Zum Tod von Jennifer Nitsch:Tiefgründig einsam

Freunde berichten von Alkohol- und Drogenexzessen, dazu von psychischen Problemen. Das Leben abseits von Parties und Filmdrehs scheint für die Schauspielerin kein lebenswertes mehr gewesen zu sein.

Von Christine Dössel

Nach ihren Vorsätzen für das neue Jahr befragt, antwortete Jennifer Nitsch im Dezember 2003: "Weniger arbeiten." Ansonsten, sagte sie, nehme sie sich gar nichts vor, schon gar nicht, mit dem Rauchen aufzuhören. "Ich bin nicht so ein Mensch, der sagt: ,So, jetzt ändern wir das mal.'"

Zum Tod von Jennifer Nitsch: Jennifer Nitsch stürzte in den Tod

Jennifer Nitsch stürzte in den Tod

(Foto: Foto: dpa)

Jennifer Nitsch war keine, die ihr Leben der Vernunft anpasste. Freunde berichten von Alkohol- und Kokain-Exzessen, von wechselnden Partnern und der Neigung zur Auto-Aggression. Sie lebte nach dem "Wenn schon, denn schon"-Prinzip, und so starb sie auch. Der Fenstersturz, mit dem die 37-jährige Schauspielerin am Sonntag ihrem Leben ein Ende setzte - und ihren Körper zerstörte -, ist eine Auslöschung. Sie ging, wie sie kam: mit einem Schlag.

Die gebürtige Kölnerin war als Schauspielerin eine Autodidaktin. Eine Naturbegabung. Als sie 1991 in Sönke Wortmanns Kinoerfolg "Allein unter Frauen" erstmals auffiel, schien sie wie aus dem Nichts zu kommen. An der Seite von Meret Becker und Carin C. Tietze spielte sie eine herbe Blondine in einer Frauen-WG, die den Macho Thomas Heinze zum Kochen brachte. Mit einer Reibeisenstimme, so rauchig, kalt und lasziv, dass einem ganz anders wurde.

Zuvor hatte Jennifer Nitsch eine Ausbildung zur Kostümbildnerin gemacht, dann erste Rollen in Serien wie Derrick übernommen. Es war, als habe sie sich selbst erschaffen. Sie strahlte eine Kraft aus, die ihr im eigenen Leben fehlte.

Tiefgründig einsam

Der Durchbruch kam 1994 in dem ZDF-Fünfteiler "Nur eine kleine Affäre". Nitsch setzte darin drei Männern so schwer zu, dass sie dafür den Bayerischen Fernsehpreis und den begehrten Adolf-Grimme-Preis erhielt - mit der Begründung, sie rage meilenweit aus dem Seriensumpf des deutschen Fernsehens heraus.

Das tat sie auch in Dieter Wedels Erfolgsproduktion "Der Schattenmann" (1996), in der sie mit unterkühltem Sex-Appeal eine zwielichtige Milieu-Geliebte spielte. Spätestens von da an haftete ihr das Etikett an, die deutsche Sharon Stone zu sein: kalt, stark, selbstbewusst, eine Blondine gegen alle Klischees.

Jennifer Nitsch hatte als Frau das gewisse Etwas - so etwas Erfahrenes, Wissendes, das sie stets älter und reifer wirken ließ, als sie war. In ihrem Blick lag eine Art von Trauer, etwas Dunkles, das sie wie ein Rätsel mitbrachte in ihre Rollen, auch in die weniger tiefgründigen, die sie in den letzten Jahren spielte.

Regisseur Wedel, der wie viele Kollegen tief bestürzt ist von ihrem Tod, nennt das ihre "Schlangenhaftigkeit". Sie habe die Fähigkeit besessen, den Subtext einer Rolle mitzuspielen: "Jennifer hatte eine Unbedingtheit und Leidenschaft, die selten ist." Mitschuld an ihrem Tod gibt der Regisseur dem Flachsinn, der im deutschen Fernsehen grassiert. Eine wie Jennifer Nitsch sei zuletzt nicht mehr gefordert worden. "Sie war sichtbar dabei, vor die Hunde zu gehen. Aber wie tief ihre Einsamkeit war, das haben wir nicht gewusst."

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