Süddeutsche Zeitung

Zum Wilden Hund:Saure Zipfel

Trotz oberbayerischer Idylle hoch über dem Pilsensee regieren die Franken im urwüchsigen Landgasthof Zum Wilden Hund in Widdersberg.

Luis Löschnigg

In Widdersberg hoch über dem Pilsensee werden mindestens zwei Klischees bedient. Klischee Nummer eins - bayerisches Idyll: Barock und bieder schaut das Ortsbild aus, mit putzigen Häusern, die sich an der Anhöhe festkrallen und in den Schatten des Kirchturms ducken. Unten am Fuß des Berges liegt ein spiegelnder Fischweiher, eine löchrige Straße windet sich den Berg hinauf.

Klischee Nummer zwei - Spielplatz der Reichen: Auf dem Parkplatz vor dem Landgasthaus Zum wilden Hund parken PS-Boliden, Cabrios und geländetaugliche Großlimousinen, wie es Auswärtige als typisch für den Landkreis Starnberg ansehen. Doch wer vom ersten Klischee angezogen wurde, der sollte sich vom zweiten nicht abstoßen lassen.

Alles sehr reell, sogar die Preisgestaltung

Wo einst ein Grieche seine Stammkundschaft bediente, verlassen nun saure Zipfel die Küche. In Bauernstube und Biergarten regieren jetzt Franken. Von dort stammen auch die Bratwürste, Wild und Fisch haben dagegen in der näheren Umgebung des Pfaffenwinkels gelebt. Vom Main kommt säurearmer trockener Müller-Thurgau, aus dem Fass läuft Dunkles aus Kaltenberg und Weißbier vom Isar-Bräu. Gekünstelt wirkt allein die verschnörkelte Schrift auf der Speisekarte - aber sonst bleibt im Wirtshaus alles sehr reell, sogar die Preisgestaltung.

Jedenfalls räumen die fränkischen Wirte mit dem Vorurteil auf, dass alles rund um Starnberg teuer sein muss. Hauptgerichte kosten zwischen 10 und 15 Euro, Suppen um die 3 und Nachspeisen bis zu 6 Euro. Für die Halbe Helles werden 2,90 genommen, für dieselbe Menge Quellwasser 2,30, für das Viertel Weißwein 4,50 Euro. Der Gast bekommt dafür ordentliche Portionen in sehr ordentlicher Qualität und einen überaus anständigen Service, der sich regelmäßig und ernsthaft erkundigt, ob auch alles passe.

Manchmal darf es sogar etwas mehr sein als nur Essen. Der Wilde Hund, dessen Namensgeber eine kitschige Bulldogge aus Plastik vor der Eingangstür zu sein scheint, lädt unregelmäßig zu Veranstaltungen - etwa einem Fest mit italienischem Alleinunterhalter und sogar einem Exemplar der aussterbenden Art der Eintänzer: Der alte Herr, gewandet in einem beigefarbenen Sommeranzug mit Weste und Schiebermütze, ließ sich nicht davon abhalten, den ganzen Nachmittag über die Terrasse zu schweben, meist allein.

Und das fränkische Element?

Die Gerichte dagegen verraten solides, erdverbundenes Küchenhandwerk. Die Rindskraftbrühe mit ihren feinen Suppennudeln war wirklich kräftig, gut gewürzt und wenig entfettet. Mutig in die Kräuter griff der Koch auch beim Mischen einer hervorragenden Salatsoße, die er an seine mit bunten Sprossen gekrönten, knackigen Blattsalate gab - als Hauptspeise ein Genuss für die Vegetarier am Tisch, als Beilage erfrischend zum dünnen Wiener Schnitzel. Das Kalbfleisch des Schnitzels war wunderbar zart in einer goldbraunen luftigen Panade, dazu gab es in dünne Scheiben geschnittene Röstkartoffeln.

Zur gebackenen Milzwurst, der fränkischen Rostbratwurst und dem saftigen Nackensteak vom Holzgrill im Biergarten wurde jeweils ein hausgemachter Kartoffelsalat serviert, der wirklich nach Kartoffeln schmeckte und nicht nach Plastikeimer. Das Stück Schweinenacken, auf dem Grill im Biergarten zubereitet, war für Löschnigg das beste Grillfleisch dieses Sommers: außen schön gebräunt und fest, innen saftig und butterzart. Auch die in Alufolie perfekt gegrillte Forelle war sensationell gewürzt, dabei mit feinst geschnittenem Wurzelgemüse umlegt.

Hervorragend auch die Nudelgerichte: Bandnudeln gab es einmal mit gebratenen Steinpilzen, ein anderes Mal mit einer Soße aus Wildpilzen und Trüffelbutter: eine Wanne voll davon, bitte, und hineinlegen! Zum Nachtisch gab es einmal einen luftigen und fruchtigen Heidelbeerpfannkuchen, ein anderes Mal einen schön warmen Apfelstrudel mit Vanilleeis.

Und das fränkische Element? Das zeigte sich in den Zubereitungen aus der kurzen Bratwurst. Ob braun gebraten als Nürnberger auf Kraut oder blau als saure Zipfel in einem gut gekräuterten Weißwein-Essig-Sud, wahrscheinlich ist es diese Art, mit Kräutern und Gewürzen umzugehen, die in Oberbayern oft fremd ist. Kürzlich widmete die Küche den Spezialitäten aus dem bayerischen Norden sogar ein ganzes Wochenende. Vielleicht dominiert wirklich bald das fränkische Rot-Weiß über Altbayerns Weiß-Blau.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2007/af
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