Ein paar Popsongs, italienische Radiowerbung und dann plötzlich die Stimmen von Wolfgang Leikermoser, Stefan Meixner und auch dem Nullinger. Sind wir wirklich schon in Italien? Und wie! Antenne Bayern gehört für die Fans zum Gardasee wie der Aperol Spritz zu den Oliven. Von April bis September, täglich von acht bis 16 Uhr, übernimmt Deutschlands meistgehörter Radiosender eine Frequenz des italienischen Senders Radio Studio Piu - und das nun schon seit 20 Jahren.
Wie viele Hörer Antenne damit erreicht, wissen die Macher nicht. "Es gibt keine Hörermessung", sagt Stefan Assfalg, Unternehmenssprecher und Leiter Medienpolitik bei Antenne Bayern. Das sei aber auch zweitrangig. Vielmehr ginge es darum, dass Antenne-Fans ihr Radio auch im Urlaub hören können. Jedes Jahr kommen knapp eine Million deutschsprachige Touristen an den Gardasee, viele davon aus Bayern. Sehr oft fahren die Reisenden mit dem Auto, in dem noch am meisten Radio gehört wird, an den See und nutzen ihr Gefährt auch vor Ort.
Wie wäre es wohl, wenn in München plötzlich italienische Stimmen aus den Lautsprechern schallten, während man durch Schwabing kurvt? Irgendwie seltsam. Man würde vielleicht eine Weile neugierig zuhören, aber wohl auch bald wieder wegschalten. Die Macher von Radio Studio Piu sind sich allerdings sicher, dass sich die Italiener davon nicht gestört fühlen. "Die deutschen Touristen sind am Gardasee enorm wichtig, und so wollen wir ihnen diesen Service bieten", sagt Edoardo Righetti von Radio Studio Piu. Eine Million Hörer habe der Sender in einer Woche. Zudem ist die Frequenz nur eine von drei, sodass die italienischen Hörer, die kein Deutsch hören wollen, galant ausweichen können, aufs Oldie- oder Dance-Programm.
Zweimal im Jahr treffen sich die Verantwortlichen der beiden Radiosender, einmal in München, einmal am Gardasee, und verhandeln den Vertrag jedes Mal aufs Neue aus. "Wir haben Dolmetscher am Tisch. Zur Sicherheit", erklärt Antenne-Sprecher Assfalg. "Die Verträge müssen auch in zwei Sprachen übersetzt werden." Wie viel sie für die Lizenz bezahlen, verrät Antenne Bayern nicht. So teuer kann es aber nicht sein, denn direkte Gewinne generiert der bayerische Sender mit seinem regelmäßigen Gastspiel nicht. Die gesamten Werbe-Einnahmen gehen an Radio Studio Pui. Die Reklame ist auf die deutschen Touristen abgestimmt. "Nur so schmeckt der echte Grana Padano", tönt es am Lago verführerisch aus dem Lautsprecher. "Wir können uns auf dem Markt mit einem im Vergleich zur Konkurrenz überlegenen Angebot präsentieren", sagt Righetti. "So bekommen wir Kontakt zu wichtigen Kunden."
Eine solche Zusammenarbeit ist außergewöhnlich. Sie würde sich aber auch an wenigen anderen Orten eignen, denn wo sind schon so viele deutsche Touristen? Auf Mallorca zum Beispiel, aber die Insel hat bereits ihr eigenes deutschsprachiges Inselradio.
Wie die Kooperation am Gardasee mit Italien losging, weiß die jetzige Generation der Programmmacher bei Antenne Bayern gar nicht mehr so genau. Die goldenen Momente sind allerdings in Erinnerung geblieben, denn mit der Frequenz gehen auch Programmaktionen einher. "Morgenmoderator Wolfgang Leikermoser ist in den Neunzigerjahren in den frühen Morgenstunden live on air in den eiskalten Gardasee gesprungen. Das wird heute noch von Hörern erzählt", sagt Stefan Assfalg. Und ein anderes Mal sei ein Antenne-Team mit dem Wohnmobil ohne Vignette bis zum See gefahren - ohne erwischt zu werden. Darauf seien sie im Sender heute noch stolz.