Zugunglück von Bad Aibling:Warum waren alle Sicherheits-Hürden unwirksam?

Zugunglück von Bad Aibling: Hätte mehr systematische Sicherheitstechnik das Zugunglück von Bad Aibling verhindern können? Das fragen sich viele Leser.

Hätte mehr systematische Sicherheitstechnik das Zugunglück von Bad Aibling verhindern können? Das fragen sich viele Leser.

(Foto: Lennart Preiss/Getty)

"Mehr Sicherheit ist möglich" vom 19. Februar, "Staatsanwalt ermittelt gegen Fahrdienstleiter" vom 17. Februar und die Berichterstattung über das Zugunglück von Bad Aibling:

Zu einfach gedacht

Nach den Untersuchungen wird nun erklärt, dass die vorhandene Technik funktioniert hat, der Fehler somit allein beim Fahrdienstleiter zu suchen ist. Das ist aber zu einfach gedacht. Sicher hat die existierende Technik die an sie gegenwärtig gestellten Anforderungen für den Alltagsbetrieb erfüllt, allerdings hat sie nicht ausgereicht, um das Unglück zu verhindern. Somit kann man sie nicht als sicher bezeichnen.

Im Raum des S-Bahn-Bereiches München kann sich jedermann auf der Internetseite http://s-bahn-muenchen.hafas.de am eigenen Monitor die aktuellen Standorte der fahrenden S-Bahnen im Gesamtnetz anzeigen lassen, inklusive Fahrtrichtung und Verspätung, und so weiter. Entsprechende Monitore im Stellwerk Aibling sowie in den beiden Zügen hätten den beteiligten Personen optisch klar zu erkennen gegeben, dass sich hier auf der eingleisigen Strecke zwei Züge auf Kollisionskurs befinden. Spätestens da hätten auch die beiden Lokführer noch rechtzeitig reagieren können. Ist also davon auszugehen, dass es auf dieser Strecke und in den Zügen derartige Überwachungsmechanismen nicht gibt? Wurde hier wieder mal gespart? Günter Czerny, Puchheim

Strom abschalten

Wenn der einzige Verantwortliche alleine ein Sicherheitssystem, das ihn von Fehlern schützen soll, übergehen kann, so ist das ein Unsicherheitssystem, auch wenn dazu unter Ignorieren der Dienstvorschrift mehrere Schritte notwendig sind. Was soll den Fahrdienstleiter denn noch davon abhalten, Fehler zu wiederholen, wenn er sich bereits zur Fahrtfreigabe mittels Sondersignal ZS1 entschieden hat? Und dieses Ausschalten soll bei der DB auch noch gängige Praxis sein, weil es auf eingleisigen Strecken so viele Störungen geben soll? Es ist ein Skandal, dass die Umgehung dieses mehrfach "gesicherten" Systems angeblich übliche Praxis ist. Die Sicherung eingleisiger Strecken ist mit dem Stand der Technik nicht in Einklang zu bringen, um bei der Wortwahl des leitenden Oberstaatsanwalts in seiner Stellungnahme im Hinblick auf mögliches, menschliches Versagen zu bleiben. Die Hauptverantwortlichen sind im Eisenbahn-Bundesamt zu suchen. Leider wird dem Fahrdienstleiter mit ziemlicher Sicherheit die alleinige Schuld an diesem Unglück gegeben werden. Sichere Einrichtungen nach heutigem technischen Standard auf niedrigem Niveau könnten solche Fehler zuverlässig verhindern! Warum gab es im Stellwerk beispielsweise keine Möglichkeit, einfach den Strom abzustellen? Wolfram Gerold, Erlangen

Falsches Prestigedenken

Unabhängig davon, wer oder was nun letztendlich dieses furchtbare Unglück verursacht hat, muss man den Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn zwei Fragen stellen und auf deren Beantwortung beharren. Frage eins: Wie ist es möglich, dass ein Sicherheitssystem, das menschliches Versagen verhindern soll, durch ebendieses mittels eines falschen Knopfdrucks außer Kraft gesetzt werden kann? Frage zwei: Wie ist es möglich, dass eine Bahnstrecke im 21. Jahrhundert immer noch eingleisig ist, auf der in beiden Richtungen am Tag zwischen 5 und 23 Uhr sage und schreibe 90 Personenzüge unterwegs sind (man lese den Streckenplan)? Offenbar ist es wichtiger, die ICE-Trasse von Budapest nach Paris mit einem irrsinnigen Milliardenaufwand und noch nicht genau zu beziffernden Dauerkosten der Untertunnelung um eine halbe Stunde schneller zu machen, als die Sicherheit einer kleinen, viel befahrenen Nebenstrecke zu verbessern. Was ist so eine Bamberlstrecke auch schon gegen die Magistrale Paris-Budapest. Es lebe das Prestigedenken! Renate Seitz, München

Bitte keine Müllsäcke

Wann kommt endlich jemand auf die Idee, die letzten Habseligkeiten von Verunglückten/Verstorbenen in andere Behältnisse zu packen als ausgerechnet in Müllsäcke? Ich habe das selbst erlebt nach dem tragischen Unfalltod meines Vaters vor 40 Jahren, und ich kann mich noch immer gut erinnern an das Gefühl absoluter Würdelosigkeit. Den Angehörigen wird auf diese Art in ihrem Schock und ihrer Trauer ein weiterer, völlig unnötiger, da leicht vermeidbarer Schlag versetzt! Marianne Müller, München

Zu wenig Sicherung

Wer hat mehr Schuld am Zugunglück? Der Fahrdienstleiter mit einem typisch menschlichen Fehler oder der Systemtechniker, der den Zugang zur Taste "Sondersignal" fahrlässig leicht gemacht hat? Die Taste ist wohl nötig, aber sie müsste gut abgesichert sein, mit einem Schlüssel, den nur eine höhere Dienststelle hat. Das wäre dann auch eine Sicherung gegen Menschen wie den Piloten, der das Flugzeug absichtlich gegen die Felsenwand gesteuert hat. Dr. Ernst Schmidbauer, Feldafing

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