitglieder, die er "Kolleginnen und Kollegen nennt", weil er dem Gremium selbst einmal vorsaß, auf ein Nein einzuschwören. Am Ende sollte er die Sitzung jedoch mit einer ziemlichen Wut im Bauch verlassen.

Grundsätzlich teilt auch das Vollgremium die ablehnende Haltung des Ausschusses und somit auch Ellmaiers Sicht der Dinge. Allerdings nicht den Zungenschlag des früheren BA-Vorsitzenden. "Wir wollen nicht die Bürger hier gegen die Bürger dort ausspielen", sagte Sven Wackermann, CSU, der Sprecher des Unterausschusses Planung. Auch nicht die Schüler gegen die Grünzugschützer. Er kritisierte zwar, dass man vom Nachbar-BA nicht ausreichend und rechtzeitig über die Pläne informiert worden sei, doch habe er sich mittlerweile mit der dortigen Vorsitzenden Heike Kainz (CSU) ins Benehmen gesetzt und Folgendes erfahren: Der Bezirksausschuss 23 habe der Teiländerung des Flächennutzungsplanes zwar zugestimmt, doch wolle man zunächst etliche Fragen vom Planungsreferat geklärt bekommen, fordere eine vertiefte Prüfung. Das bestätigt auf SZ-Anfrage auch Heike Kainz: "Wir wollen, dass gründlich geprüft wird, verlangen eine gründliche Aufbereitung." Man sei sich sehr bewusst, dass es sich bei dem Standort um eine Frischluftschneise handele, die auch für die Untermenzinger wichtig sei. "Deshalb muss die Frage geklärt werden, wie viel Platz brauchen wir dort wofür", sagt Kainz. Dann seien detaillierte Untersuchungen erforderlich, welche verkehrlichen Auswirkungen eine Schule an dem Standort hätte. Und was den befürchteten Durchstich angehe, sagt Kainz, da sei man noch nicht mal auf die Idee gekommen, "da diskutiere ich gar nicht drüber".

Beide Gremien sind nun mehrheitlich zu einer Übereinkunft gekommen: Der städtische Planungsausschuss wird aufgefordert, das umstrittene Schulprojekt an der Bauseweinallee aus der Beschlussvorlage seiner Sitzung am 5. Februar herauszunehmen und zu vertagen. Zudem wollen sich die Planungsexperten beider Bezirksausschüsse zusammensetzen und nach einer Lösung suchen, mit der beide Menzings leben könnten, auch was einen möglichen Alternativstandort für die Feuerwache angeht. Dass man das Thema damit bis nach den Kommunalwahlen am 15. März verschiebt, dessen waren sich die Mitglieder beider Gremien bewusst.

Andreas Ellmaiers Urteil für diese Vorgehensweise fällt harsch aus. Er spricht von "politischer Feigheit" und kündigt an, dass er mit seiner Aufklärungsarbeit und der Unterschriftenaktion nun "erst so richtig Gas" geben wolle.

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