Zweite Stammstrecke:Offener Streit in der CSU um S-Bahn-Ausbau

Die Lage ist brisant: Aus der Frage, wie der Ausbau des S-Bahn-Netzes finanziert werden soll, ist ein heftiger Koalitionstreit geworden. Auch ein Krisengipfel zwischen CSU und FDP endete ohne Ergebnis. Über parteiinterne Kritiker spottet Seehofer.

Peter Fahrenholz, Frank Müller und Marco Völklein

Staatsregierung und CSU ringen um eine einheitliche Position zum Ausbau des Münchner S-Bahn-Netzes: Nach dem von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verkündeten vorläufigen Aus für den zweiten Tunnel und der heftigen Gegenwehr von FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil trafen sich beide am Freitagnachmittag zu einem Krisengipfel. Allerdings endete die Runde nach gut einer Stunde offenbar völlig ohne Ergebnis. Weder gab es offizielle Informationen über die Inhalte noch wurde das Treffen an sich bestätigt. Zunächst müsse die CSU intern ihre Position klären, hieß es.

Wie brisant die Lage ist, zeigt sich daran, dass es nur eine ganz kleine, konspirative Runde war. Außer Seehofer und Zeil waren nur die beiden Chefs der Landtagsfraktionen, Georg Schmid (CSU) und Thomas Hacker (FDP), zugeladen. Gesprächsstoff hatte sich nach der Entwicklung der letzten Tage genug aufgetan, denn die Debatte über die Finanzierung entwickelte sich zum heftigen Koalitionsstreit. Vor allem Vize-Regierungschef Zeil, der als Verkehrsminister für den Bahnausbau zuständig ist, regt sich über Seehofers Abkehr vom Tunnel auf. Den hatte der Ministerpräsident nach der Weigerung des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude (SPD) verkündet, sich an der Vorfinanzierung für den Tunnel zu beteiligen,

Seehofer blieb auch am Freitag nach dem Koalitionsgipfel bei seiner Linie und äußerte sich spöttisch über seine innerparteilichen Kritiker aus der Oberbayern-CSU: "Ich bin sicher, dass diejenigen, die das vertreten, auch das Geld herbeischaffen", sagte Seehofer ironisch, als er bei der CSU-Vorstandsklausur in Kloster Andechs eintraf. "Das ist doch eine müßige Diskussion", meinte der CSU-Chef und sprach sich für schnelle Alternativlösungen aus. "Ich plädiere nach wie vor dafür, dass wir jetzt die Teile, die den Menschen dienen im Nahverkehr, anpacken und realisieren, aus eigener Kraft." An "Theorie-Diskussionen" habe er kein Interesse mehr.

Zeil machte demgegenüber erneut deutlich, dass er eine Abkehr vom Tunnel für einen Verstoß gegen die Koalitionsabsprachen hält. Es gebe, auf Wunsch der CSU, eindeutige Festlegungen im Koalitionsvertrag, und einen mit überwältigender Mehrheit getroffenen Beschluss des Landtags, so der FDP-Politiker. Zudem sei es unvernünftig, ein Projekt zu stoppen, für das schon 70 Millionen Euro an Planungskosten ausgegeben wurden. "Das kann doch wohl nicht sein, dass es ein prosperierendes Land und eine wohlhabende Stadt in 20 Jahren nicht schaffen, ein solches Projekt zur Baureife zu bringen."

Auch innerparteilich setzt sich der Ärger fort: Der frühere CSU-Verkehrsminister Otto Wiesheu, der das Tunnelkonzept entwickelt hatte, warnte in Andechs vor einem Planungsstopp. "Das wäre die falsche Entscheidung", sagte er zur SZ. Die Ebersberger CSU-Abgeordnete Christa Stewens beharrte darauf, "dass der zweite Tunnel notwendig ist, um die Lage der Pendler zu verbessern". Der Chef der Münchner CSU-Stadtratsfraktion, Josef Schmid, bezeichnete dagegen die innerparteiliche Kritik aus der Region am Kurs der Stadt-CSU als "Sturm im Wasserglas".

Er machte dafür Informationsdefizite der Landkreis-Kollegen verantwortlich. "Die Umlandvertreter merken erst jetzt, wie ernst die Situation ist", so Schmid. Die harsche Kritik aus den eigenen Reihen an der Münchner CSU erklärte er damit, dass im Umland noch "der Schmerz über das Aus für dem Tunnel die aktuelle Gefühlslage" präge. "Vielleicht sind wir herinnen da etwas weiter", sagte Schmid. Deshalb müsse man mit den Regionspolitikern in den nächsten Tagen über rasch umsetzbare Maßnahmen als Alternative zum Tunnel "noch etwas vertiefter reden", sagte Schmid und fügte hinzu: "Anscheinend sind die Kollegen noch nicht so weit."

Der Erdinger SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer machte einen alternativen Finanzierungsvorschlag. Der Freistaat solle sich die fehlenden 350 Millionen Euro bei der Europäische Investitionsbank (EIB) leihen, so Schurer. "Verkehrsminister Zeil ist nun aufgefordert, auch mal neue Wege bei der Finanzierung zu gehen." Die Förderbank der EU stellt Geld für Infrastrukturprojekte zur Verfügung - allerdings nicht als Fördermittel, sondern als zinsgünstige Darlehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: