Zum Tod von Gerd Käfer:Tafeldecker der Nation

Gerd Käfer

In der Nacht zum Samstag ist Gerd Käfer im Alter von 82 Jahren in seiner Bogenhausener Wohnung gestorben.

(Foto: dpa)

Gerd Käfer bekochte die High Society nicht nur, er wurde zu einem Teil von ihr. Er baute den Feinkostladen seiner Eltern zu einem deutschen Gastro-Imperium aus. Und seine Kunden ahnten oft erst, was sie unbedingt wollten, als er es ihnen brachte.

Von Stephan Handel

Durch die ganze Republik und darüber hinaus hatte der Spiegel seinen Reporter geschickt für den Bericht "Die Reichen in Deutschland". Klar, dass der Mann dabei an München nicht vorbei kam und nicht an Gerd Käfer: Der sei durch die "Konjunktur der Einfallslosigkeit" nach oben gekommen, indem er seinen Auftraggebern, also den Reichen liefert, woran es ihnen mangelt: "Gärten in wenigen Stunden mit Zeltdächern zu überspannen, mächtige Grillfeuer zu entfachen, einen ganzen Ochsen am Spieß zu rösten, Karusselle, Schiffschaukeln oder einen importierten alten Brunnen aus Andalusien aufzubauen - für Käfer ist das alles eine Frage von Stunden."

Die große Reportage des Autors Peter Brügge erstreckte sich über mehrere Hefte. Sie erschien 1966 und zeichnet ein Bild der Dekadenz, der Überspanntheit und der Langeweile, die nur durch immer neue Reize, Inszenierungen, Sensationen für kurze Zeit verdrängt werden kann. Was München betrifft, so wird unter anderem "Deutschlands einziger Gesellschafts-Kolumnist" Hannes Obermaier erwähnt mit der Bemerkung, er werde in seinen Texten nur noch die wenigen nennen, die er nicht schon in seinen letzten vorletzten und vorletzen Texten genannt habe.

Das Stück ist ein typisches Spiegel-Stück: brillant geschrieben und von einer überbordenden Boshaftigkeit. Es ist wahnsinnig übertrieben und in jedem Wort wahr. Aber verstanden hat der Autor, was München und seine Gesellschaft betrifft, praktisch überhaupt nichts - und was Gerd Käfers Rolle darin betrifft, gleich noch viel weniger.

Fleiß und Geschäftssinn sind nur das halbe Geheimnis seines Erfolgs

Es gab in den vergangenen Jahren viele Anlässe für Geschichten über Gerd Käfer, wie sie nun einmal hohes Lebensalter und damit einhergehende Geburtstage nebst Ehrungen mit sich bringen: 70. Geburtstag, 75. Geburtstag, Gastronom des Jahres, 80. Geburtstag. Dazu kommt, dass er selbst einen großen Teil seiner Diskretion aufgab, weil er wohl fand, er sei nun alt genug, um nicht mehr auf alle und alles Rücksicht nehmen zu müssen. Die meisten dieser Geschichten schildern seinen Werdegang, als habe er nur mit Fleiß und Geschäftssinn das Feinkostgeschäft seiner Eltern in der Prinzregentenstraße vergrößert, ausgebaut, aus dem kleinen Einzelhandels-Unternehmen eine international agierende Firma geformt. Aber das ist höchstens die Hälfte der Wahrheit.

Käfers Erfolg bestand darin, dass sich ein Markt, ein Bedürfnis bildete - und dass er der Mann war, der das erkannte, vielleicht eher spürte, und der das Zeug hatte, die Wünsche seiner Kunden zu erfüllen. Leute, die einen Partyservice in Anspruch nahmen, waren naturgemäß Leute mit gut gefüllten Bankkonten; die Mittelschicht pampte den Nudelsalat fürs Fest immer noch selbst zusammen. Für die betuchte Klientel reichte es aber jetzt, wo das Wirtschaftswunder an seinem Höhepunkt angelangt war, nicht mehr, den Mett-Igel durch Lachs zu ersetzen und die Käsewürfel durch Austern. Die Distinktion verlangte nach mehr, und weil sich die Summen, die jemand fürs Essen ausgab, nicht unendlich steigern ließen, musste etwas anderes her.

Ein Rund-um-Paket für jeden Geschmack

Und das war Käfers geniale Idee: nicht Verpflegung zu liefern, sondern eine Idee. Nicht ein Buffet hinzustellen, sondern eine Inszenierung. Rokoko-Kostüme, goldenes Besteck, Dekoration á la mode, ausreichend Servicepersonal gleich dazu, Musik vom Zitherspieler bis zum Streichquartett, die wirkliche Neuerung, dass die Gäste sich nicht mehr am Buffet um die Garnelen balgen mussten, sondern dass diese zu ihnen hingetragen wurden, was sonst nur bei gesetzten Essen üblich war: Käfer hatte die Ideen, auf die seine Kunden nie gekommen wären, die aber trotzdem diese schmückten und nicht jenen - wie der Spiegel schrieb: Es gebe kaum noch eine Münchner Gesellschaft, "die nicht an Leckerbissen von Käfer knabbert, sich über Einfälle und merkwürdige Buffet-Aufbauten von Käfer amüsiert und so tut, als danke sie dies alles der wunderbaren Hausfrau".

Adliges Getue, das so daherkommt, als sei es am Vier-Platten Herd gekocht

Die Profanisierung des Höfischen könnte man das nennen - ein adliges Getue, das trotzdem so daherkommt, als sei es am Bogenhausener Vier-Platten-Herd zusammengebrutzelt worden. Gerd Käfer war dann wohl einer der ersten, die nicht in der Rolle des Dienstleisters blieben - einer der ersten jener Menschen, von denen andere Menschen denken, sie müssten interessant sein, weil sie für berühmte Leute kochen, Häuser bauen oder ihnen die Haare schneiden. So wurde Käfer selbst ein Teil der Münchner Society - und der bundesweiten dazu, denn längst schon beschränkte sich sein Wirkungskreis nicht mehr auf Oberbayern und angrenzende Gebiete.

Das war seine größte Zeit, bald 20 Jahre war er der "Tafeldecker der Nation". Jedoch: Es kamen andere nach, die es auch konnten, und die "Droge Käfer" konnte auch durch immer weitere Steigerung der Dosis ihre Wirkung nicht mehr erzielen - die Leute waren Käfer-müde. In dieser Zeit fand Gerds Sohn Michael, der sich seine ersten Sporen verdient hatte als Geschäftsführer im P1, man müsse nun noch mal alles anders machen, durchstarten - während der Alte offenbar ernsthaft ans Verkaufen dachte. Das war ein klassischer Vater-Sohn-Konflikt, den in diesem Fall der Sohn gewann: Michael ist seitdem alleiniger Herr über das Unternehmen, Gerd behielt nicht einmal ein Büro am Firmensitz in der Prinzregentenstraße. Es dauerte an die 20 Jahre, bis der Vater den Groll vergessen konnte und wieder sprach mit seinem Sohn.

Mops Henry ist in München fast so bekannt wie sein Herrchen

Er war zu diesem Zeitpunkt gerade mal Mitte 50, also noch weit entfernt vom Altenteil. Also machte er einfach weiter, organisierte Partys, brachte Essen unter die Leute und anderes: Gerade mal sechs Jahre ist es her, da kündigte er groß die "Gerd Käfer Mode Kollektion" an, die sich allerdings bei genauerem Hinsehen als zugekaufte Parkas erwiesen, in die er sein Logo und seine Unterschrift hatte einsticken lassen. Mit seiner neuen Lebensgefährtin Uschi Ackermann kam Mops Henry in sein Leben, und seitdem gibt es nicht nur "von "Gourmetpapst Gerd Käfer empfohlene Hundechips", sowie "Gerd Käfer's scharfe Ingwer-Möpse", für die es allerdings keinen Gourmet-Papst braucht, um sie grässlich zu finden.

Mit Roland Kuffler betreibt er mehrere Lokale in Frankfurt, in der Oper und am Flughafen. In Kitzbühel hat er einen Turm renovieren lassen - inklusive Wandmalerei mit ihm selbst in toskanischer Landschaft - und bietet ihn für Events an. Die Münchner Gesellschaft, die ihn genährt und großgemacht hat, beobachtete mit einer Mischung aus Amüsement und peinlicher Berührtheit, dass ihm immer mehr wurscht wurde und er sich keine Gedanken darüber machte, ob andere seine Scherze auch so lustig fanden wie er.

Einen Grabstein gibt es schon länger

Das Familiengrab der Käfers liegt auf dem Ostfriedhof, nicht weit weg von Moshammer, Singerl, Barbara Valentin. Vor Jahren schon hat Gerd Käfer dort seinen eigenen Grabstein aufstellen lassen, mit der Inschrift: "Der bayerische Tafeldecker Gerd Käfer kommt einmal hier zur Ruhe". Nun wird der Ruhelose seine Ruhe finden: In der Nacht zum Samstag ist Gerd Käfer im Alter von 82 Jahren in seiner Bogenhausener Wohnung gestorben.

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