Süddeutsche Zeitung

Zweite Stammstrecke:Was bringt der zweite Tunnel für den Nahverkehr?

Am Dienstagnachmittag besiegelten Freistaat und Bund mit einem Finanzierungsvertrag den Bau des zweiten S-Bahntunnels durch die Innenstadt. Dem größten Münchner Verkehrsprojekt seit Jahrzehnten steht damit nichts mehr im Wege. Oder doch? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur geplanten Stammstrecke

Von Marco Völklein

Der zweite S-Bahn-Tunnel ist als Entlastung für die bestehende Röhre gedacht; zudem soll er dem S-Bahn-System mehr Kapazitäten bringen, damit die Region das erwartete Wachstum in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verkraften kann. Die Züge sollen von Westen kommend Laim passieren (der Bahnhof dort wird umgestaltet) und auf Höhe der Donnersbergerbrücke abtauchen, drei Zwischenstopps am Hauptbahnhof, am Marienhof sowie am Ostbahnhof einlegen und kurz vor dem S-Bahnhof Leuchtenbergring an die Oberfläche kommen. Mit einem besseren S-Bahn-Angebot wollen die Planer versuchen, Autofahrer von der Straße auf die Schiene zu locken. Dazu sollen künftig mehr Züge in dichterer Folge fahren.

Geplant ist, dass S-Bahnen nach Freising, Geltendorf, Tutzing und Erding sowie die S 8 zum Flughafen möglichst bis in den späten Abend hinein alle 15 Minuten fahren. Zusätzlich sollen von Mammendorf, Herrsching und Ebersberg aus sogenannte Express-S-Bahnen ganztägig alle 30 Minuten nach München rauschen. Die Express-Züge halten nicht an allen Stationen und sollen so vor allem den Pendlern aus Orten an den MVV-Rändern eine Alternative zum Auto bieten. Auf den Linien nach Petershausen, Holzkirchen, Wolfratshausen und Kreuzstraße soll es zunächst einmal beim 20-Minuten-Takt bleiben. Zumindest während der Hauptverkehrszeiten sollen aber nach Petershausen und nach Holzkirchen Verstärker fahren, um so einen Zehn-Minuten-Takt zu schaffen.

Vertreter der Deutschen Bahn (DB) und des Freistaats betonen stets, dass es sich bei diesem Liniengerüst nur um ein "Startkonzept" handelt; die konkreten Züge auf den einzelnen Linien werde der Freistaat erst kurz vor der geplanten Inbetriebnahme des Tunnels Ende 2026 bei der Regionalzugtochter der Deutschen Bahn bestellen. Zudem stellen die Planer des Freistaats immer wieder in Aussicht, dass auf lange Sicht auch Regionalzüge aus der gesamten Metropolregion, etwa aus Ingolstadt oder Augsburg, durch den Tunnel in die Innenstadt geführt werden sollen. Allerdings gibt es da noch einige Unzulänglichkeiten: Die bislang eingesetzten Regionalzüge sind nicht kompatibel mit dem Tunnel, etwa weil Doppelstockwagen schlicht nicht reinpassen, oder weil die Bahnsteige zu hoch sind für die Türen der Regionalzüge. Der Freistaat will dieses Problem dadurch lösen, dass die DB zusammen mit der Bahnindustrie in den nächsten Jahren einen gänzlich neuen Zugtyp entwickeln soll, die Rede ist von "Regional-S-Bahnen". Bislang aber gibt es solche Züge nicht.

Zudem müssten, beispielsweise auf der Strecke nach Rosenheim, die Kapazitäten ausgebaut werden - denn schon jetzt ist die Trasse mit den Fernverkehrszügen der DB, den Regionalzügen des Konkurrenten Meridian sowie zahllosen Güterzügen mehr als ausgelastet. Selbst Planer des Freistaats warnen intern: Für zusätzliche Regional-S-Bahnen ist da kein Platz mehr.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2016
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