Zusammentreffen von Linken und Rechten im Gericht:Schläge aus dem schwarzen Pulk

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Erneut treffen sich Linke und Rechte vor Gericht: Zwei Frauen und drei Männer sind angeklagt, einen Infostand der rechtsextremen Bürgerinitiative Ausländerstopp angegriffen zu haben. Die Beweisführung ist schwierig.

Von Bernd Kastner

Diesmal will die Justiz nichts anbrennen lassen. Wieder treffen sich Linke und Rechte vor Gericht, doch diesmal soll es nicht, wie am 2. Januar, zu Tumulten kommen, sollen nicht wieder Reporter attackiert werden. Am Montag waren zwei junge Frauen und drei Männer angeklagt, einen Infostand der rechtsextremen Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) angegriffen zu haben, am 10. März 2012 auf der Schwanthalerhöhe

Gegen zehn Uhr stürmte eine Gruppe linker Gegendemonstranten mit Gebrüll auf die Rechten. Es kam zu einer kurzen Schlägerei, BIA-Leute wurden verletzt. Die Anklage lautet auf gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch, die Angeklagten sind zwischen 16 und 26 Jahre alt.

Der Prozess vor dem Jugendgericht beginnt stark verspätet, was an den strengen Zugangskontrollen liegt: An die zwei Dutzend Polizisten und Justizwachtmeister sind im Einsatz, von allen Zuschauern werden die Personalien aufgenommen, Taschen zwei-, dreimal kontrolliert, alle Personen werden abgetastet.

Monika Andreß, die Jugendrichterin, agiert souverän. Mal freundlich, fast mütterlich, dann wieder streng vermittelt sie den Beteiligten den nötigen Ernst. Aber auch, dass es keine allzu große Sache ist, um die es geht. Das Problem von Gericht und Staatsanwaltschaft ist herauszufinden, wer was getan hat: Wer hat aus dem weitgehend schwarz gekleideten Pulk heraus zugeschlagen? Wer hat nur gebrüllt? Wer ist einfach nur weggelaufen?

Wie schwer die Beweisführung ist, wird beim ersten Zeugen deutlich, einem Polizisten. Er stand in Sichtweite vom Infostand neben seinem Streifenwagen, sprang dann schnell hinein und fuhr mit seinem Kollegen einem Flüchtenden hinterher. Viel sagen kann er aber nicht, von mitgeführten Waffen hat er nichts mitgekriegt: "Das ging relativ schnell", fünf bis zehn Sekunden, schätzt er. Es ist Marco Noli, Verteidiger eines der Angeklagten, der die Aussagekraft des Zeugen in Zweifel zieht.

Wie es denn komme, dass der Polizist fast wortgleich dasselbe in seinem Bericht niedergeschrieben habe wie sein Kollege ein paar Tage früher? Der Polizist beteuert, dass das Zufall sei, "abschreiben tu ich grundsätzlich nicht". Das wiederum bezweifelt Noli: Immerhin ist in beiden Berichten jeweils der Name seines Mandanten identisch falsch geschrieben, und ein weiterer Schreibfehler ist ebenso identisch. Der Polizist bleibt dabei, nicht kopiert zu haben. Das Publikum kichert.

Der zweite Zeuge ist ein Rechtsradikaler, er wurde am Kopf verletzt. Aber auch er kann nicht mit Sicherheit sagen, wer es war. "Dass das eine Sauerei ist, ist klar", sagt die Richterin. Allein, man müsse halt die Täter finden.

Der rechte Zeuge überrascht mit der Aussage, dass er zwei Zivilpolizisten beobachtet haben will, die mit den Linken im Pulk gelaufen und die Rechten angepöbelt haben sollen. Die Richterin fragt nach, der Zeuge bleibt dabei, die Richterin schaut ungläubig. Und als der Zeuge an anderer Stelle sich nicht recht erinnern kann, wirkt sie wieder verwundert: "Hey", ruft sie, "so oft wird man auch nicht vermöbelt." Die Verhandlung wird im Februar fortgesetzt.

© SZ vom 29.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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