Zukunft der Arbeit:"Wir begegnen uns nur noch in der S-Bahn"

Zukunft der Arbeit: Soziologin Sabine Pfeiffer: "Wenn Sie einen frühen Flug nehmen, sehen Sie in der S-Bahn die Parallelwelten. Da sitzen die Businessleute drin und Menschen wie ich mit leichtem Gepäck, die nur für einen Tag hin und her jetten, zu irgendeinem Meeting. Und Sie sehen die Menschen, die in einem der Logistik-Konzerne auf der Strecke ihre Frühschicht beginnen oder am Flughafen. Wir begegnen uns nur noch in der S-Bahn und nur noch um diese Uhrzeit."

Soziologin Sabine Pfeiffer: "Wenn Sie einen frühen Flug nehmen, sehen Sie in der S-Bahn die Parallelwelten. Da sitzen die Businessleute drin und Menschen wie ich mit leichtem Gepäck, die nur für einen Tag hin und her jetten, zu irgendeinem Meeting. Und Sie sehen die Menschen, die in einem der Logistik-Konzerne auf der Strecke ihre Frühschicht beginnen oder am Flughafen. Wir begegnen uns nur noch in der S-Bahn und nur noch um diese Uhrzeit."

(Foto: Robert Haas)

Die Soziologin Sabine Pfeiffer warnt vor Parallelgesellschaften, die man schon heute auf dem Weg zur Arbeit beobachten könne. Und: Wir werden wohl alle künftig mehr schuften, ausnahmslos.

Von Pia Ratzesberger

Die meisten Menschen wollen Prognosen von Sabine Pfeiffer, einen kleinen Blick in die Zukunft. Sie wollen von ihr wissen, ob sie in zehn Jahren noch in ihrem Job arbeiten können. Oder ob den dann ein Roboter übernimmt. Sie wollen wissen, wie viele Jobs wegfallen, welche Branchen verschwinden werden. Es gibt dutzende Studien dazu, manche nennen sehr konkrete Zahlen - dass bis zum Jahr 2055 die Hälfte aller Arbeitsstunden automatisiert sein könnte, zum Beispiel. Sabine Pfeiffer aber sagt, das eigentliche Problem sei erst einmal ein anderes: "Die Arbeitswelten werden in Zukunft noch mehr auseinanderdriften."

Sabine Pfeiffer, 51, ist Arbeitssoziologin, sie erforscht, wie sich die Arbeit verändert, die Technik, die Gesellschaft; sie ist Professorin in Nürnberg, lebt in München. Dort sitzt sie nun also im Stadtcafé, für viele ist schon Feierabend, die Menschen hasten am Fenster vorbei, kein Blick nach links und rechts - und wenn Pfeiffer von der Zukunft der Arbeit spricht, spricht sie oft von "Parallelgesellschaften". Auch in der Arbeit begegneten sich nur noch Menschen mit ähnlichem Hintergrund. Das sei gefährlich.

In München zum Beispiel könne man diese Gegensätze am Morgen in der S-Bahn sehen, auf dem Weg zum Flughafen. "Da sitzen die Businessleute drin und Menschen wie ich mit leichtem Gepäck, die nur für einen Tag hin und her jetten, zu irgendeinem Meeting. Und Sie sehen die Menschen, die in einem der Logistik-Konzerne auf der Strecke ihre Frühschicht beginnen oder am Flughafen. Wir begegnen uns nur noch in der S-Bahn und nur noch um diese Uhrzeit."

Früher habe es in vielen Firmen etwa einen Pförtner gegeben, der fest zum Unternehmen gehörte, der in der Produktion stand und im Alter an den Eingang wechselte. Er war lange im Unternehmen, er kannte jeden und jeder kannte ihn. Heute aber hätten viele Firmen solche Dienstleistungen outgesourct, die Leute an der Pforte oder in der Kantine wechselten schnell durch. "Das trägt dazu bei, dass Menschen nur noch mit Menschen zusammenkommen, die dieselbe Qualifikation haben, ob hoch oder niedrig".

Eines aber verändere sich für alle Menschen, sagt Pfeiffer, egal welcher Qualifikation, egal welches Berufs, ob Pfleger, Managerin oder Bauarbeiter. "Wir arbeiten alle immer mehr. Ohne Ausnahme." Die Wirtschaft werde zwar immer produktiver, dennoch müsse der Einzelne immer mehr leisten - obwohl bei jedem großen Produktivitätssprung in der Geschichte die Menschen doch hofften, weniger zu arbeiten.

Es brauche also eine Diskussion, wie wir arbeiten wollen, jetzt könne man noch umsteuern. Pfeiffer sagt: "Wenn die starken Polarisierungen erst mal da sind, wird es viel schwerer sein." Das brauche dann Generationen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: