Zukunft des Schlachthofgeländes:Planspiele für ein Filetstück

Das Open-Air-Kino im Viehhof in München.

Das Open-Air-Kino im Viehhof lockt immer mehr Menschen an, auch aus den umliegenden Stadtteilen. Was aus dem Gelände mittelfristig wird, ist indes noch unklar.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Sommer gastiert hier ein Open-Air-Kino, jetzt kommt der Circus Roncalli und 2014 vielleicht ein Urban-Gardening-Projekt. Der Münchner Viehhof wird rege genutzt - doch was soll auf dem Areal langfristig entstehen? Ein Theater hat Interesse angemeldet, es könnten aber auch Wohnungen entstehen. Ein Ausblick.

Von Sebastian Krass

Es ist erst sieben Jahre her, dass hier noch lebende Tiere gehandelt wurden, 100 Stück Vieh pro Tag waren es zuletzt. Kein Vergleich mehr zur Zeit Mitte der Neunzigerjahre, als 600 Tiere pro Tag in einer Halle auf dem Viehhof an der Tumblingerstraße ankamen. Vor fünf Jahren wurde dann auch die Halle abgerissen, seitdem ist dort eine Brachfläche.

Doch das Areal ist zu neuem Leben erwacht. Seit 2011 bespielen die Betreiber eines Open-Air-Kinos und Biergartens den Viehhof im Sommer. Und jetzt kommt Zirkus. Ab Freitag treten die Clowns und Artisten vom "Roncalli" auf dem Gelände auf. Bis zum 8. Dezember ist das Gastspiel terminiert. Und für nächstes Jahr gibt es angeblich die Idee, dort ein Urban-Gardening-Projekt aufzuziehen.

Solche allseits anerkannten Zwischennutzungen wird es noch ein paar Jahre geben können. Nur, was kommt danach? Die Stadtteilpolitiker vom Bezirksausschuss (BA) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt finden, dass es langsam an der Zeit ist, ernsthaft darüber nachzudenken. Deshalb haben sie einen von Beate Bidjanbeg (SPD) initiierten Antrag verabschiedet, in dem die Stadt aufgefordert wird, mit einem Grundsatz- und Eckdatenbeschluss Rahmen und Richtung für die künftige Nutzung des Viehhofs vorzugeben. Damit ist nicht nur die Brachfläche gemeint, sondern das gesamte Areal zwischen Tumblinger-, Zenetti-, Thalkirchner Straße und der Bahnlinie, 6,8 Hektar sind es insgesamt.

Die Menschen im Viertel haben immer "super Ideen"

Der Viehhof regt die Phantasie von Menschen an. Es kämen immer wieder neue Gerüchte auf, sagt Bidjanbeg (SPD). "Es hieß mal, ein Teil solle an einen Investor verkauft werden." Inzwischen meldet das Volkstheater Interesse an, sich dort niederzulassen. "Aber das ist auch ein wertvolles innerstädtisches Grundstück mit Potenzial für Wohnbebauung", sagt Bidjanbeg.

Ein Neubau für ein Theater wiederum würde Fläche für Wohnbebauung wegnehmen. Nach dem Willen des BA soll die Phantasie der Münchner auch genutzt werden. Teil des Antrags ist das Schlagwort "Bürgerbeteiligung". Beim Paulanergelände in der Au habe das schon ganz gut funktioniert, findet Bidjanbeg, "aber beim Viehhof würde ich gern noch früher ansetzen", vor der konkreten Bauplanungsphase. "Wir wollen schon vorher zusammentragen, was an Nutzung möglich ist", sagt die SPD-Politikerin, "die Menschen, die im Viertel wohnen, haben immer super Ideen." Die könne der BA etwa mit Einwohnerversammlungen "kanalisieren".

Potenzial für mehrere Hundert Wohnungen

Paul Bickelbacher (Grüne) war vor einigen Tagen dabei, als eine Delegation des BA zusammen mit Vertretern des Kommunalreferats, das das Areal verwaltet, einen Rundgang über das Gelände machte. Dabei habe man festgestellt, dass viele der leer stehenden Gebäude schon "sehr baufällig" seien, berichtet Bickelbacher, bei manchen lohne es sich nicht einmal, sie für eine Zwischennutzung herzurichten. Jedenfalls sei es schade, dass gerade in diesem innerstädtischen Bereich "so große Flächen stark untergenutzt seien".

Bickelbacher sieht auf dem Viehhof Potenzial für mehrere Hundert Wohnungen, "es wäre ein typischer Fall für eine der städtischen Wohnungsbaugesellschaften". Die Stadt reagiert zurückhaltend auf die Forderungen aus dem BA. Zwar sei die Planung für den Viehhof inzwischen abgekoppelt von der für die benachbarte Großmarkthalle, erklärt ein Sprecher des Kommunalreferats. Dennoch könne man "noch keine konkreten Perspektiven zeigen, weil erst abschließend geklärt werden muss, was mit der Großmarkthalle passiert". Dort aber schreiten die Planungen voran, wie sich vor gut einer Woche zeigte, als die Stadt ein Neubaukonzept vorstellte.

Die Nutzung umfasste eine Lkw-Waschanlage und eine Darmsortieranlage

Zu klären ist etwa die Frage, was mit der derzeitigen - im Wortlaut der Stadtverwaltung - "großmarktaffinen" Nutzung auf dem zur Thalkirchner Straße hin gelegenen Teil des Viehhofs passiert. Diese Nutzung umfasse etwa eine "Lkw-Waschanlage, Darmhandel und -sortieranlage, Messerschleiferei, Planenmacher, italienische und griechische Feinkost". Diese Betriebe könnten theoretisch gut auf das künftige Gelände der Großmarkthallen passen.

Beim Thema Leerstand betont die Stadt: "Alle vermietbaren Objekte sind vermietet. Leerstand besteht in Gebäuden mit hohem Sanierungsbedarf." Diese Häuser mit großem Aufwand wieder herzurichten, sei aber wegen "der derzeit unklaren Planungssituation" nicht gerechtfertigt.

Auch beim Planungsreferat ist nichts Konkretes zur Zukunft des Viehhofs zu erfahren. Man werde sich mit dem BA-Antrag "beschäftigen", erklärt ein Sprecher. Aber es sei "noch nicht absehbar", wann ein Grundsatz- und Eckdatenbeschluss erstellt werde. Bürgerbeteiligung werde dabei "in Erwägung gezogen. Aber wie genau, das wissen wir noch nicht".

BA-Mitglied Bickelbacher geht davon aus, dass ein solcher Grundsatzbeschluss frühestens in einem Jahr ergehen wird. Logischer nächster Schritt wäre dann ein städtebaulicher Wettbewerb, bevor ein Bebauungsplan erstellt wird. "Wenn in fünf Jahren die erste Baustelle da ist, dann wäre das zügig." Aber, so ein Ziel des BA, es soll beim Viehhof später keiner sagen können, man habe die Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt.

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