Süddeutsche Zeitung

"Z common ground":Zschokkestraße: Zwischennutzung startet Ende April

  • "Z common ground" heißt das interdisziplinäre Zwischennutzprojekt in der Zschokkestraße 36.
  • Kuratiert wird es von der Münchner Street-Art-Legende Loomit, vom Künstler Daniel Man und der Kunsthistorikerin Laura Lang.
  • Läuft alles nach Plan, wird es am 30. April eröffnet.

Von Jürgen Moises

Die letzte Genehmigung haben sie erst vor zwei Wochen bekommen. Seitdem aber steht dem Projekt nichts mehr im Weg und die Künstler und Künstlerinnen können sich das leer stehende Gebäude im Gewerbehof West in der Münchner Zschokkestraße 36 endlich aneignen. Sie können die Fassaden, den Hof, die Räume in den vier Stockwerken oder im Keller frei gestalten, können Wände einreißen oder Decken verlagern, wie es ihnen passt. Sie können aber auch die Fassade gegenüber mit Motiven bemalen, wie es der Münchner Künstler Matthias Mross bereits in Form eines großen Hahnenkopfes getan hat. Denn auch das ist Teil des Experiments, das unter dem Motto "Zerneuerung" steht und das den nicht gerade reich mit Kultur gesegneten Stadtteil Laim rund fünf Wochen lang zu einer Art Hotspot der Münchner Kulturszene machen wird.

Mit "Z common ground" ist das interdisziplinäre Zwischennutz- und Ausstellungsprojekt überschrieben, das von der Münchner Street-Art-Legende Loomit, dem Künstler Daniel Man und der Kunsthistorikerin Laura Lang kuratiert wird. Und das, wenn alles nach Plan läuft, am 30. April seine Eröffnung feiert. Dann werden die rund 4000 Quadratmeter zur Aktions- und Ausstellungsfläche. Etwa 60 Künstler und Kulturschaffende sind involviert, darunter Graffiti-Sprayer und Street-Artisten wie WonABC, Z-Rok oder Marco Reinhardt, bildende Künstler wie Bernhard Springer oder Susi Gelb sowie Studenten der Akademie-Klassen Oehlen und Pitz. Außerdem sind 15 Kooperationspartner beteiligt, die das Ganze interdisziplinär und auf sozialer Ebene ausweiten.

So werden etwa die Münchner Kammerspiele mit "Werther's Quest for Love" dort eine Produktion zeigen, die am 29. April und damit schon vor der offiziellen Eröffnung ihre Premiere hat. Auch die Performance-Truppe The Agency präsentiert bereits am 27. April während des Theaterfestivals "Radikal Jung" ein Stück an der Zschokkestraße, für das es, so Laura Lang, "abstruse Büroräume" braucht und für das sich das Gebäude perfekt eigne. Das Institut für Glücksforschung wird den Mai über ein Café im Haus betreiben, die IG Feuerwache bietet Aktionen für Kinder und Jugendliche an und die Hans-Sauer-Stiftung will sich zusammen mit Guerilla Architects dem Thema Stadtgestaltung widmen und dabei die Anwohner mit einbeziehen.

Dass man beim Projekt "Z common ground" Anwohner, lokale Künstler und Akteure aktiv beteiligen möchte, das war von Anfang an genau so geplant, erzählt Daniel Man im dritten Stock des Gebäudes, in dem die Organisatoren für die Zeit der Zwischennutzung ihr Büro haben. Er selbst sieht sich dabei selbst als "Bindeglied", weil er einerseits Bildende Kunst studiert hat, andererseits seit 1984 in der Graffiti-Szene unterwegs ist. Laura Lang wiederum hat vor allem die Kontakte zur Tanz- und Theaterszene eingebracht und widmet sich ansonsten Aspekten wie Sponsoring und Finanzierung, während sich Loomit humorvoll als "der Hausmeister" bezeichnet. Das heißt, er kümmert sich vor allem um technische Fragen und Aspekte, steht den Künstlern mit Rat und Tat zur Seite, ist aber natürlich auch selbst künstlerisch aktiv.

Der interdisziplinäre, lokale und soziale Ansatz sei es am Ende auch, so Laura Lang, was "Z common ground" von anderen Zwischennutz-Geschichten unterscheide. Wie etwa dem "Kunstlabor", das sich noch bis Ende Januar ebenfalls in Laim in der ehemaligen Tengelmann-Zentrale an der Landsberger Straße befand. Dort wurde, kuratiert vom "Münchner Museum Of Urban And Contemporary Art", Street Art und bildende Kunst gezeigt. Aber, auch das ein Unterschied: nur in zwei Stockwerken, auf dem Dach und an der Fassade und nicht im gesamten Gebäude.

Angefangen hat das Projekt zumindest als Idee vor fast genau zwei Jahren mit Loomit. Denn er war es, dem der Hauseigentümer und Geschäftsführer der Porticon-West Gewerbeimmobilien GmbH, Markus Ballauf, im April 2017 das Angebot mit der Zwischennutzung des Gebäudes machte, das genauso wie das Nachbarhaus voraussichtlich neuen Wohnungen weichen soll und deshalb abgerissen wird. Auf die Idee, das Objekt an der U-Bahn-Haltestelle Westendstraße zeitweise an Künstler freizugeben, wurde Markus Ballauf laut Loomit durch die Street-Art-Ausstellung "Magic City" gebracht. Diese hatte er damals in der Kleinen Olympiahalle gesehen und war davon offenbar sehr begeistert.

Die erste Person, die Loomit bei den anfänglichen Planungen im November 2017 dann mit ins Boot holte, war Astrid Weindl. Die ehemalige Leiterin des Jugendkulturzentrums Färberei setzt sich seit Jahrzehnten für die Belange von Graffiti- und Street-Art-Künstlern ein, ist hervorragend vernetzt und versteht es vor allem, sich um Fördergeld und Genehmigungen zu kümmern. Das macht sie nicht als offizielles Kuratoriumsmitglied, sondern wie es, so Loomit, ihre Art sei: eher still im Hintergrund. Auf diese Weise hat sie etwa das Kulturreferat als Unterstützer gewonnen, konnte aber auch nicht verhindern, das sich aufgrund der fehlenden Genehmigungen und finanziellen Mittel die ursprünglich für September 2018 geplante Eröffnung auf den 30. April verschoben hat.

Bis dahin wird nun an mindestens vier Tagen die Woche im und am Gebäude mit Hochdruck gearbeitet. Die ersten Wände sind schon angesprüht, auch die Finanzierung ist weitgehend gesichert. Trotzdem freuen sich die Organisatoren über jede Spende, etwa damit sie am Ende allen Beteiligten auch ein Honorar auszahlen können, wie die Veranstalter hoffen. Um Unterstützer und Sponsoren zu finden, haben sie 2018 extra den Verein zur Förderung urbaner Kunst e.V. gegründet, und auch, um in Zukunft noch weitere Projekte zu generieren. Denn die Energien, Synergien und Netzwerke, die bei "Z common ground" entstehen, sollen nicht, wie so oft, spätestens beim Abriss des Hauses verpuffen, sondern danach weiterwirken. Schließlich warten in München sicherlich noch andere Orte darauf, dass sie jemand endlich einmal rundherum "zerneuert".

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Quelle:
SZ vom 18.03.2019
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