Towje Kleiner ist tot:Liebenswerter Chaot aus der Münchner Vorstadt

Towje Kleiner spielte in den "Münchner Geschichten" von Helmut Dietl mit und war als Schiffskoch Odessi der neue Freund von Pumuckl. Seine liebenswerten Chaoten schienen stets so, als seien sie der Münchner Vorstadt entsprungen. Nun ist der Schauspieler im Alter von 63 Jahren überraschend gestorben.

Eva-Elisabeth Fischer

Mitten im Gesicht hängt ein schwarzer Schnauzer. Ein Stückchen darüber leuchten unter buschigen Brauen runde Augen, die in der Aufregung hervorquellen wie die Pelzknöpfe. Ganz oben sträubt sich, krönend über hoher Stirn, ein dunkler Lockenschopf, fast ebenso wirr und durcheinander wie der ganze Kerl. Towje Kleiner war das zappelige Pendant zu Woody Allen, der solistische Westentaschen-Wiedergänger von Groucho Marx.

Towje Kleiner ist tot

"Wenn man zurückschaut, dann ist schon viel passiert, in meinem Leben ganz besonders", sagte Towje Kleiner einmal in einem SZ-Interview. Nun ist er tot.

(Foto: dpa)

Seine ebenso enervierenden wie liebenswerten Chaoten schienen, so suggerierten es die Fernsehserien, in denen man Kleiner lieben lernte, als seien sie der Münchner Vorstadt entsprungen. Helmut Dietl hatte ihm allerdings den exotischen Hintergrund hineingeschrieben in die Figur des Achmed in den "Münchner Geschichten", der die hochstaplerische Welt des Glasscherbenviertel-Casanovas Charly begleitete. Und die Schlagabtäusche, die er sich im Beziehungsclinch mit Monika Schwarz im "Ganz normalen Wahnsinn" lieferte, trieben einem vor Freude die Tränen in die Augen, auch wenn man sich heimlich sagte: den bitte nicht.

Towje Kleiner war der Mann an Dietls Seite, der in den Jahren 1974 und 1979 das Genre der Vorabendserie sprengte. Zwei Irre, der eine vor, der andere hinter der Kamera, die es zumindest ein Stück des Weges miteinander produktiv aushalten konnten. Man hätte gern in den Kulissen Mäuschen gespielt.

Denn Towje Kleiner, so lässt sich vermuten, spielte den Neurotiker ja nicht nur, sondern überdrehte einfach das entsprechende Schräubchen zur Tragikomik, was ihn letztlich vor dem Absturz rettet. Hinter abgrundtief verzweifelter Komik lauerte die Melancholie. Die lag in seiner Biographie begründet. Er kam am 4. April 1948 im Lager Föhrenwald zur Welt als Sohn von Displaced Persons, als deren Hoffnung, gewiss. Sein Name beginnt mit dem hebräischen Wort "tow", und das heißt gut. Was dennoch nicht darüber hinwegtäuscht, dass er, wie alle Angehörigen der zweiten Generation von Holocaust-Überlebenden die Last der Verfolgung mit sich trugen.

Frühe Stationen seines Lebens waren Israel, Schweden, Kanada, England, Argentinien und Deutschland. In Israel hatte er 1967 am Jiddischen Theater debütiert, in Israel hat er zuletzt Schauspiel unterrichtet. Nach den Serienerfolgen, zwischen Keks-Reklame, "Pumuckl"-Filmen und Fernseh-Schmonzetten spielte er in ernsthaften Literaturverfilmungen, 1984 in "Der Schneemann", einem Film, der auf einem Kriminalroman von Jörg Fauser basierte, und 1986 in Peter Lilienthals "Das Schweigen des Dichters" nach einem Roman des israelischen Schriftstellers A.B. Jehoschua.

Towje Kleiner hat Uhren gesammelt. Seine Uhr ist abgelaufen.Er ist in der Nacht zum Montag überraschend gestorben.

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