Zweite Instanz:Richter erlauben Neonazi-Aufmarsch

Die Justiz sieht entgegen der Polizei-Prognosen keine Gefahr für die Sicherheit, untersagt aber das Tragen von Uniformen und Springerstiefeln.

Ekkehard Müller-Jentsch und Felix Berth

Das Verwaltungsgericht München und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof haben auf Antrag der "Bürgerbewegung gegen die Wehrmachtsausstellung" das von der Stadt verhängte Demonstrationsverbot aufgehoben. Wie berichtet, hatte die städtische Ordnungsbehörde den Marsch von der Theresienwiese zum Sendlinger-Tor-Platz und zurück untersagen und lediglich eine stationäre Kundgebung genehmigen wollen.

Die Verwaltungsrichter ließen sich jedoch durch die inhaltlich offenbar eher dünne polizeiliche Gefahrenprognose nicht überzeugen. Schon am Vormittag hatte die erste Instanz, das Verwaltungsgericht München, festgestellt, dass es mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht zu vereinbaren sei, dass bereits die Anmeldung einer Gegendemonstration eine zuerst angemeldete Versammlung verhindern könnte.

Kein Gewaltpotenzial bei den Gegendemonstranten

Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gegendemonstranten, die zum größten Teil "normale Bürger" seien, gewalttätig handeln würden.

Die Sicherheitsbehörden hätten nicht einmal konkret dargelegt, wie viele gewaltbereite Personen sie erwarten. Die Richter konnten auch nicht nachvollziehen, warum die Polizei nicht in der Lage sein solle, Demonstranten und Gegendemonstranten voneinander abzuschirmen.

Für die Annahme einer besonderen Ausnahmesituation, des so genannten unechten polizeilichen Notstands, bestehe daher "kein Raum".

Polizei und Kreisverwaltungsreferat hatten sich danach bemüht, die Verbotsverfügung "nachzubessern". Dann legten sie am späten Nachmittag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH), der nächsthöheren Instanz, Beschwerde gegen den Beschluss der ersten Instanz ein.

Am Abend wies der 24.Senat diese jedoch ab. Zur Begründung stellten die Richter ebenfalls fest, dass es an konkreten Tatsachen fehle: Allein die erwartete Anzahl von Demonstranten und Gegendemonstranten würden die Annahme einer nur durch Verbot abwendbaren Gefahr nicht rechtfertigen.

Die Verwendung von Fahnen und das Tragen von Uniformen oder Uniformteilen wie Springerstiefeln und Bomberjacken bleibt jedoch verboten. Ebenfalls untersagt ist das Skandieren von Äußerungen wie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" oder das Rufen von Parolen mit der Wortfolge "Nationaler Widerstand".

Politiker rufen zur Gegendemonstration auf

Münchner Politiker riefen daraufhin dazu auf, am heutigen Samstag gegen die Neonazis zu demonstrieren. "Die Bürger müssen deutlich machen, dass die Neonazis unerwünscht sind", sagte der Fraktionschef der Rathaus-SPD, Helmut Schmid. Er forderte dazu auf, um 10 Uhr zur Gegendemonstration am Marienplatz zu kommen; danach könne man weitersehen, wo man sich den Neonazis entgegenstelle.

Ähnlich Siegfried Benker von den Grünen: "Nach der Demonstration am Marienplatz werden sicher viele Menschen dorthin gehen, wo die Neonazis marschieren - wir wollen zeigen, dass sie in München nichts verloren haben." Auch Marian Offman, Sprecher der Münchner CSU, hält eine Teilnahme an den Gegenkundgebungen für angemessen: "Auch wir sind dafür, dass jetzt demokratisch gegen die Neonazis demonstriert wird."

Die Gewerkschaft Verdi forderte dazu auf, das Gewerkschaftshaus in der Schwanthalerstraße am Samstag "zu schützen": "Die deutschen Gewerkschaften haben schon einmal miterleben müssen, wie Nazis die Gewerkschaftshäuser stürmten"; dies dürfe sich nicht wiederholen, sagte Heinrich Birner von Verdi.

Auch andere Gruppen ermunterten die Münchner Bürger, nicht ausschließlich zur Anti-Nazi-Demonstration am Marienplatz zu kommen. "Wo immer die Nazis aufmarschieren - wir werden präsent sein", erklärten Martin Löwenberg und Corinna Poll vom "Bündnis gegen den Nazi-Aufmarsch".

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