Zum Bären:Wohnzimmer-Ambiente im Villenviertel

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Der 1911 erbaute "Bär" war das Zentrum der Villenkolonie, das große Wohnzimmer der Siedlung, die Beamte und Privatiers beherbergte, Künstler und pensionierte Offiziere. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Stüberl im Gasthof Zum Bären strahlt Wohlfühlatmosphäre aus, die Speisen tun das mitunter auch.

Paula Morandell

Es ist ein Haus mit Vergangenheit, und man sieht es ihm an: Der Gasthof Zum Bären in Gauting thront regelrecht über dem baumbestandenen Pippinplatz, ein wuchtiger Bau in einladendem Hellgelb mit Erkern, grünen Fensterläden, ziegelrotem Dach. Als um die Jahrhundertwende findige Immobilienhändler die Vorzüge der damals noch ländlichen Gemeinde im Würmtal erkannten, entstand hier zwischen 1903 und 1914 eine ausgedehnte Villenkolonie.

Die feine Wohngegend ist heute noch eine Attraktion, wer an verschnörkelten Landhäusern und malerisch bepflanzten Gärten vorbeispaziert, fühlt sich in andere Zeiten versetzt - von den Karossen der zahlungskräftigen Bewohner mal abgesehen.

Der 1911 erbaute "Bär" war das Zentrum der Villenkolonie, sozusagen das große Wohnzimmer der Siedlung, die Beamte und Privatiers beherbergte, Künstler und pensionierte Offiziere. Das denkmalgeschützte Gebäude ist heute Hotel und Speiselokal, und die renovierte Gaststube schön altmodisch ohne einen Hauch von Moder: Die dunkle Holzdecke, die getäfelten Wände und Blumenvorhänge wirken behaglich und heiter zugleich.

In den Bären kommt man nicht unbedingt wegen des Essens

Man geht also gern her in den Bären, auch um im Freien hinter einer Buchenhecke unter mächtigen Kastanien zu sitzen. Allerdings: Wegen des Essens braucht man nicht unbedingt zu kommen, und das ist furchtbar schade. Immerhin florierte der Gasthof, damals noch mit dazugehöriger Metzgerei, in der Zwischenkriegszeit unter einem jungen tüchtigen Wirtepaar, festigte in den fünfziger Jahren seinen Ruf als ausgezeichnetes Ausflugslokal und tauchte, nach einigen Pächterwechseln, Mitte der Neunziger als Feinschmeckeradresse in einschlägigen Publikationen auf.

Davon ist die Küche der heutigen Betreiber ziemlich weit entfernt. Wer froh gestimmt Platz nimmt an einem der geschmackvoll gedeckten Tische, sich freut über den zuvorkommenden Service, die Malstifte für die Kinder, die Decken an kühlen Abenden, ist umso enttäuschter, dass aus der Küche oft nur Durchschnittliches kommt. Vielleicht liegt's daran, dass hier viele, fast möchte man meinen: zum größten Teil Hotelgäste speisen. Der Betrieb muss vor allem reibungslos laufen, kulinarische Höhenflüge bleiben dabei aus.

Dabei ist es ja nicht so, dass der Koch im Bären keine Einfälle hätte. Es haperte aber leider immer wieder an der Ausführung. Auf das Rindercarpaccio (8,90) gab es ein paar Tropfen sämigen Balsamicos, das Fleisch war von guter Qualität - aber innen gefroren. Über den Rucolasalat kamen Pinienkerne, der Parmesan dazu fehlte mal, mal verlor er sich feinst gerieben im Dressing (7,60).

Am besten fährt man mit traditionellen Gerichten

Ein echter Patzer waren die Bärlauchravioli, wobei an der Pasta selbst gar nichts auszusetzen war. Wieso aber ein Schlag merkwürdig dickflüssiger, jedoch geschmacksneutraler Creme die Teigwaren unter sich begrub, blieb das Geheimnis des Kochs (7,90). Dieselbe Soße umschwamm den Gemüsestrudel (7,90), dessen schmackhafte Karottenfüllung darunter erstaunlich wenig litt. Für Vegetarier ist der Frühling, Asparagus sei dank, eine erfreuliche Zeit, und auch im Bären gibt es die obligate Spargelkarte. Doch die Stangen, begleitet von Kartoffeln und einer Hollandaise (9,90), lagen arg dünn und teils zu weich gekocht auf dem Teller.

Am besten fährt man im Bären mit traditionellen Gerichten. Das Wiener Schnitzel vom Kalb war so dünn, wie es sein muss (14,50). Die beiden Scheiben vom Tafelspitz, schön zart, lagen auf bissfest gedünsteten Karotten, Zucchini und Schwarzwurzeln (13,90) - nur schade, dass frisch geriebener Meerrettich fehlte. Bei den geschmorten Ochsenbäckchen (14,70) ließ das angenehm mürbe Fleisch, auf einer üppigen Portion Kartoffelbrei serviert, den kräftigen Geschmack des Rotweinsuds gerade in der richtigen Intensität zu - ein wohlig wärmendes Gericht und keine schlechte Wahl, wenn man an Maiabenden länger unter den blühenden Kastanien sitzen bleibt, als es die Temperatur eigentlich zulässt.

Man mag gar nicht daran denken, wie schade es gewesen wäre, hätte die Klage eines Nachbarn Erfolg gehabt und den Biergartenbetrieb eingeschränkt. Ganz zu schweigen von der zum Glück nie realisierten Schnapsidee aus dem Jahr 1980, den stolzen Bären einfach abzureißen. Die Vesperwirtschaft hat über die Jahrzehnte einiges ausgehalten - und wer auf den Schreck Trostspendendes brauchte, war mit einem Stück üppig gefülltem Apfelstrudel plus Sahne (3) besser bedient als mit einer Großportion Kaiserschmarrn (7,90) , der schwer und buttrig aus der Küche kam.

© SZ vom 19.05.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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