Zweite Stammstrecke:München bekommt die 3,84-Milliarden-Röhre

  • Im April 2017 wird voraussichtlich Spatenstich für die zweite Stammstrecke sein, 2026 dann der neue S-Bahn-Tunnel in Betrieb gehen.
  • Für die Finanzierung haben sich die Beteiligten ein spezielles Finanzierungsmodell ausgedacht.
  • Demnach muss der Freistaat Bayern dem Bund zunächst gewaltige Summen vorstrecken: Von geschätzt 1,5 bis zwei Milliarden Euro ist die Rede, die Bayern nach und nach erstattet bekommt.

Von Lisa Schnell

Der Stolz ist dem Ministerpräsidenten anzumerken. Breitbeinig steht er da am Dienstagabend am Rednerpult in der Staatskanzlei; gerade haben Horst Seehofer und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (beide CSU) die Vereinbarung zu Bau und Finanzierung des zweiten S-Bahn-Tunnels unterzeichnet. Da zeigt Seehofer rhetorisch die stolze Männerbrust: Mit dem Projekt wolle der Freistaat auch zeigen, "dass man in Deutschland Großprojekte noch realisieren kann".

Mehr als 15 Jahre wurde gestritten und debattiert, immer wieder wurde der Baubeginn für den zweiten Tunnel, der die bestehende S-Bahn-Stammstrecke entlasten soll, in Aussicht gestellt - gebaut wurde nie. Nun nennen Seehofer, Dobrindt, Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) sowie Bahnchef Rüdiger Grube sogar ein konkretes Datum: Am 5. April 2017, um 15 Uhr, soll der Spatenstich erfolgen. Grube sagt, man wolle das alles feiern, mit einem zweitägigen Bürgerfest hinterm Rathaus. Die Bauzeit werde neun Jahre betragen, die ersten S-Bahnen sollen im Dezember 2026 durch den Tunnel fahren.

Seehofer sprach von einem "Quantensprung für den öffentlichen Personennahverkehr in Bayern". Das Projekt lasse "Hunderttausende Pendler aufatmen". Dobrindt sprach von einem "großen Tag für Oberbayern und München". Möglich wird das Ganze dadurch, dass der Freistaat den Finanzierungsanteil des Bundes an dem Milliardenprojekt vorstreckt. Ein Modell, das laut Dobrindt auch schon in anderen Kommunen, etwa bei der Kölner U-Bahn, in ähnlicher Weise praktiziert wurde.

Die Baukosten schätzen die Ingenieure der Deutschen Bahn (DB) laut Seehofer mittlerweile auf 3,2 Milliarden Euro. Rechnet man alle möglichen Risiken ein, könnte die Summe bis auf 3,84 Milliarden Euro klettern. Im Jahr 2015 waren die Planer noch von gut 700 Millionen Euro weniger ausgegangen. Die Kostensteigerung werde nun komplett vom Bund getragen, so Seehofer. Die neuen Zahlen seien zudem belastbar, ergänzte Herrmann, da die Bahn Teile des Bauwerks bereits ausgeschrieben hatte und die Angebote der Firmen der neuen Kalkulation zugrunde lägen. Auch bei Eintritt aller Risiken, sei das Projekt rentabel, der Kosten-Nutzen-Faktor stets positiv. Zahlen nannte Herrmann nicht.

Zweite S-Bahn-Stammstrecke

Über mehrere Stockwerke wird sich das geplante Zugangsbauwerk zum zweiten S-Bahn-Tunnel am Hauptbahnhof erstrecken.

(Foto: Deutsche Bahn (Simulation))

Von den 3,2 Milliarden Euro wird der Bund 1,5 Milliarden tragen, 1,4 Milliarden Euro übernimmt der Freistaat; die Bahn schießt laut Dobrindt etwa 150 Millionen zu, die Stadt München 155 Millionen. Um diese Summe stemmen und rasch mit dem Bau beginnen zu können, geht der Freistaat mächtig in Vorleistung: Das Land werde den Anteil des Bundes von 1,5 Milliarden Euro vorstrecken und sich das Geld anschließend aus dem für solche Projekte vorgesehenen Bundes-Topf, dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), zurückholen. Laut Hermann sollen Landtag und Staatsregierung die dafür notwendigen Etatbeschlüsse noch heuer fassen.

Laut Dobrindt wird der Bund mit der Rückzahlung frühestens nach Fertigstellung des Tunnels beginnen. Längstens habe man dazu 30 Jahre Zeit - diesen Zeitraum werde man aber nicht ausreizen. Nach der Neuregelung der Finanzen zwischen Bund und Ländern in der vorletzten Woche sei sichergestellt, dass die Geldtöpfe des Bundes auch über das Jahr 2019 hinaus zur Verfügung stünden, sagte Dobrindt. Sollten die kalkulierten Risiken in Höhe von 600 Millionen Euro eintreten, würden sich Bund und Freistaat diese im Verhältnis 60 zu 40 teilen.

Seehofer versprach, andere Schienenprojekte in Bayern würden unter dem Münchner Projekt nicht leiden: "Es muss niemand fürchten, dass etwas in Ober-, Mittel- oder Unterfranken unterbleibt." Die Opposition im Landtag befürchtet allerdings genau das - so hatte die Staatsregierung in den vergangenen Jahren zuletzt etwa 500 Millionen Euro im Verkehrsetat gehortet und dieses Geld eben nicht in Bayern investiert, kritisieren die Grünen. Zudem würden aus ihrer Sicht mit dem zweiten Tunnel viele Verkehrsprobleme nicht gelöst; weitere Ausbaumaßnahmen, beispielsweise auf den Außenästen, seien notwendig, forderten auch die Freien Wähler und die SPD.

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