Süddeutsche Zeitung

Zwischenfall in Bayernkaserne:Wachfrau verscheucht Flüchtlinge

  • Sechs Nächte campiert eine Gruppe Eritreer aus Protest vor der Bayernkaserne in München.
  • Mit ihrem stillen Protest vor der Erstaufnahmezentrale wollen die Männer im Alter zwischen 19 und 32 Jahren erreichen, von Inzell weg in eine andere Unterkunft verlegt zu werden.
  • Eine Wachfrau verscheucht sie und legt dabei ein zumindest ruppiges Verhalten an den Tag. Sie spricht nicht nur mit Flüchtlingen so, sondern auch mit zwei Asylhelferinnen.

Von Bernd Kastner

Es dauert nicht lange, dann öffnet sich die Türe des Wachcontainers. Eine Frau in Uniform tritt heraus, läuft über den großen Platz in Richtung Ausgang, vorbei am "Lighthouse". Das sogenannte Welcome-Center für Flüchtlinge hat abends, kurz vor zehn, längst geschlossen. Der Regen hat aufgehört, gerade war noch ein Gewitter über die Bayernkaserne gezogen. Acht Eritreer haben sich unters hölzerne Dach am Eingang der alten Kaserne geflüchtet. Bei ihnen sind zwei Asylhelferinnen; sie versuchen, herauszufinden, warum die Männer im Freien stehen und nicht in der Nähe von Inzell sind, wo sie in einem Gasthof einquartiert wurden.

Die Wachfrau könnte jetzt sagen: Bitte verlassen Sie das Gelände, das ist eine Anweisung der Regierung von Oberbayern. Die Frau aber sagt kein Wort zu den Flüchtlingen. Sie macht nur eine Handbewegung, wie man sie vielleicht machen würde, wollte man Hühner von einer Wiese scheuchen. Dazu, leise, aber eindeutig, ein Ton, der entsteht, wenn man Luft durch die Lippen presst: "Ffffffft!"

Es ist der seltene Fall, unmittelbar Zeuge der (Nicht-)Kommunikation zwischen Wachdienst und Flüchtlingen zu sein. Viele Geschichten über unsensiblen Umgang gehen um, aber die lassen sich kaum verifizieren. Die Männer tragen die Plastiktüten mit ihrer Habe auf die nasse Wiese vor der Mauer mit den bunten Wandbildern. "Free World" steht da, "Love is life". Es wird ihre sechste Nacht hier sein, drei davon haben sie in einer offenen Halle beim "Lighthouse" verbracht. Mit ihrem stillen Protest vor der Erstaufnahmezentrale wollen die Männer im Alter zwischen 19 und 32 Jahren erreichen, von Inzell weg in eine andere Unterkunft verlegt zu werden. Irgendwohin.

Wie die Regierung von Oberbayern reagiert

Die zuständige Regierung von Oberbayern bringe das in eine Zwickmühle, sagt Sprecherin Christian Rölz. Natürlich wolle man, dass die Flüchtlinge zufrieden sind, aber es könnten nicht alle Wünsche erfüllt werden angesichts der hohen Anzahl an Asylsuchenden. Und mache man einmal eine Ausnahme . . . Trotzdem suche man mit dem zuständigen Landratsamt nach einer Lösung, allein: "Wir können nichts in Aussicht stellen." Deshalb wolle man die Eritreer dazu bewegen, in ihre Unterkunft zurückzukehren.

Das gelingt am Donnerstag tatsächlich, auch dank des Engagements von Barbara Epple, Mitglied der Grünen im Bezirksausschuss. Sie begleitet mit einer Ehrenamtlichen die Gruppe nach Traunstein, ist als Mediatorin bei einem Gespräch im Landratsamt dabei, besichtigt den Gasthof bei Inzell. Der sei in Ordnung, die Wirtin sehr nett, Problem sei allein die Lage in einem schönen, aber sehr engen Tal. Diese Enge empfänden die Eritreer als psychisch belastend, zumal sie ohne Handyempfang keinen Kontakt in die Heimat halten könnten. Dennoch, vorerst wollen sie jetzt doch dort bleiben. Epple bittet das Landratsamt, sich aber um eine andere Bleibe zu bemühen, man dürfe die Psyche von Geflüchteten nicht unterschätzen.

"Das geht auf keinen Fall"

Was bleibt, ist das Unbehagen über den Umgangton am Tor der Bayernkaserne. Ein Sprecher des Wachdienstes Siba will sich nicht äußern. Als Regierungspräsident Christoph Hillenbrand von der Art des Umgangs erfährt, ist er alarmiert. Ist doch Ruhe in der Bayernkaserne erklärtes Ziel von Sozialministerin Emilia Müller (CSU), zu viele negative Schlagzeilen gab es schon. Hillenbrand hat diese Ruhe sicherzustellen, und dann diese Szene. "Das geht auf keinen Fall", lässt er ausrichten. "Der Sache gehen wir nach."

Die Wachfrau sprach nicht nur mit Flüchtlingen so an jenem Abend. Eine der beiden deutschen Helferinnen versuchte, mit ihr über eine Lösung nachzudenken: Ob man die Eritreer nicht zur Bahnhofsmission schicken könnte. "Die Deutschen schlafen auch auf der Straße", belehrte die Wachfrau in Anspielung auf Obdachlose. "Nehmen Sie sie doch mit nach Hause", schlägt sie der Helferin vor. Und dann schickt sie auch die Deutschen vom Hof: "Sie gehen jetzt auch! Abmarsch!" Wieder presst sie Luft durch ihre Lippen: "Ffffffft."

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SZ vom 08.05.2015/mmo
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