Zum Tod des Holocaust-Überlebenden:"Max Mannheimer konnte die Schüler in seinen Bann ziehen"

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Von seinem Leben hat Max Mannheimer Tausenden Schülern erzählt. (Foto: ddp images/Lukas Barth)

Freunde und Weggefährten erinnern sich an den Menschen Max Mannheimer, seinen Humor und sein Engagement

Protokolle: Silke Lode, München

Am Freitag ist der KZ-Überlebende Max Mannheimer im Alter von 96 Jahren in München gestorben. Langjährige Weggefährten und Freunde schildern ihre ganz persönlichen Erinnerungen an den Mahner und Versöhner.

Abba Naor, Holocaust-Überlebender: "Max Mannheimer war für mich vor allem ein Vorbild. Wenn der Max nicht gewesen wäre, dann hätte man ihn erfinden müssen. Er war acht Jahre älter als ich und für mich ein gewisser Lehrer. In seiner Art war er ein Phänomen: Er war ein wunderbarer Geschichtenerzähler und konnte auch sehr witzig sein. Wenn ihm etwas nicht gepasst hat, konnte er aber auch aufwecken. Sein Wort hat eine große Rolle gespielt, ob es im Landtag war, in der Landesregierung, in der Stiftung Bayerische Gedenkstätten oder im Internationalen Dachau Komitee. Ohne ihn wurde nichts gemacht."

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Kommentar von Kurt Kister

Hans-Jochen Vogel, Münchner Alt-Oberbürgermeister (SPD): "Ich habe Max Mannheimer in den Fünfzigerjahren über seine zweite Frau kennengelernt, eine SPD-Stadträtin. Aus dieser Zeit stammt eine ganz persönliche Erinnerung: Als ich 1959 von meinen Freunden aufgefordert wurde, als 33-Jähriger für das Amt des Münchner OBs zu kandidieren, da habe ich das Ehepaar Mannheimer aufgesucht. Er und seine Frau Elfriede haben mir zugeredet, ich soll es versuchen.

Aus dieser Beziehung ist eine wirkliche Freundschaft geworden. Er war für mich eine der großen Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts, weil er in einer Art und Weise die Verbrechen des Nationalsozialismus vor dem Vergessen bewahrt hat, die insbesondere junge Menschen sehr beeindruckt hat. Er hat nicht angeklagt, sondern er hat den Menschen nahe gebraucht, sie seien dafür verantwortlich, dass sich so etwas nie mehr wiederhole.

Wir beide haben uns seit mehr als 20 Jahren darum bemüht, dass in Mühldorf-Mettenheim eine Gedenkstätte für das dortige Außenlager des KZ Dachau ins Leben gerufen wird. Mannheimer hat dort die letzten Kriegsmonate verbracht. Zuletzt hat auch Herr Seehofer ihm versprochen, es werde alles geschehen, dass es noch zu seinen Lebzeiten zur Eröffnung der Gedenkstätte komme. Aber leider - und darüber bin ich traurig - ist das nicht mehr gelungen."

Karl Freller, CSU-Landtagsabgeordneter und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten: "Was mich immer beeindruckt hat, war sein Humor, den er trotz seines extrem schlimmen Schicksals nicht verloren hat. Eine meiner interessantesten Begegnungen mit ihm war eine viertägige Israel-Reise im Herbst 2012. Horst Seehofer war damals Bundesratspräsident, wir sind mit der Kanzlermaschine geflogen. Die Rückreise werde ich nie vergessen: Wir saßen uns in Loungemöbeln zu viert gegenüber, Charlotte Knobloch, Horst Seehofer, Max Mannheimer und ich. Mannheimer hat köstliche Witze gebracht, humorvoll und menschlich aus seinem Leben erzählt. Er konnte auch so eine Runde beeindrucken und für sich einnehmen."

Helma Wenzl, Schulleiterin des Anne-Frank-Gymnasiums in Erding: "Als ich 1985 als kleine Lehrerin am Gymnasium Grafing angefangen habe, war Max Mannheimer seit kurzer Zeit immer wieder als Zeitzeuge da. Später bin ich ihm in Dorfen wiederbegegnet, und als ich 2008 Direktorin in Erding wurde, trug die Schule seit einigen Jahren den Namen Anne-Frank-Gymnasium. Ich habe ihn dann mindestens einmal pro Jahr eingeladen, er kam auch zu Projekten oder Feiertagen wie dem Schuljubiläum.

Er war als Zeitzeuge enorm wichtig, wenn er sprach, war es in den neunten Klassen mucksmäuschenstill. Er konnte mit seiner Persönlichkeit die Schüler in seinen Bann ziehen, da musste man nie ermahnen oder vorher Verhaltensregeln ausgeben. Für unsere Schulfamilie ist er unersetzlich, er war fast eine Institution. Das, was er an den Schulen gemacht hat, hat er nicht nur als Job gesehen. Jemandem wie mir, den er schon lange kannte, ist er freundschaftlich begegnet, das fand ich persönlich sehr berührend."

Reaktionen
:"Es liegt nun an uns, sein Vermächtnis fortzuführen"

Der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer war eine der wichtigsten Stimmen für die im Nationalsozialismus ermordeten Juden. Seine Mahnung, nicht zu vergessen, bleibe unser Auftrag, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde: "Max Mannheimers ermahnende und versöhnliche Stimme ist jetzt für immer verstummt. Bis zuletzt prangerte er wachsende Geschichtsvergessenheit, Rechtsextremismus, Antisemitismus sowie Menschenverachtung in jeder Form an. Mit seinen Büchern und seiner Kunst sowie in den Berichten der vielen tausend Schülerinnen und Schüler, die von den Gesprächen mit ihm erzählen können, hat er ein wichtiges und wertvolles Vermächtnis hinterlassen - gegen Gedankenlosigkeit, für Achtsamkeit, für die Entschlossenheit, unsere Freiheit und diese Demokratie zu beschützen."

Barbara Distel, langjährige Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau: "Gemeinsam mit dem Historiker Wolfgang Benz habe ich 1985 den ersten Band der Dachauer Hefte herausgegeben. Darin waren Max Mannheimers Erinnerungen abgedruckt, die er Jahre vorher verfasst hatte. Das war der Beginn seines Lebens als Zeitzeuge, vorher ist er nie öffentlich aufgetreten. Wir haben über Jahrzehnte intensiv zusammengearbeitet und Kontakt gehalten. Als Freund war er unglaublich humorvoll und hat das Leben auch genossen. In letzter Zeit war er sehr gebrechlich und konnte schlecht laufen. Da habe ich ihn in seinem Haus in Haar besucht und Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat mitgebracht. Das war sein Lieblingsessen."

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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