Alternative Kultur:Sechs spannende Münchner Zwischennutzungen

Kunst im früheren Schuhhaus, Bücher im Rathaus und ein Pop-Up-Restaurant im Café: Die Beispiele zeigen, wie kreativ man mit Flächenmangel umgehen kann.

Von Elisa Britzelmeier und Camilla Kohrs

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Weststern

Weststern in Neuaubing

Quelle: Flostern/oh

Konzerte, Lesungen, Ausstellungen - damitmachte der "Flostern" aus der ehemaligen Stadtteilbibliothek in Giesing einen ganz besonderen Ort. Nach mehrmaliger Verlängerung war im Oktober 2017 Schluss. Was einige Menschen ziemlich schade fanden. So schade, dass sie sich auf denWeg in denMünchnerWesten bis nach Neuaubing machten, als die Flostern- Gründer vergangenen Dezember dorthin zum Kulturfestival luden. Fünf Tage lang bespielten sie die Räume im früheren Ladenzentrum Wiesentfelser Straße. "Weststern" wurde das Ganze genannt. Inzwischen wird die Fläche vorübergehend von der Münchner Aktionswerkstatt Gesundheit genutzt, der Name Weststern aber blieb. Bis Juli ist in der ehemaligen Bäckerei ein Co-Working-Büroeingerichtet, parallel gibt es verschiedene Aktionen, und auch Spielgruppen treffen sich im Weststern. Weitere Interessenten für den Raum können sich melden. Was nach Juli passiert, ist noch offen. Das Ladenzentrum soll irgendwann abgerissen und neu gebaut werden. Die Gesellschaft für Stadterneuerung erarbeitet momentan ein Konzept, wie die Fläche bis dahin genutztwerden kann. Dass wieder die Flostern-Leute übernehmen? Schon möglich. Vor der Giesinger Zeit war der Flostern auch schon in Pasing.

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SP CE

Das Zwischennutzungsprojekt 'SP CE' in der Alten Akademie in München am 29.01.2019.

Quelle: Jan A. Staiger

Noch bis Ende Mai arbeiten rund 40 Künstlergruppen und Kreative in den Räumen der Alten Akademie. Sie müssen für ihre Büros auf der vierten und fünften Etage nur die Nebenkosten, aber keine Miete zahlen. Das Immobilienunternehmen Signa hat die Zwischennutzung gemeinsam mit dem Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Stadt ermöglicht. "151 Tage Freiraum für kollaboratives Arbeiten" lautet das Motto, das in großen bunten Buchstaben an den Fenstern im Treppenhaus klebt. Das soll auch der Projektname "SP CE" verdeutlichen: Space ist das englische Wort für Raum, die Leerstelle sollen Musiker, Autoren, Architekten, Designer und weitere Kreative aus unterschiedlichen Bereichen füllen. Sie sollen gemeinsam neue Projekte angehen, die Türen sind deshalb tagsüber nicht abgeschlossen, sondern stehen nach Möglichkeit immer offen. Interessant ist die Mischung in den Büros: Viele haben ein konkretes Ziel vor Augen, wie ein Buch zu veröffentlichen, andere wollen ihr junges Unternehmen voranbringen. Wieder andere wollen Diskussionsräume für die Kunst der Zukunft schaffen. Was dabei rauskommt, kann jeder selbst entdecken: Einmal im Monat stehen die Büros für einen Abend der Allgemeinheit offen.

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Container Collective

Container Collective

Quelle: Ingrid Fuchs

So wie das "Container Collective" fühlen sich wenige Orte in München an. Ein bisschen nach Urlaub, ein bisschen nach Industrie, als wäre man am Hafen, dabei ist man nur hinterm Ostbahnhof. Hier, auf dem inzwischen "Werksviertel" genannten Areal der früheren Pfanni-Fabrik, steht seit zwei Jahren die Sammlung aus ausrangierten Schiffscontainern. Viele denken beim Container Collective vor allem an die "Bar of Bel Air", die nicht nur im Sommer auf ihr Sonnendeck lockt, vielleicht noch an das Café darunter. Doch das Containerdorf beherbergt auch verschiedene Künstler. Kleine Label stellen ihre Kleidung aus, daneben wird an Motorrädern geschraubt. Ursprünglich waren die Container als Zwischennutzung gedacht, während drumherum das neue Viertel samt Konzertsaal gebaut wird. Weil sie so gut ankommen, sollen die Container aber bleiben. Ein Teil würde dabei nur versetzt in Richtung Rosenheimer Straße, heißt es von der Gesellschaft, die das Werksviertel-Mitte vermarktet. Wann es soweit ist, weiß momentan noch niemand - 2019 bleibt das Container Collective erst einmal, wo es ist. Und im April kommt dann ein temporäres Riesenrad dazu, "Hi-Sky München" genannt. Beinahe noch eine Zwischennutzung also.

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Kunsthaus Raab

Kunsthaus Raab

Quelle: Gabi Blum

Über den meisten Münchner Zwischennutzungen schwebt eine Frage, sie steckt schon im Namen: Wie lange geht das Ganze? Das "Kunsthaus Raab" war so erfolgreich, dass es länger läuft als ursprünglich gedacht. Eigentlich sollte der Ladenraum an der Donnersbergerstraße in Neuhausen nur bis Ende 2018 als Kunst- und Kulturzentrum genutzt werden, eine Verlängerung war unsicher. Nun ist doch erst Ende Februar Schluss. Die Idee hatte die Künstlerin Gabi Blum, zu sehen waren verschiedene Ausstellungen, auch ein Theaterstück wurde bereits aufgeführt. Zum Abschluss sind Werke von 20 Künstlern zu sehen, eine schwebende Treppe ist ebenso dabei wie ein Senfbrunnen.

Thematisch drehte sich bisher vieles um Leerstand und Raumnot - nicht nur in der Kunst: Im Kunsthaus Raab hat auch schon ein Mieterstammtisch stattgefunden. Früher war hier das Schuhhaus Raab untergebracht, daher der Name. Noch früher war ein Wirtshaus in dem Gebäude, woran ein Wirtshaustisch mitten im Raum erinnerte, er stammte aus dem Hofbräuhaus. Unterstützt wird das Projekt durch die Baugenossenschaft des Eisenbahnpersonals. Dass Zwischennutzungen verlängert werden, passiert öfter - manche sogar so lange, dass sie am Ende kaum mehr wie eine Zwischennutzung wirkten, die Bar Provisorium in der Lindwurmstraße etwa oder das Awi in der Müllerstraße. Bei vielen ist das eigentliche Ziel aber, eine dauerhafte Fläche zu finden.

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Knolle und Kohl

Die drei Wegbereiter der Plattform 'SharedSquare', Daniela Weinhold, Julian Nitsche und Nastia Broda, am 17.01.2019 in München.

Quelle: Jan A. Staiger

Was passiert eigentlich abends in einem Café, das nur tagsüber geöffnet hat? Ist da nicht freier Raum, mit dem man etwas anfangen könnte? Das ist der Gedanke, der hinter "Knolle und Kohl" steckt. Das Popup- Restaurant hat nur am Abend und nur donnerstags und freitags geöffnet - in den Räumen des "Café Josefa", das sowieso um 17.30 Uhr schließt. Eine Art Doppelnutzung also, oder eine zeitlicheZwischennutzung. Ähnlich machten das Daniela Weinhold und Nastasia Broda schon beim Popup- Frühstückscafé Bananaleaf: Sie zogen vormittags in die Räume des Restaurants Nudo in der Maxvorstadt. Umdas Konzept auszuweiten, wollen sie auf der Online- Plattform SharedSquare bald Gastronomen zusammenbringen. In ihrem "Knolle undKohl" gibt es Pintxos, baskische Tapas also,demNamenentsprechend aber vor allemin einer veganen Versionmit regionalem und saisonalem Gemüse. Bestehende Flächen zu nutzen, wo es schwierig ist, freie zu finden, das steht auch hinter dem "Restless Restaurant". In der Luisenstraße gibt es mal Barbecue-Platte, mal veganen Brunch, mal mexikanisches Essen - je nachdem,welcher Anbieter gerade dieKüche übernimmt. Restaurant-Sharing nennen die Betreiber das.

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Münchner Buchmacher im Rathaus

Rathaus Buchladen Pop-Up Münchner Buchmacher

Quelle: Alessandra Schellnegger

Was imInternet besonders emotionale Zustimmung auslöst: Buchhändler, die wütende Briefe an Onlinehändler schreiben; die Fotos in ihrem Laden verbieten, damit die Leute nicht anschließend bei eben diesen Onlinehändlern bestellen. Was im Internet besonders gern gekauft wird: Bücher. Mussmanwohl aushalten, dieses Paradox. Wer aber etwas für die Zukunft des Buchs tun will, noch dazu für Bücher aus kleinenVerlagen, der sollteimRathaus vorbeischauen. Nicht beim Oberbürgermeister oder Stadtrat (diewohlkaum eine städtische Verordnung fürs Lesen herausgeben können), aber im Pop-up-Store der "Münchner Buchmacher". Der ist bis Ende März in der Dienerstraße zu finden. Die "Buchmacher" sind ein Zusammenschluss unabhängiger Verlage mit unterschiedlichen Themen und Zielgruppen. Für sie alle ist es bislang nicht einfach, imBuchhandel sichtbar zu sein - daher griffen die Verleger zu, als dasKompetenzteam fürKulturundKreativwirtschaftdenLadenanbot. Inzwischen finden dort Lesungen statt, auch einen Nähworkshop für Kinder gab es schon. Man kann übrigens auch ohne missionarische Rettungsgedanken hingehen. Einfach nur, weil man gern über Buchdeckel streicht. Oder liest.

© SZ.de/ebri
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